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Gesundheit: Bio boomt

Die Studenten strömen in die neuen Lebenswissenschaften/Die alten Fächer kämpfen

Mangelt es Deutschland an naturwissenschaftlichem Nachwuchs? Schon seit längerem klagen die Physiker und Chemiker über zu wenige Studenten in ihren Fächern. Doch unterdessen freuen sich die neuen Lebenswissenschaften wie Biochemie, Biophysik oder Biotechnologie in diesem Semester über einen „regelrechten Boom“, wie Ulrich Heublein, Projektleiter beim Hochschulinformationssystem (HIS) berichtet. Auch die Biologie registriert den Angaben des Statistischen Bundesamtes zufolge, regen Zulauf. „In Biologie und Pharmazie, sind wir mehr als voll“, bestätigt Wolfgang Röcke vom Referat für Immatrikulationsangelegenheiten der Freien Universität Berlin, „im Diplomfach Biologie sind wir sogar fünf Prozent überbucht“.

Zahlreiche Abbrecher

In den klassischen naturwissenschaftlichen Fächern Physik und Chemie hingegen kann von einer Auslastung der deutschen Hochschulen keine Rede sein. Zwar stieg die Zahl der Studierenden nach den letzten drei Jahren jetzt erstmals wieder an. „Es gibt aber bundesweit mehr Kapazitäten als Interessenten“, so Ulrich Heublein. Dazu kommt, dass mancherorts bis zu 50 Prozent der Studierenden der Physik und Chemie ihr Studium abbrechen. Zahlreiche Studienanfänger nutzen die NC-freien Fächer nur als „Park-Studium“, um später „quer“ in ein zulassungsbeschränktes Fach zu wechseln. So stieg die Zahl der Studienanfänger in Chemie an der FU in den zwei vergangenen Wintersemestern bis auf 150, so dass man sich personell überfordert sah. Doch schon im dritten Semester war nur noch die Hälfte der Studenten dabei. Ein beliebtes Ziel dieser Studenten ist das zulassungspflichtige Medizinstudium. Hier stiegen die Bewerberzahlen jetzt bundesweit sogar um 20 Prozent auf 23 651. Besonders schwer haben es angehende Tiermediziner. Bei 4088 Studienanträgen auf 997 Plätze bekomme nur jeder vierte Interessent eine Chance, hieß es bei der ZVS, die die Studienplätze mit Numerus clausus verteilt.

Wer bei der Chemie bleibt, hat laut Karin Schmitz von der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) generell gute Berufschancen. Auch die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) weist darauf hin, dass von 3000 Physik-Absolventen im Jahr 2001 weniger als 140 ohne Job blieben. Dass beide Studiengänge, trotz der guten Aussichten auf dem Arbeitsmarkt, nicht ähnlich großen Zustrom haben, wie die neuen Lebenswissenschaften, kann Heublein vom HIS nur so erklären: „Leute, die sich für ein Physik- oder Chemiestudium entscheiden, tun dies oft weniger aus Arbeitsmarkt-Gründen, sondern weil sie wirklich Interesse am Fach haben.“

Die wieder ansteigende Zahl der Studienanfänger in den klassischen Naturwissenschaften ist nach Ansicht der DPG deshalb auch den Hochschulen selbst zu verdanken. Mit diversen Schnupperkursen und Publikumstagen bemüht man sich dort, dem Nachwuchs Spaß an den Naturwissenschaften zu vermitteln. Auch an den Berliner Universitäten können Schülerinnen und Schüler in verschiedenen Veranstaltungen schon frühzeitig Uni-Luft schnuppern und testen, ob ein naturwissenschaftliches Studium ihren Neigungen entspricht.

Um die in Chemie an vielen Universitäten besonders abschreckenden langen Studienzeiten in den Griff zu bekommen, bietet die Freie Universität in diesem Semester erstmals einen neuen Bachelor-Studiengang Chemie an, der fortan den Diplom-Studiengang ersetzt. Doch lag die Zahl der Studienanfänger im Chemie-Bachelor in diesem Semester nur bei 40 – obwohl es 100 freie Plätze gab. Laut dem geschäftsführenden Direktor des Instituts, Ernst-Walter Knapp, habe das aber nur wenig mit der Zulassungsbeschränkung und gar nichts mit der ungenügenden Attraktivität des Studienganges zu tun. Vielmehr habe eine „Verkettung unglücklicher Umstände“ dazu geführt, dass der neue Bachelor-Studiengang bis kurz vor Semesterbeginn vom Senat noch nicht genehmigt worden war. Ein großer Teil der ursprünglich 70 Studienbewerber sei deswegen wieder abgesprungen und hätte sich lieber an anderen Universitäten eingeschrieben. „Viele Gremien verderben den Brei“, kommentiert Knapp dieses interne Missgeschick trocken.

Der Bachelor kommt

Er ist sich jedoch sicher, dass Schulabgänger, die ein Chemiestudium beginnen wollen, künftig einem Bachelor-Abschluss den Vorzug geben und die Bewerberzahlen bald wieder ansteigen werden. Die Vorteile eines Bachelor-Abschlusses – bessere internationale Vergleichbarkeit, kürzere Studienzeiten, schnellere Spezialisierungsmöglichkeiten – überwiegen in seinen Augen, auch wenn der Bedarf der chemischen Industrie an Bachelor-Absolventen noch weitgehend ungeklärt ist. „Die Möglichkeiten sind da", glaubt Knapp, „wie sie genutzt werden, wird sich zeigen.“

Mehr zum Thema im Internet:

Bachelor-/ Master-Studiengang Chemie an der FU: www.chemie.fu-berlin.de/fb/index.html

Schnupperkurse und Infotage für Schülerinnen und Schüler: www.tu-berlin.de , www.mint-zentrum.fu-berlin.de , www.hu-berlin.de/adlershof/index.html

Franziska Garbe

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