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Gesundheit: Bildschirme und Monitore: Die Bildröhre wird platt gemacht

Wegen ihrer Dickleibigkeit hat man sie oft gescholten. Aber die Braunsche Röhre macht sich rund 100 Jahre nach ihrer Erfindung immer noch in nahezu jedem Haushalt breit.

Wegen ihrer Dickleibigkeit hat man sie oft gescholten. Aber die Braunsche Röhre macht sich rund 100 Jahre nach ihrer Erfindung immer noch in nahezu jedem Haushalt breit. Vor allem weil sie so billig ist und die Bildqualität gut, blähte sie 90 Prozent der 250 Millionen Bildschirme und Monitore auf, die allein 1998 für die Fernseh- und Computerindustrie produziert wurden. Wer die gute alte Bildröhre platt machen will, der muss sich etwas einfallen lassen.

An Ideen für flache Bildschirme, Displays oder Anzeigetafeln mangelt es nicht. Und wo das geringe Gewicht eine besondere Rolle spielt, etwa bei mobilen Laptops oder kleinen Displays von Taschenrechnern, haben sich längst andere Techniken durchgesetzt. Flüssigkristall-Anzeigen (LCDs) beherrschen den Notebook-Markt. Die neueren Entwicklungen mit aktiver Ansteuerung der Bildpunkte (TFT) genügen inzwischen auch den Anforderungen, die Verbraucher an videotaugliche Geräte stellen. Sie werden der Braunschen Röhre in den kommenden Jahren mehr und mehr Konkurrenz machen.

Wissenschaftler der Uni Potsdam und des Max-Planck-Instituts für Kolloid-und Grenzflächenforschung in Golm denken derweil über die nächste Bildschirmgeneration nach: dünne Folien aus organischen Stoffen, die wie ein Poster an die Wand gehängt und zusammengerollt werden können.

Die ganze Elektronik einer Fernsehröhre lässt sich allerdings nicht ohne weiteres in eine hauchdünne Folie quetschen. Das Material, am liebsten ein preiswerter, alltäglicher Kunststoff, müsste elektrischen Strom gut leiten, die geladenen Partikel in rotes, grünes und blaues Licht umwandeln können und so kontrastreiche Bilder erzeugen.

Eine solche Substanz haben die Forscher bislang nicht gefunden. Aber wenn sie mehrere Schichten aus unterschiedlichen Stoffen übereinanderlegen, kommen sie ihrem ehrgeizigen Ziel, der "Organischen lichtemittierenden Diode" (OLED), bereits recht nahe. Jede der zwischen zwei Elektroden aufbrachten Schichten erfüllt dabei eine der gewünschten Funktionen: die eine leitet die Elektronen gut, die andere ihre positiv geladenen Counterparts, die Positronen. Zwischen dieses beiden Substanzen liegt die besonders heikle lichtemittierende Schicht.

Alle Farben auf dem Schirm

Wenn Elektronen und Positronen zusammenkommen, entsteht nicht unbedingt Licht. Es kann auch eine Art Kurzschluss eintreten. Die Energie der Partikel verpufft dann in einem Hitzeschwall. In einem geeigneten Material jedoch, etwa in langkettigen, aromatischen Verbindungen wie Polyphenylvinylen, vereinigen sich Elektron und Positronen zu einem Quasiteilchen. Dieses strahlt seine Energie nach einer gewissen Zeit als Licht ab. Je nach Beschaffenheit der Emissionsschicht ändert sich die Frequenz, die dieses Licht hat, und damit dessen Farbe.

Polyphenylvinylen zum Beispiel emittiert in grünem Licht. "Aber durch eine geringfügige Änderung der molekularen Struktur der Substanz kann man damit fast das gesamte Farbenspektrum abdecken", sagte Ludwig Brehmer vom Institut für Physik der Potsdamer Universität anlässlich der internationalen Konferenz über "Organisierte Molekulare Filme". Dann erstreckt sich das Farbspektrum, wie gewünscht, von blau bis rot.

In Brehmers Forschergruppe sucht ein gutes Dutzend Wissenschaftler nach geeigneten Molekülen, die die frei beweglichen Elektronen und Positronen aufnehmen können. "Wir überlegen uns am Computer, wie die Moleküle aussehen sollen", sagte Brehmer. Dann testen die Forscher elektrische und optische Eigenschaften der Polymere.

Deren Stabilität spielt dabei eine große Rolle. Sie reagieren mitunter sehr empfindlich auf Feuchtigkeit. Außerdem sind organische Materialien in der Regel nicht sonderlich hitzeresistent. Die Potsdamer Wissenschaftler erproben aber unter anderen Grundstoffe, deren molekulare Struktur noch bis zu 500 Grad Celsius erhalten bleibt.

Um dünne Schichten daraus herstellen zu können, müssen die Materialien zudem gut löslich sein. Lässt man das Polymer auf eine schnell rotierende Scheibe fließen, verteilt sich die Flüssigkeit auf Grund der Fliehkraft schnell. Bei diesem "Spin coating" entstehen - je nach Drehgeschwindigkeit und Zähigkeit der Flüssigkeit - weniger als ein zehntausendstel Millimeter dünne Filme.

Mit einem solch einfachen Herstellungsverfahren könnten zum Beispiel leuchtende Tapeten billig produziert werden, sagte Helmuth Möhwald, Direktor am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzfläcenforschung bei dem Kongress. Artikel aus dem Supermarkt in beliebiger Form und Größe ließen sich so beschriften, die man auch nachts, ohne Licht, sehen könne.

Erste Produkte auf dem Markt

Während an der Uni Potsdam Materialentwicklungen für alle Schichten vorangetrieben werden, interessieren sich die Forscher an Möhwalds Institut vor allem für die Emissionsschicht. Sie wollen zudem die Vorteile der organischen Stoffe mit denen anorganischer Substanzen verbinden. "Ich halte sehr viel von Hybriden", unterstrich Möhwald.

Die dünnen Filme haben die Labors unterdessen bereits verlassen. Erste Produkte, etwa Hintergrundbeleuchtungen für Kfz-Anzeigen, sind nach zehn Jahren Forschung auf dem Markt. "Leider haben die Japaner wieder die Nase vorn", sagte Brehmer. "Aber die Europäer haben inzwischen aufgeholt."

Bis die organischen Folien mit anderen Bildschirm-Materialien konkurrieren können, wird es noch dauern. Helmuth Möhwald erwartet die Laptops aus organischen Filmen allerdings in nicht allzu weiter Ferne. "Ich möchte behaupten, dass es sie in den nächsten zehn Jahren geben wird."

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