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Gesundheit: Buckyballs sind Weltmeister

Von Paul Janositz Schon immer waren sie für Rekorde gut, die Fußbälle. Die Rede ist allerdings nicht von den luftgefüllten Bällen, denen in Japan und Südkorea 32 Nationalmannschaften hinterherlaufen.

Von Paul Janositz

Schon immer waren sie für Rekorde gut, die Fußbälle. Die Rede ist allerdings nicht von den luftgefüllten Bällen, denen in Japan und Südkorea 32 Nationalmannschaften hinterherlaufen. Die Moleküle, die die Herzen der Wissenschaftler höher schlagen lassen, sind aus Kohlenstoff. Sie sehen kunstvoll aus, bestehen aus Fünf- und Sechsecken, innen sind sie hohl. Ihre Form erinnert an einen Fußball.

Bei der Entdeckung im Jahre 1985 erhielten sie die Bezeichnung „Fullerene“, weil die käfigartige Gestalt des aus 60 Kohlenstoff-Atomen bestehenden Moleküls an die Kuppelbauten des amerikanischen Architekten Richard Buckminster Fuller erinnerte. Fußballfreundliche Wissenschaftler nennen die Moleküle wegen der Fußballähnlichkeit auch „Bucky-Balls".

Seitdem die Fußballmoleküle als Bauelemente winziger Nanoröhren (Durchmesser von millionstel Millimeter) entdeckt wurden, sind sie im Labor immer wieder für Überraschungen gut. Die Eigenschaften der Kohlenstoffkugeln liegen zwischen Diamant und Graphit und können durch den Einbau von Fremdatomen variiert werden.

Vielseitige Hoffnungsträger

Die Fullerene und ihre Verbindungen erweisen sich als thermisch stabil, glänzen als Halbleiter und können auch supraleitend werden. Die Fußballmoleküle sind einerseits sehr elastisch, andererseits werden sie hart wie Diamant, wenn sie auf rund 70 Prozent ihres Volumens komprimiert werden. Diese Vielseitigkeit machte sie zum Hoffnungsträger für neue Verfahren und Werkstoffe.

Die Bauelemente im Nanomaßstab dürften auch den Computerbauern aus der Klemme helfen, wenn in etwa zehn Jahren die gebräuchlichen Siliziumchips an die technischen Grenzen gelangt sein werden. Die Speicherkapazität kann dann nicht weiter wachsen, weil die Leiterbahnen zu dicht aneinander rücken. Bei nur 40 bis 50 Nanometern Breite beginnen Quanteneffekte zu stören. Dann können Elektronen durch die Trennschichten tunneln und die Leiterbahnen kurzschließen. Die Hoffnungen ruhen auf Nano-Chips aus Kohlenstoff, die 50 000 Mal dünner sind als ein menschliches Haar.

Mit den Fußbällen ist auch der Traum von extrem schnellen Computern näher gerückt, die zum Betrieb Supraleiter benötigen. Bisher verwendete Materialien wie Kupfer-Keramikmischungen mussten bis fast an den absoluten Nullpunkt von minus 273 Grad gekühlt werden. Ein Team um den Konstanzer Physiker Jan Hendrik Schön hat Kristalle aus Buckyballs gebaut, die bereits bei minus 156 Grad den elektrischen Widerstand aufgeben. Schön, letztjähriger Träger des Otto-Klung-Weberbank-Preises, der inzwischen bei den Bell Laboratorien im amerikanischen New Jersey arbeitet, erreichte den Temperatursprung mit einem Trick. Er baute die organischen Moleküle Chloroform und Bromoform in das Kristallgitter ein.

Den jüngsten Erfolg meldeten kürzlich IBM-Forscher, die die bisher leistungsfähigsten Transistoren aus winzigen Kohlenstoff-Röhrchen gebaut haben. Die neuartigen Bausteine schlagen Prototypen herkömmlicher Silizium-Transistoren im direkten Vergleich deutlich, heißt es im US-Fachjournal „Applied Physics Letters“ (Band 80). Die IBM-Forscher konstruierten die Kohlenstoff-Transistoren nach dem Muster herkömmlicher Silizium-Schaltelemente und verglichen die Eigenschaften. Bei einem bestimmten Maß der Stromleitfähigkeit konnten sie mit den Nanoröhrchen deutlich bessere Werte erzielen als mit den Prototypen neuer Silizium-Transistoren.

Die Fußbälle aus Kohlenstoff liebt auch Andreas Hirsch vom Institut für Organische Chemie der Universität Erlangen. Als Gastwissenschaftler an der Universität von Kalifornien in Santa Barbara experimentierte der Chemiker bereits Anfang der 90er Jahre mit Fullerenen. Die Leidenschaft für die „runde Chemie“ hat ihn seitdem nicht mehr losgelassen. In Erlangen, wo Hirsch seit über sechs Jahren forscht, arbeitet er mit seinem Team weiter auf diesem Gebiet.

Es geht darum, Fremdatome oder kleine Moleküle innerhalb der Kugelfläche zu platzieren. Dazu werden nach Maß gefertigte Fullerene mit molekularen „Löchern“ hergestellt, die nach geglückter Einführung wieder geschlossen werden sollen.

Durch Ankopplung von Fettsäureketten unterschiedlicher Länge an den Buckyball basteln die Forscher zudem Fett ähnliche Körper, deren Einfluss auf natürliche und künstliche Membranen untersucht werden soll. Mit mehreren Verzweigungsstellen entstehen verästelte Baumstrukturen. In den Hohlräumen zwischen den einzelnen Ästen lassen sich Biomoleküle einlagern. Damit simuliert man Wirkstoff-Rezeptor-Wechselwirkungen in der Arzneiforschung.

Derartige Experimente sind nur möglich, wenn genügend Bucky-Bälle zur Verfügung stehen. Die drei Entdecker hatten 1985 nur winzige Mengen erhalten, die gerade mal für ein paar Struktur-Untersuchungen reichten. Der Mangel hatte 1990 ein Ende, als es Wolfgang Krätschmer vom Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg gelang, Buckyballs in größeren Mengen herzustellen.

Die Forscher verdampften Graphit im elektrischen Lichtbogen unter einer Heliumatmosphäre und wuschen aus dem Ruß bis zu 15 Prozent Fullerene aus. Die Erfindung dieses einfachen Verfahrens bedeutete den Durchbruch für die Chemie der Fullerene. Diese wissenschaftliche Leistung - so meinen nicht wenige Experten - hätte eine Würdigung bei der Vergabe des Nobelpreises im Jahre 1996 verdient gehabt.

Größere Mengen sind inzwischen verfügbar, die zunächst exorbitant hohen Preise von mehr als tausend Dollar pro Gramm sanken auf etwa zehn Dollar. Bei akzeptablen Preisen ist auch an den Einsatz als Katalysatoren zu denken. Mit Palladium oder Ruthenium dotiert, erzielen die gefüllten Fußbälle beim Anlagern von Wasserstoff an organische Verbindungen (Hydrieren) bessere Ergebnisse als herkömmliche Katalysatoren.

Verwandlung in Diamanten

Buckyballs können auch als Fotokatalysatoren bei der Erzeugung von energetisch angereichertem und reaktionsfreudigem, so genanntem Singulett-Sauerstoff dienen, der bei Hochleistungslasern und in der Krebstherapie eingesetzt wird.

Sogar in Diamanten wollte Florian Banhart vom Stuttgarter Max-Planck-Institut für Metallforschung bestimmte, zwiebelförmig gebaute Fullerene verwandeln. Der Physiker, der heute Dozent an der Universität Ulm ist, bestrahlte die ineinandergeschachtelten Kugelschalen bei 900 Grad Celsius mit Elektronen und schlug einzelne Kohlenstoffatome heraus, die zu Diamantkeimen und schließlich zu ausgewachsenen Kristallen wurden. Die Diamanten waren mit maximal einem Zehntel Mikrometer jedoch zu klein für eine praktische Anwendung.

Am interessantesten scheinen jedoch die „Nanoröhrchen“. Die Hohlzylinder sind durch eine gekrümmte Haube abgeschlossen, die aus einem halbierten Fulleren besteht. Michael Mehring, Direktor des Physikalischen Institut der Universität Stuttgart, sieht in ihnen „Drähte für die molekulare Elektronik“. Erforscht wird auch die Anwendung für Flachbildschirme. Ob bereits die nächste Fußballweltmeisterschaft darauf zu sehen sein wird?

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