zum Hauptinhalt

Gesundheit: Bereits die Vorfahren der Vögel besaßen offenbar ein Federkleid

Kinogängern ist er seit Steven Spielbergs Dinoschocker "Jurassic Park" in lebhafter Erinnerung - der "König der Tyrannosaurier" oder T. rex.

Kinogängern ist er seit Steven Spielbergs Dinoschocker "Jurassic Park" in lebhafter Erinnerung - der "König der Tyrannosaurier" oder T. rex. Damals störten sich allenfalls Paläontologen, dass der blutrünstige, rund acht Tonnen schwere und 15 Meter lange Gigant tatsächlich gar nicht im Jura, sondern während der späteren Kreidezeit lebte.

Doch ein "Cretaceous Park" wäre nicht die einzige Korrektur, an die sich Dino-Fans gewöhnen müssen. Auch die gängige Vorstellung, dass Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren, am Ende der Kreidezeit, nachkommenlos ausstarben, hat sich als irrig erwiesen. Eine Gruppe kleiner Sauriernachfahren, die Vögel, überlebte das meteoritenverhagelte Ende des Erdmittelalters und schwangen sich in der Erdneuzeit - vom Ara bis zum Zebrafinken - zu wahrer Blüte und Formenvielfalt auf. Ihre bunten Federn dürften sie als Erbe der Reptilien mitgebracht haben.

Unstrittig ist, dass Krokodile und Vögel die nächsten lebenden Verwandten jener beiden großen Zweige erdmittelalterlicher Reptilien sind, die unter dem Sammelbegriff "Dinosaurier" zusammengefasst werden. Dazu zählen Giganten wie der im Berliner Museum für Naturkunde präsentierte pflanzenfressende Brachiosaurus ebenso wie jener räuberische Tyrannosaurus rex. Aber während Kino und Fernsehen noch die gängigen Klischees von diesen schauerlich-schönen Schreckensechsen bedienen, zwingt eine Serie von Neufunden die Wissenschaftler jetzt zum Umdenken.

So sehen inzwischen mehr und mehr Experten in den Vögeln die wahren Nachfahren der Dinosaurier. Vor allem den leichtgewichtigen Federn kommt dabei eine schwerwiegende Rolle zu, denn das Gefieder erwies sich jüngst als kein allein den Vögeln typisches Merkmal. Sollte Steven Spielberg also einen dritten Teil seiner Dinopark-Geschichte drehen, wäre er gut beraten, das Design seiner Stars gründlich zu ändern.

Gleich in mehrfacher Hinsicht ähnelten Dinosaurier offenbar eher Vögeln als Reptilien. So fand Lawrence Witmer, Leiter eines Forschungsprojektes fur Dinosaurieranatomie an der Universität von Ohio unlängst, dass auch der furchtbare T. rex vermutlich keine die Zähne verdeckenden Lippen, sondern einen vogeltypischen Schnabel hatte.

Aus speziellen Ausbuchtungen an den Kieferknochen einiger Saurier schließt Witmer auf Schnabelformen, die denen eines Adlers gleichen sollen, und hält mithin Lippen bei T. rex und Konsorten für eine unzulässige Anleihe bei modernen Eidechsen. Für Überraschung sorgten aber vor allem ungewöhnlich gut erhaltene Fossilfunde aus der chinesischen Provinz Liaoning.

Die Versteinerungen sind rund 125 Millionen Jahre alt und rühren an der Lehrbuchweisheit, dass allein der Urvogel Archaeopteryx und seine modernen Nachfahren ein Federkleid besaßen. Vielmehr dürften auch urzeitliche Echsen ein echtes Gefieder gehabt haben. Die jüngste Entdeckung gelang chinesischen Forschern um Xiao-Chun Wu von der Universität Peking, als sie die versteinerten Überreste eines 40 Zentimeter großen, vogelartigen Droemaeosauriers aus der kreidezeitlichen Yixian-Formation nahe Sihetun untersuchten. Sie tauften den Fund auf den Namen Sinornithosaurus millenii, was soviel wie "chinesischer vogelähnlicher Saurier des Jahrtausends" bedeutet.

Vogelartige Echsen

Der landlebende kleine Saurier, der in seinem Skelettbau sehr viele Gemeinsamkeiten mit Vögeln hat, lief einst zur Kreidezeit auf den Hinterbeinen und ernährte sich räuberisch. Feinste Spuren, die sich rund um das Fossil in die Steinplatte eingedrückt haben, werden von den Forschern als Überreste eines vergleichsweise dichten Daunengefieders wie bei modernen Vogeln aufgefasst. Zwar fehlten Sinornithosaurus millenii kräftige Schwungfedern, wie sie der rund 20 Millionen Jahre ältere Archaeopteryx besaß. Doch wer bislang Dinosaurier mit buntem Schuppenmuster wie bei einer Echse vor Augen hatte, muss jetzt umdenken.

Im Dino-Schocker "Jurassic Park" beispielsweise wurden die gerissen-räuberischen Velociraptoren mit getigertem Schuppenkleid farbenprächtig in Szene gesetzt. Wären die jüngsten Fossilfunde aus China schon damals bekannt gewesen, hätte man sie stattdessen mit einem Daunenfederkleid wie bei einem Osterküken animieren müssen. Denn jene Velociraptoren, mit denen der jetzt entdeckte "Jahrtausend-Dinosaurier" nahe verwandt ist, waren ebenso wie Tyrannosaurus rex befiedert. "Wir sind jetzt genau so sicher, dass Velociraptor Federn hatte, wie wir wissen, dass der Neanderthaler Haare besaß", meint Mark Norell vom Museum für Naturgeschichte in New York.

Bereits zuvor waren in China mehrere Fossilien kreidezeitlicher Reptilien ausgegraben worden, die mit ihren so genannten "Proto-Federn" für hitzige Diskussionen sorgten. Anfang 1998 verblüffte Sinosauropteryx prima, "der erste gefiederte Saurier aus China", die Experten. Das ungewöhnlich gut erhaltene Fossil dieses auf den Hinterbeinen laufenden, etwa einen Meter großen Raubsauriers zeigt Ansätze eines vogeltypischen Daunenfederkleides. Als solche zumindest hatten die Entdecker des Fossils die filamentartigen Abdrücke vor allem im Rücken und Nacken interpretiert und den Widerspruch einiger Kollegen erregt.

Diese hielten die mysteriösen Federspuren lediglich für Bindegewebsfasern, die zurückblieben, als das Reptil sich langsam zersetzte. Noch im selben Jahr allerdings erhielten die Befürworter der Feder-Theorie die Bestätigung, als am selben Fundort zwei weitere versteinerte Skelette von befiederten Reptilien zu Tage kamen. Wahrend die filigranen Filamente von Sinosauropteryx noch Zweifel zuließen, besaßen diese beiden kreidezeitlichen Saurier eindeutig Körper- und Konturfedern.

Wie bei modernen Vögeln hatten auch ihre fossilien Federn bereits einen zentralen Kiel und beidseitige Fahnen. Vor allem Caudipteryx (die "Schwanzfeder") zeichnet sich durch einen Federbusch aus mehr als 13 Zentimeter langen Federn am Schwanzende aus sowie durch Federn an den vergleichsweise dünnen und kurzen Vorderarmen. Gemeinsam ist all diesen chinesischen Urechsen, dass sie sehr wahrscheinlich mit ihren Federstrukturen nicht fliegen konnten. Vielmehr dienten diese zur Wärmeisolation.

Zwar fehlen noch immer viele Mosaiksteinchen für eine detailgetreue Rekonstruktion der Evolution von Dinosauriern und Vögeln. Doch mit den jüngsten Funden ist nun Bewegung in die Ahnengalerie auch von Amsel und Adler gekommen; mit dem Ergebnis, dass wir uns den Wellensittich im Käfig getrost als Nachfahren jener Schreckensechsen denken dürfen - und die Vogelvoliere als wahren "Dino Park".

Matthias Glaubrecht

Zur Startseite