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Gesundheit: Blick in die kosmische Kinderstube

Das Weltraumteleskop Hubble macht eine Galaxie sichtbar, die kurz nach dem Urknall entstand

Von Rainer Kayser, dpa

Ein „kosmisches Riesenbaby“ haben amerikanische Astronomen am Rande des sichtbaren Universums aufgespürt. Aufnahmen der beiden Weltraumteleskope Hubble und Spitzer zeigen, dass die rund 13 Milliarden Lichtjahre entfernte Galaxie „HUDF-JD2“ achtmal mehr Sterne enthält als unsere Milchstraße – obwohl sie damals erst wenige hundert Millionen Jahre alt war. Nach den gängigen Theorien der Galaxienentstehung sollte es ein solches Sternsystem gar nicht geben.

„HUDF-JD2 muss rasend schnell gewachsen sein“, sagt Bahram Mobasher vom „Space Telescope Science Institute“ in Baltimore, einer der an den Beobachtungen beteiligten Forscher. „Sie hatte nach dem Urknall nur wenige hundert Millionen Jahre Zeit dazu.“ Hinzu kommt eine weitere Überraschung: „Plötzlich hat dann die Galaxie aufgehört, Sterne zu produzieren.“ Auch dafür haben die Astronomen derzeit keine Erklärung.

Die Forscher haben die Riesengalaxie unter rund 10 000 Sternsystemen im „Hubble Ultra Deep Field“ (HUDF) aufgespürt. Das Licht der Galaxie brauchte 12,8 Milliarden Jahre, um uns zu erreichen. Da das Universum nach heutiger Erkenntnis 13,6 Milliarden Jahre alt ist, wurde es also nur 800 Millionen Jahre nach dem Urknall ausgesandt. Somit sehen die Forscher die Galaxie so, wie sie vor 12,8 Milliarden Jahren, also im erst 800 Millionen Jahre alten Kosmos, ausgesehen hat. Zum Vergleich: Unsere Milchstraße ist etwa zehn Milliarden Jahre alt.

Bisher nahm man an, in dieser kosmischen Frühzeit habe es nur kleinere Sternsysteme gegeben, die dann durch Kollisionen und Verschmelzungen zu größeren Galaxien wurden. Deshalb waren die Astronomen zunächst auch bei HUDFJD2 davon ausgegangen, dass es sich um eine kleine, junge Galaxie handele.

Doch bei den nachfolgenden Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop „Spitzer“ im infraroten Spektralbereich erwies sich die vermeintliche Zwerggalaxie als Riese: Sie strahlt im Infraroten um ein Vielfaches heller als erwartet. Spitzer zeigt insbesondere das Licht älterer, roter Sterne, die offenbar den Löwenanteil der Masse von HUDF-JD2 ausmachen. Dies ist eine weitere Überraschung – die Galaxie ist bereits deutlich entwickelt.

Noch vor wenigen Jahren gingen die Astronomen davon aus, dass sich die ersten Galaxien erst rund eine Milliarde Jahre nach dem Urknall gebildet hätten. Inzwischen müssen sie diesen Schritt kosmischer Entwicklung weiter zurückdatieren. So entdeckte der Satellit WMAP vor zwei Jahren Schwankungen in der kosmischen Hintergrundstrahlung – einer Art Echo des Urknalls – die für eine Entstehung erster Sterne schon 200 Millionen Jahre nach dem Urknall sprechen.

Und erst vor wenigen Wochen meldete ein internationales Forscherteam, dass es im frühen Universum erheblich mehr Galaxien gab als angenommen. Die Astronomen hatten in einem Himmelsausschnitt insgesamt 8000 Galaxien untersucht. Darunter fanden sie 970 Galaxien mit einer Entfernung zwischen neun und zwölf Milliarden Lichtjahren. „Die Anzahl der Galaxien in diesem Bereich ist um das 1,6- bis 6,2fache größer als vermutet“, erklärten die Forscher um Olivier Le Fèvre vom Laboratoire d’Astrophysique de Marseille. Auch diese Galaxien müssen innerhalb weniger hundert Millionen Jahre entstanden sein.

Die Identifikation solcher extrem weit entfernter Galaxien ist nicht einfach. Denn je größer die Entfernung, desto größer ist die Rotverschiebung des Galaxienlichts durch die Expansion des Alls. Bedingt durch die lange Laufzeit sehen wir ferne Galaxien so, wie sie vor Jahrmilliarden aussahen: als junge Sternsysteme mit vielen neu geborenen, hellen Sternen. Doch das Licht dieser Sterne wird durch die Expansion in den roten Bereich verschoben, die ganze Galaxie erscheint dadurch rötlich.

Aber auch in unserer kosmischen Nachbarschaft gibt es alte, rote Galaxien, mit denen die fernen, jungen Systeme verwechselt werden können. Le Fèvre und seine Kollegen haben einen speziellen Spektrografen am Very Large Telescopes (VLT) der Europäischen Südsternwarte ESO in Chile benutzt, um die Rotverschiebungen und damit die Entfernungen der Galaxien genau zu bestimmen.

HUDF-JD2 ist aber noch viel lichtschwächer als die von Le Fèvre beobachteten Galaxien. Um die Entfernung der Galaxie abschätzen zu können, mussten Messungen der verschiedenen Weltraumteleskope kombiniert werden. Aus den Helligkeitsverhältnissen bei verschiedenen Wellenlängen können die Astronomen – wenn auch weniger genau – die Entfernung ableiten.

Eine exakte Entfernungsbestimmung für HUDF-JD2 wird erst mit dem geplanten, noch größeren James Webb Space Telescope möglich sein. Es soll frühestens 2013 im All stationiert werden und einen Spiegeldurchmesser von 6,5 Metern besitzen. Der Spiegel von Hubble durchmisst lediglich 2,4 Meter. Mit dem Webb-Teleskop hoffen die Astronomen endlich bis in die allererste Phase der Galaxienentstehung vordringen zu können.

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