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Gesundheit: Das Beste aus zwei Welten

Ehrlich-Preis: Chemische Reaktionen geschickt beschleunigt

Präzision im Doppelpack: So könnte man die Eiweißmoleküle beschreiben, die Richard A. Lerner und Peter G. Schultz vom Scripps-Institut in La Jolla, Kalifornien, neu geschaffen haben. Es handelt sich um katalytische Antikörper. Diese vereinigen die Vielfalt von Millionen verschiedener Antikörper, die das Immunsystem des Menschen bilden kann, mit der Fähigkeit von Enzymen, ihre Bindungspartner zu verändern und in biologisch aktive Stoffe zu überführen. Das können natürliche Antikörper nicht. Für diesen Geniestreich, der die Forschung in Medizin und organischer Chemie in den vergangenen zwanzig Jahren beflügelt hat, erhalten Lerner und Schultz heute in der Frankfurter Paulskirche den Paul-Ehrlich-Ludwig-Darmstaedter-Preis.

Ohne Enzyme könnten Organismen nicht überleben, denn die Reaktionen in der Zelle würden viel zu viel Zeit brauchen. Enzyme sind die Antreiber. Sie beschleunigen (katalysieren) Reaktionen, mit denen sich Energie gewinnen lässt oder Stoffe in der Zelle auf- und abgebaut werden. Auch Forscher in der organischen Chemie suchen oft nach Beschleunigern, denn viele wichtige chemische Reaktionen laufen langsam ab.

Antikörper mit ihren Millionen von unterschiedlichen Bindungspartnern wie Enzyme zu benutzen – das war das Ziel, das Lerner und Schultz Mitte der 80er Jahre erstmals erreicht haben. Die Idee stammt allerdings nicht von ihnen, sondern von dem Biochemiker Bill Jencks. Der Trick: Es werden Antikörper erzeugt gegen Substanzen, die den Bindungspartnern von Enzymen in einer Übergangsphase der Reaktion ähneln. Denn Enzyme sind eigentlich eine Art Geburtshelfer: Sie stabilisieren den räumlichen Zustand eines Moleküls, der zwischen Ausgangs- und Endprodukt liegt, den Übergangszustand. Auf diese Weise helfen sie ihm, sich in seine biologisch aktive Form umzuwandeln.

Katalytische Antikörper sind gegen solche Übergangszustände von Substanzen gerichtet – ob es sich um biologische Abläufe oder solche in der chemischen Industrie handelt. So lassen sich etwa Reaktionen beschleunigen, die aus lang gestreckten Kohlenwasserstoffen Ringverbindungen machen. Auch die gezielte Bildung von Substanzen einer bestimmten räumlichen Anordnung, wenn zwei – Bild und Spiegelbild – aus einer Reaktion hervorgehen könnten, lässt sich mit katalytischen Antikörpern bewerkstelligen.

Sie werden aber auch in der Medizin erprobt, zum Beispiel als Schutz vor dem Rückfall nach einem Kokainentzug. Antikörper gegen Kokain zerstören die Droge enzymatisch, und zwar noch bevor sie im Gehirn einen euphorischen Zustand erzeugen kann. Auch gegen andere suchtbildende Drogen sind solche Antikörper erzeugt worden, etwa gegen die Nikotinabhängigkeit.

Nicola Siegm, -Schultze

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