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Gesundheit: Brücke zur Welt

Von Adelheid Müller-Lissner Der Jogger, der die öffentlich zugängliche Parkanlage hinter der Parkklinik Weißensee durchquert, hält sich nicht lange darin auf. Doch vielleicht sieht er trotz seines sportlichen Tempos den Patienten der neurologischen Abteilung, der mit einem Angehörigen dort steht.

Von Adelheid Müller-Lissner

Der Jogger, der die öffentlich zugängliche Parkanlage hinter der Parkklinik Weißensee durchquert, hält sich nicht lange darin auf. Doch vielleicht sieht er trotz seines sportlichen Tempos den Patienten der neurologischen Abteilung, der mit einem Angehörigen dort steht. Nach einem Schlaganfall muss er mühsam die Fähigkeit des Gehens zurückerlangen. Er hat Zeit für den „Therapieweg“, wo ein Geländer ihm Halt bietet. Dieser Weg ist zugleich ein Ziel: Als Kunstwerk wurde er von dem Landschaftsarchitekten Wulf Harms entworfen. Unter den Füßen der Gehenden werden unterschiedliche Bodenbeläge spürbar, Sand, Rindenmulch, Flusskies oder ein Palisadenpflaster.

Der „Therapieweg“ ist eine der Installationen im „Park der Sinne“, der mit Hilfe zahlreicher Sponsoren auf dem Gelände des 1997 eröffneten Krankenhauses im einstmals als „Gartenstadt“ konzipierten Weißensee entstand. Er ist das Ergebnis eines Teamworks von Meisterschülern der nahe gelegenen Kunsthochschule, Landschaftsarchitekten und Medizinern. Zu den Installationen gehört auch das kleine „Heckentheater“, das am morgigen Sonnabend mit zwei Aufführungen eingeweiht wird.

Es wird noch seine Zeit brauchen, bis die Hecken ihrer Aufgabe gerecht werden, die Darsteller vor ihren Auftritten vor den Blicken der Zuschauer zu schützen. Doch Tempo und Perfektionismus sind nach Ansicht von Ekkehard Vaubel, einem der Initiatoren des ungewöhnlichen Parks, ohnehin problematische Elemente des modernen Lebensstils: Unter ihnen haben die Sinne der Gesunden, viel mehr aber noch die von Behinderten zu leiden.

Als ehemaliger Chefarzt der Plastischen und Wiederherstellungs-Chirurgie im Zehlendorfer Behring-Krankenhaus hat Vaubel erlebt, dass Behinderte in unserer Gesellschaft vielfach ein Leben als Randexistenzen führen. „Dass sie differenzierte Fähigkeiten entwickeln können, ist kaum bekannt und wird schon gar nicht gefördert.“

Genau das geschieht aber in der Theatergruppe RambaZamba der Sonnenuhr e.V., in der Theaterprofis seit 1990 mit geistig Behinderten zusammen zahlreiche Projekte auf die Bühne brachten. Auf der Heckenbühne werden die Darsteller, die zum Teil schon als Kinder dabei waren, morgen Szenen aus der „Weiberrevue“ präsentieren, einem Traum aus Kostümen und Musik in der Inszenierung von Gisela Höhne.

RambaZamba entstand aus einer Erfahrung heraus, die auch Vaubel in der Arbeit mit Behinderten machte: „Den Kindern mit Down-Syndrom und geistiger Behinderung wird leider oft gerade das abverlangt, was sie nicht können“, sagt die musikalische Leiterin Bianca Tänzer.

Im Ensemble sind einige Mitglieder mit Trisomie 21. Über den Umgang mit von Geburt an bestehenden Behinderungen wurde in den letzten Jahren viel diskutiert: Mit den modernen Methoden der Pränataldiagnostik können sie immer früher und sicherer erkannt werden, und das führt oft zur Entscheidung für eine Abtreibung. Der Chirurg Vaubel hatte es in seiner beruflichen Karriere dagegen oft mit Schwerverletzten zu tun. Behinderungen durch schwere Unfälle und nach Krankheiten, die früher nicht behandelt werden konnten, nahmen in den letzten Jahren ständig zu. Nicht zuletzt wegen dieser bedeutsamen Verschiebung liegt Vaubel und RambaZamba viel an der Zusammenarbeit.

Es ist zwar Zufall, dass das Sommerfest im Park der Sinne am „Europäischen Tag des Kindes“ stattfinden wird, doch Bianca Tänzer findet, das passe auch für manche erwachsenen Rekonvaleszenten aus der Klinik: „Sie sind wie Kinder sehr ungeschützt und verletzlich. Und sie erleben schließlich eine Art Wiedergeburt.“

„Unsere Sinne sind unsere Brücke zur Welt“, sagt Wilhelm Rimpau, Neurologe an der Parkklinik. Für den Gehörsinn werden beim Fest die Klangsteine von Schlagzeuger Hermann Pigeon aus Martinique in Schwingung versetzt werden. Wie ein alter Klostergarten hat der Park der Sinne auch ein Heilkräuterbeet, in dem unter anderem der herzstärkende und giftige Fingerhut wächst. Ein Heckenlabyrinth führt den Besucher an anderer Stelle zu einem überraschenden Ziel. „Das ist kein Irrgarten, der auf Abwege führt und für unsere moderne Orientierungslosigkeit steht“, versichert Vaubel.

Begegnungen im Park der Sinne, Parkklinik Weißensee, Schönstr. 80, Sonnabend von 11 bis 15 Uhr

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