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Gesundheit: Bleiwüsten sind verpönt - Die Kunsthochschulen legen Wert auf Gestaltung

Die Din A4-Kopien sind mit dem Klammeraffen geheftet, kreuz und quer auf die Seite gestellte Artikel bilden Bleiwüsten, in denen die Augen des Lesers verdursten - Studenten verzeihen ihren Kommilitonen solche Produkte, die sich Uni-Zeitung nennen. Kunsthochschul-Studenten können sich Machwerke dieser Art nicht leisten.

Die Din A4-Kopien sind mit dem Klammeraffen geheftet, kreuz und quer auf die Seite gestellte Artikel bilden Bleiwüsten, in denen die Augen des Lesers verdursten - Studenten verzeihen ihren Kommilitonen solche Produkte, die sich Uni-Zeitung nennen. Kunsthochschul-Studenten können sich Machwerke dieser Art nicht leisten. Sie müssen sich mehr einfallen lassen, um ihren eigenen Ansprüchen und denen ihrer Mitstudenten zu genügen. Wäre ja auch unangenehm, wenn der Professor in der Designklasse zum ersten Mal den Namen des Kursteilnehmers hört und an eine lieblos gestaltete Zeitschrift denkt.

Birgitta Wehner (28) und Wiebke Lesch (25) müssen sich da keine Sorgen machen. Sie geben an der Hochschule der Künste die "eigenart" heraus, und ihre Zeitung ist von der Gestaltung her den meisten Berliner Hochschulzeitungen überlegen. "Keine von uns studiert zwar Graphik-Design", sagt Wehner. "Aber eine gute Gestaltung war für uns einfach eine Grundvoraussetzung." Übersichtlichkeit war ihnen wichtig, und so wird die dominierende Farbe Orange jetzt zur Gliederung des Heftes eingesetzt. Die einzige Studentenzeitung der HdK, die drei Mal pro Semester erscheint, hat schon eine kleine Tradition. Anfang der neunziger Jahre kam die erste Ausgabe heraus, und trotz aller Schwierigkeiten, immer wieder Nachwuchs zu finden, überlebte sie bis heute. Die Zeitung wird komplett vom Asta finanziert, und da darf sie natürlich nicht unpolitisch sein. Der erste Bereich jedes Heftes heißt "Hochschulpolitik", danach folgen "interdisziplinär" sowie "Kunst und Kultur". Die Artikel der "eigenart" beschränken sich auf das, was die HdK direkt angeht. Ausstellungen und Aufführungen, die nichts mit der Hochschule zu tun haben, werden nicht besprochen. "Unsere Idee war es, die Kommunikation innerhalb der HdK zu stärken", sagt Lesch: "Zwischen den verschiedenen Studiengängen gibt es extreme Barrieren."

"Weißensee 1" geht alle an

An der Kunsthochschule Weißensee ist die mangelnde Kommunikation der rund 500 Studenten und 40 Dozenten kein so großes Problem. Wenn die Sonne scheint, stehen auf dem Rasen im Innenhof Tische, und zum Mittagessen muss man sich nicht verabreden: Meist sitzen einige Bekannte unter den Bäumen. Deswegen ist "Weißensee 1", die neue Zeitschrift der Hochschule, auch kein Kontaktforum mit Tipps für Studienanfänger. "Wir machen keine Studentenzeitschrift", sagt die Kommunikationsdesign-Studentin Martina Wember. "Weißensee 1" sei vielmehr eine Zeitschrift für alle an der Hochschule Tätigen.

Bis vor kurzem erschien an der Kunsthochschule Weißensee nur der Jahresbericht mit offiziellen Verlautbarungen: Daten, Statistiken, Fakten. Mit dem neuen Heft wollten die Studenten gemeinsam mit ihrem Professor, Stefan Koppelkamm, ein Diskussionsforum schaffen. "Erst haben wir uns über die Inhalte Gedanken gemacht, anschließend über die Form", sagt Silvio Benzler, Student des Kommunikationsdesigns. Das Heft hat ein Leitthema, das sich durch die meisten Artikel zieht: Interdisziplinarität. Angefangen bei dem Vortrag des Leiters der Akademie Schloß Solitude in Stuttgart, "Kann man Interdisziplinarität lehren?", über ein Interview mit den Teilnehmern des Projekts zu den Problemen an der Berliner Allee bis zu der Berliner Projektagentur Triad sind die Themen mit einem roten Faden verbunden. Die Idee für das Titelbild kam Silvio Benzler ganz zum Schluß. Die Zeichnung eines Ruder-Achters spitzte zu, wovon das Heft handelt. Die acht Ruderer stehen für die acht Fachgebiete der Hochschule, die gemeinsam am besten vorwärtskommen.

Gäbe es einen Preis für die am spannendsten gestaltete Berliner Uni-Zeitschrift - "Weißensee 1" hätte ihn verdient. Vom Format (ein wenig quadratischer als Din A4) über die Umschlagfarbe (sattes Blau), der thematischen Beschränkung, der verwendeten Schriften und der Orientierung im Heft sammelt es nur Pluspunkte. Aber Silvio Benzler und Martina Wember befürchten, dass "Weißensee 1" auch das letzte Heft gewesen sein könnte. Sie beide wollen sich jetzt wieder auf ihr Studium und ihre Projekte konzentrieren. Da bleibt keine Zeit, noch einmal eine so ambitionierte Zeitung nahezu alleine zu stemmen. Stefan Koppelkamm möchte die Redaktion auf eine breitere Basis stellen: "Beim ersten Heft waren ja nur Studenten des Kommunikationsdesigns beteiligt. Beim nächsten sollten es Leute aus verschiedenen Disziplinen sein."

Für das Wintersemester ist "Weißensee 2" geplant, in dem ausgewählte Diplomarbeiten vorgestellt werden sollen. Birgitta Wehner und Wiebke Lesch von der HdK übernahmen die "eigenart" zum Wintersemester 1998, und ein Semester lang wollen sie die Arbeit noch weitermachen. Schon jetzt aber beginnt die schwierige Suche nach Nachfolgern. "Gern wollen wir das Redaktionsteam erweitern", sagt Birgitta. "Es gibt auch Leute, die Interesse haben. Aber man muß sie direkt ansprechen und Beiträge persönlich eintreiben."

Lennart Paul

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