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Gesundheit: Bluetooth: Noch nicht den richtigen Biss

Teure Illusion: Die anfängliche Euphorie über die neue Mobilfunktechnik UMTS war der Deutschen Telekom und Vodafone immerhin knapp 100 Milliarden Mark wert, bis sie aus den Versteigerungen der europäischen Lizenzen ausstiegen. Bluetooth, die neue Technik zur Übertragung von Daten über kurze Funkstrecken, wird mindestens ebenso euphorisch wie UMTS gelobt.

Teure Illusion: Die anfängliche Euphorie über die neue Mobilfunktechnik UMTS war der Deutschen Telekom und Vodafone immerhin knapp 100 Milliarden Mark wert, bis sie aus den Versteigerungen der europäischen Lizenzen ausstiegen. Bluetooth, die neue Technik zur Übertragung von Daten über kurze Funkstrecken, wird mindestens ebenso euphorisch wie UMTS gelobt. Mit Bluetooth, so tönten die Hersteller schon zur CeBIT 2000, lassen sich Daten ohne Kabel blitzschnell übertragen. Eine Digitalkamera mit Bluetooth-Adapter könnte ihre Aufnahmen ohne Umweg über einen Computer direkt auf den Drucker schicken, selbst durch Türen und Wände hindurch. Auch ein Scanner könnte auf den PC verzichten und druckt direkt, quasi als Kopierer. Doch die angekündigte Revolution zog sich hin. Mit einem Jahr Verspätung kommen erst jetzt die ersten Geräte in die Regale: Der Handy-Hersteller Nokia bringt das "Connectivity Pack", mit dem sich sein Modell "Nokia 6210" schnurlos an einen Laptop anschließen lässt, auf maximal zehn Meter Entfernung. Mit Übertragungsraten von bis zu 43,2 Kilobit pro Sekunde kann der Technikfreak im Internet surfen, Faxe versenden oder Daten laden. Und gelangweilt auf die Platte seines Schreibtischs trommeln, denn diese Übertragungsrate liegt weit unter der Leistungsfähigkeit eines Standardmodems. Ericsson kündigt ein Headset auf Bluetooth-Basis als Freisprechanlage an. Die Computerfirma 3Com präsentierte eine "PC Card", die wie eine Netzwerkkarte in den Rechner eingebaut wird. Sie kann Bluetooth-Funksignale senden und empfangen. Auch für den USB-Anschluss, den die meisten neuen Heimcomputer serienmäßig mitbringen, bietet 3Com einen entsprechenden Adapter. Beide Adapter zusammen können zwei Rechner mittels Bluetooth verbinden. Die lästige Verkabelung und komplizierte Konfiguration der Betriebssysteme entfällt. Der Preis für die Steckkarten liegt zwischen 220 und 260 Mark. Wohlgemerkt: jede.

Hinter Bluetooth verbirgt sich eine Technik, die Computerdaten, elektronische Bilder und digitalisierte Sprache theoretisch mit einem Megabit pro Sekunde über kurze Funkstrecken schickt, 26-mal schneller als durch einen ISDN-Kabelanschluss. Bis zu acht Geräte kann ein Bluetooth-System derzeit sicher erkennen und vernetzen, allerdings teilt sich dann auch die Übertragungsrate auf acht Kanäle auf. Die Funkfrequenz liegt bei 2,4 Gigahertz. Deshalb kämpft Bluetooth bei Distanzen über zehn Metern noch mit Störungen durch Handies, die auf derselben Frequenz senden. Auch die drahtlose Übertragungstechnik nach dem 802.11b-Standard, die bis zu 100 Meter überbrücken kann, sendet auf 2,4 Gigahertz. Dieses Gerangel könnte die Leistungsfähigkeit von Bluetooth nochmals um ein Drittel drücken.

Siemens stellte einen Adapter vor, der innerhalb von Gebäuden gar auf 100 Meter alle Bluetooth-Geräte einbinden kann. Er erkennt alle Handies, Notebooks, Taschencomputer, PC, Scanner, Drucker oder Digitalkameras in seiner Umgebung automatisch und bindet sie in ein flexibles Netz ein. Vorausgesetzt, auch diese Geräte besitzen einen Bluetooth-Anschluss. Zwar haben 3Com, Ericsson, Intel, IBM, Lucent, Microsoft, Motorola, Nokia und Toshiba mittlerweile einen gemeinsamen Standard für Bluetooth entwickelt. Doch noch immer hat das Datenmodell eines Nokia-Handys mit Windows im Laptop ungefähr so viel gemein wie Russisch und Alt-Chinesisch. Und was nutzt ein Bluetooth-gängiger Laptop, wenn der Drucker keine drahtlose Schnittstelle bietet?

Deshalb versuchen zurzeit alle Hersteller, ihre eigenen Systeme als Quasistandards durchzusetzen. Tandem-Verkauf heißt das Zauberwort, bei dem das Headset gleich mit zugehörigem Mobiltelefon angeboten wird. Diese Schlacht ist in vollem Gange. Der renommierte "Economist" warnte deshalb bereits Ende 2000 vor einer "Balkanisierung des Bluetooth-Standards durch urheberrechtlich geschützte Erweiterungen." Eine Einigung auf einen gemeinsamen Nenner im Sinne der millionenfachen Nutzergemeinde ist bislang nicht in Sicht.

Aber noch ein weiteres Nadelöhr bereitet den Technikern Kopfzerbrechen: Die flexiblen Kleinstnetze, die Bluetooth blitzschnell knüpft, müssen jederzeit Zugriff auf die großen Datenautobahnen haben. Bisherige Datennetze für Mobilfunk oder Internet sind auf diesen Ansturm überhaupt nicht vorbereitet. Sie transportieren die Datenpakete hintereinander, der Zugang zum Netz wird zu Beginn der Datenübertragung geöffnet und am Ende wieder gekappt. In Europa, vielen Ländern Asiens und anderen Regionen der Welt dominiert noch immer der GSM-Standard (Global System for Mobile Communications). Diese digitale Mobilfunktechnik im Bereich von 900 MHz (D-Netze) und 1800 MHz (E-Netze) überträgt 9,6 Kilobit pro Sekunde, maximal 14,4 Kilobit pro Sekunde. Da sind stundenlange Staus programmiert. Bluetooth erfordert eine viel schnellere, parallele Übertragung von Datenpaketen. Dazu muss das bestehende Mobilfunknetz zuerst auf GPRS (General Packet Radio Service) und später auf UMTS umgerüstet werden. Das ist innerhalb weniger Monate nicht in Sicht. Und es wird weitere 100 Milliarden kosten.

Hoffnung für die breite Anwendung von Bluetooth kommt, wie berichtet, aus einer anderen Ecke: Der Münchener Automobilhersteller BMW erklärte, Bluetooth als neuen Standard für die Bordelektronik einzusetzen. Darüber können die elektronische Fahrzeugsteuerung, CD-Player, Video-Schirme für die Kids, Bordtelefon, digitale Navigation und blitzschnelle Überwachungssensoren für die Umwelt leicht an den Bordrechner angeschlossen werden. Neue Baugruppen können durch Plug-and-Play-Cards eingebunden werden - eben ohne manuelle Verkabelung. Deshalb bietet sich Bluetooth als flexibles Netzwerk auf Funkbasis an, zumal die Wege innerhalb eines Fahrzeuges relativ kurz sind und sich nach außen gut abschirmen lassen.

Heiko Schwarzburger

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