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Gesundheit: Bisphenol: Kunststoff-Chemikalie unter Verdacht

Die Auseinandersetzung mit Substanzen, die unter dem Verdacht stehen, eine schädliche Wirkung auf die Gesundheit von Menschen und Tieren zu haben, ist eine gefährliche Gratwanderung. Die Untersuchungen dauern etliche Jahre, und wer sich vor deren Abschluss äußert, könnte später als unglaubwürdiger Verbreiter von Hysterie oder, andererseits, als unverantwortlicher Beschwichtiger dastehen.

Die Auseinandersetzung mit Substanzen, die unter dem Verdacht stehen, eine schädliche Wirkung auf die Gesundheit von Menschen und Tieren zu haben, ist eine gefährliche Gratwanderung. Die Untersuchungen dauern etliche Jahre, und wer sich vor deren Abschluss äußert, könnte später als unglaubwürdiger Verbreiter von Hysterie oder, andererseits, als unverantwortlicher Beschwichtiger dastehen. Toxikologen und Epidemiologen sind daher auch sehr vorsichtig, wenn es um Bisphenol A geht, um einen Stoff, der sehr stark verdächtigt wird, auf das hormonelle System von Mensch und Tier einzuwirken.

Die Substanz ist ein Grundstoff der Chemie. Jährlich werden davon um die 700 000 Tonnen zu Kunststoffen (Polycarbonate, Epoxyharze) verarbeitet. CDs werden daraus gefertigt, aber auch Verpackungen für Nahrungsmittel - bis hin zu Babyflaschen. Bisphenol A wird eben wegen der großen Produktionsmenge vorrangig untersucht, im Prinzip aber geht es um mehr als 80 000 Chemikalien, von denen vermutet wird, dass sie ebenfalls schädlich sein könnten.

Auf einem Kongress zu diesem Thema, am Wochenende veranstaltet von Umweltbundesamt (UBA) und Freier Universität, kamen jene Wissenschaftler zusammen, die tatsächlich Auswirkungen auf Organismen ermittelt haben, und jene, denen dies nicht gelang. Die Frage dabei: Wie kamen die Ergebnisse zustande, wer hat wie geforscht?

Es sind die wissenschaftlichen Methoden insgesamt, die nun auf dem Prüfstand stehen. So sucht die Toxikologie stets nach einer Dosis, bei der es keinen Effekt mehr gibt - bis zu dieser Konzentration wäre der Stoff unbedenklich. Nun aber hat sich in einigen Labors herausgestellt, dass es bei Bisphenol A durchaus bereits Wirkungen im Mikrogrammbereich gibt - statt, wie bisher vermutet, erst von 50 Milligramm pro Kilo an aufwärts. Das bringt die Fachleute in eine zusätzliche Klemme, denn nun besteht die Gefahr, dass auch andere Stoffe Effekte im Niedrig-Dosis-Bereich zeigen könnten.

Föten im Mutterleib und Kinder wären dann bedenklichen Risiken ausgesetzt, denn hier haben die Hormone für die weitere Entwicklung eine besonders wichtige steuernde Wirkung - Fehler später also meist schlimmere Folgen als beim Erwachsenen.

Andreas Gies, beim Umweltbundesamt für Bewertungsfragen zuständig, muss den Verbraucherschutz im Auge haben: Zwar seien die Untersuchungen noch weit von einem sicheren Stand der Erkenntnis entfernt, doch gebiete das Prinzip der Vorsorge, das Problem anzugehen. Und da Bisphenol A vorrangig über Flüssiges - also über die Nahrung und nicht etwa über die Luft - in den Körper gelange, müsse man darüber nachdenken, es auf unbedenkliche Anwendungsgebiete zu begrenzen.

Herwig Hulpke vertrat beim Pressegespräch den Verband der Chemischen Industrie. Der Bayer-Forscher verteidigte zwar das Bisphenol als sicher, erklärte aber auf Nachfrage, dass man bereits mit dem UBA über die Vermeidung von Einsatzgebieten spreche und die Industrie auch an Ersatzstoffen arbeite.

Gideon Heimann

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