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Brandverletzungen bei Kindern: Mit Feuer spielt man nie

Wenn sich Kinder ihre Haut verbrennen, ist das sehr viel gefährlicher als bei Erwachsenen. Bundesweit sind 16 Zentren auf die Behandlung spezialisiert, eines davon an der Berliner Charité. Eltern können aber viel zur Vorbeugung tun.

Wir wissen nicht, wie alt das Mädchen war. Sicher ist: „Paulinchen war allein zu Haus, die Eltern waren beide aus“. Beim verbotenen Spiel mit dem Feuerzeug verbrennt das Kind mit Haut und Haar. „Ein Häuflein Asche bleibt allein, und beide Schuh’, so hübsch und fein.“

Die Geschichte von Paulinchen ist eine Episode des Kinderbuch-Klassikers „Der Struwwelpeter“ und wegen ihres tödlichen Ausgangs besonders drastisch. Seit sie der Frankfurter Arzt Heinrich Hoffmann Mitte des 19. Jahrhunderts für seinen ältesten Sohn verfasst hat, warnt sie immer neue Generationen von Heranwachsenden vor den Gefahren des Spiels mit dem Feuer. Doch die Warnung ist wichtig – und sie richtet sich nicht zuletzt, anders als im Kinderbuch, an die Eltern. Denn die Mehrzahl der kindlichen Brandopfer ist noch im Kleinkind- oder Vorschulalter und muss den Umgang mit dem Feuer erst behutsam und unter Aufsicht von Erwachsenen lernen.

Jedes Jahr behandeln Ärzte in Deutschland über 30 000 Kinder, die sich Verbrennungen zugezogen haben. Davon sind rund 6000 so schwer verletzt, dass sie in einem Krankenhaus aufgenommen werden müssen. Vor allem bei den jüngeren Kindern ist der Unfall meist passiert, während die Eltern direkt daneben standen oder sogar, als sie das Kind auf dem Arm hatten. Hauptursache der Verbrennungen sind Verbrühungen in Küche oder Bad.

Die Haut von Kindern ist dünner, Verletzungen gehen viel tiefer

„Die Tragik liegt im Detail“, sagt Karin Rothe, Direktorin der Klinik für Kinderchirurgie der Charité am Virchow-Klinikum. „Oft hatte ein Erwachsener die Cappuccinotasse in der einen Hand, das Baby auf dem anderen Arm.“ Auch umkippende Wasserkocher spielen eine Hauptrolle in dem Drama mit dem unheilvollen Titel „Brandverletzungen bei Kindern“. Für die Eltern oder andere Betreuungspersonen sind die Schuldgefühle nach einem vermeidbaren Unglück belastend. Auf einen Schlag kann sich das ganze Leben einer Familie verändern. Denn Brandverletzungen haben bei Kindern gefährlichere Folgen als bei Erwachsenen. „Es kann sie schon in Lebensgefahr bringen, wenn etwa zehn Prozent der Körperoberfläche verbrannt sind“, sagt Rothes Kollege Joachim Suß, Chefarzt am Hamburger Wilhelmsstift. Und bei einem Kleinkind erfassen die Flammen schnell einen solchen Anteil der Körperoberfläche. Weil die Haut der Kinder dünner ist, gehen die Verletzungen zudem schnell tiefer. Fehlt die schützende Hautschicht, verlieren Kinder massiv Flüssigkeit, der Stoffwechsel kann aus dem Gleis geraten, durch Verdunstung geht Wärme verloren.

Die Narben, die sich an den verletzten Stellen bilden, verursachen bei Heranwachsenden Probleme – und zwar nicht nur optisch. Im Unterschied zur elastischen gesunden Haut wachsen sie nicht mit. Bei Kindern, deren Zellen deutlich aktiver sind, bildet sich zudem im Zuge der Wundheilung mehr überflüssiges Bindegewebe, so dass die Narben wuchern. Großflächige Kompressionsanzüge, die an Skiunterwäsche erinnern, sollen das verhindern. Doch jeder kann sich das Konfliktpotenzial vorstellen, das in Familien entsteht, wenn Kinder sie jahrelang tragen müssen. Die Narben können nicht nur zu Schmerzen, sondern auch zu Bewegungsstörungen und Behinderungen des Wachstums führen, etwa, wenn sie sich über Gelenke ziehen. „Das sind Probleme, die im Lauf der Jahre angegangen werden müssen“, sagt die Kinderchirurgin Verena Ellerkamp vom Uniklinikum Tübingen. Oft ist das ein langer Leidensweg mit kleinen und großen chirurgischen Eingriffen.

Kinder mit schweren Verletzungen sind am besten in einem der 16 Zentren aufgehoben, die sich wie die Charité auf schwer brandverletzte Kinder spezialisiert haben. Als Ansprechpartner für die betroffenen Familien hilfreich ist der Verein „Paulinchen“, der die Expertise zu thermischen Verletzungen bei Kindern bündelt und in Präventionskampagnen vor den Gefahren warnt.

Das erste Zentrum für brandverletzte Kinder entstand vor 35 Jahren am Universitätsspital Zürich. Von der dortigen Forschung kommen auch heute wichtige Impulse, etwa für den Ersatz verbrannter Kinderhaut. „Man möchte ja oft einfach Haut aus dem Regal nehmen können“, sagt Clemens Schiestl, Leiter des Zentrums. Denn mit körpereigener Haut allein können größere Defekte nicht auf Dauer gedeckt werden. Doch die Forschung an gezüchteter „Laborhaut“ war in den letzten Jahrzehnten frustrierend, wie Schiestl berichtet. Vor einiger Zeit wurde in Zürich jedoch ein Hautersatz aus Zellen der Ober- und Unterhaut auf einer Trägersubstanz gezüchtet, der sich im Tierversuch als stabil erwies. Nun möchten die Züricher Forscher bald die ersten Phase-I-Studien mit Menschen beginnen, danach sind weitere klinische Studien in Zusammenarbeit mit Kollegen aus der Charité und aus Amsterdam geplant.

Zum Glück nehmen nur die wenigsten Verbrennungs-Unfälle einen so schweren Verlauf, dass ein Transplantat gebraucht wird. Leichte Verbrennungen, bei denen sich die Haut rötet und sich allenfalls Blasen bilden, heilen, so schmerzhaft sie akut auch sein mögen, meist ohne sichtbare Folgen ab. Als erste Hilfe empfehlen die Kinderchirurgen, die Stelle mit lauwarmem Wasser zu kühlen – nicht mit Eis, damit nicht auch noch mangelnde Durchblutung zu Schädigungen der Haut führt. Statt „Hausrezepte“ wie Quark, geriebene Kartoffel oder Zahnpasta auf die Wunde zu streichen, sollte man sie lieber trocken und sauber verbinden und das Kind warm einpacken, damit es nicht auskühlt. Jammert es vor Schmerzen, dann kann auch ein Schmerzzäpfchen gute Dienste tun.

Weitere Informationen und Hilfe unter www.paulinchen.de

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