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Gesundheit: Billionen Uhren und ein Mensch Misst jede Zelle des Körpers die Zeit?

Unsere innere Uhr sitzt ungefähr zeigefingertief und etwa auf Höhe der Nasenwurzel mitten im Gehirn, hat den unaussprechlichen Namen suprachiasmatischer Nukleus, kurz SCN, und besteht aus rund 50 000 elektrisch aneinander gekoppelten Nerven, die im Tagesrhythmus mal mehr, mal weniger aktiv sind. Doch das ist nur die halbe Wahrheit: Tatsächlich haben wir neben der Hauptuhr Billionen „Unteruhren“, die pausenlos und ungebremst vor sich hin ticken: In jeder Körperzelle mindestens eine.

Unsere innere Uhr sitzt ungefähr zeigefingertief und etwa auf Höhe der Nasenwurzel mitten im Gehirn, hat den unaussprechlichen Namen suprachiasmatischer Nukleus, kurz SCN, und besteht aus rund 50 000 elektrisch aneinander gekoppelten Nerven, die im Tagesrhythmus mal mehr, mal weniger aktiv sind. Doch das ist nur die halbe Wahrheit: Tatsächlich haben wir neben der Hauptuhr Billionen „Unteruhren“, die pausenlos und ungebremst vor sich hin ticken: In jeder Körperzelle mindestens eine.

Den Beleg dieser These fanden jetzt der Chronobiologe Ueli Schibler und sein Team von der Universität Genf. Wie die Forscher im Fachblatt „Cell“ berichten, untersuchten sie als Modell für verschiedenste Körperzellen gezüchtete Fibroblasten von Mäusen. Diese kaum fortentwickelten Zellen sitzen sonst im Bindegewebe und teilen sich, um alte oder verletzte Zellen zu ersetzen. Es zeigte sich, dass im Zellkern der Fibroblasten „Uhrengene“ im ungefähren Tagesrhythmus aktiv werden und der Zelle so die Zeit verraten – als seien es Ausläufer der „Zentraluhr“ im Gehirn.

Das Überraschendste aber war, dass „die Fibroblasten-Uhren auch so stabil sind wie diejenigen der Gehirn-Neuronen“, erklärt Schibler. Bisher dachte man, die Uhren außerhalb des Zeitzentrums im Gehirn würden ohne Anstoß von außen nur kurz schwingen. Erst die Signale der Hauptuhr sorgten für eine anhaltende Zeitmessung in der Peripherie, die den Organen hilft ihre Aufgaben im 24-Stundenrhythmus zu takten. Die Leber produziert ein Alkohol abbauendes Enzym vor allem Abends, weshalb wir dann weniger leicht betrunken werden.

Die bisher beobachtete Schwächung der Zell-Uhren war ein Beobachtungsfehler: Anders als die SCN-Zellen tauschen die Fibroblasten untereinander keine Rhythmen aus und jede Uhr geht etwas anders. Wer viele Zellen gleichzeitig betrachtet, sieht nichts. „In nicht synchronisierten Zellen können die Fibroblasten-Uhren nicht nachgewiesen werden, weil das Gesamtsignal der Uhrengene nahezu flach wird“, sagt Schibler.

Die Zell-Uhren in den Petrischalen gehen ungenau, weil ihnen niemand den Takt vorgibt, aber immerhin wie diejenigen ihrer Vorfahren. Das fand Schibler nämlich auch heraus: „Die Rhythmen der Mutterzellen werden während der Zellteilung an die Tochterzellen vererbt.“ Die Uhren in unseren Billionen Körperzellen werden dagegen von der Hauptuhr im Gehirnzentrum SCN synchronisiert, um ihre zeitlichen Aufgaben sinnvoll zu erfüllen. Das geschieht über Umwege: Die Hauptuhr wird von Signalen aus den Augen an den Hell-DunkelWechsel angepasst. Sie kontrolliert den Schlaf-Wach-Rhythmus, was Essens- und Verdauungszeiten bestimmt. „Diese Stoffwechselrhythmen stellen dann die Zeit in den peripheren Geweben ein“, sagt Schibler.

Letztlich schlagen die Uhrengene aller Gewebe einen ähnlichen Takt, den aber jedes Organ in seinen Aktivitätsrhythmus übersetzt. Darm und Nieren sind zum Beispiel nachts kaum aktiv. Ein echter Vorteil, weil wir deshalb nachts nur selten zur Toilette müssen.

Peter Spork

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