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Gesundheit: Das Klischee vom "faulen Lehrer" ist falsch

Lehrer sind nicht faul. Zu diesem Schluss kommt eine Experten-Kommission in Hamburg.

Lehrer sind nicht faul. Zu diesem Schluss kommt eine Experten-Kommission in Hamburg. Demnach arbeiten Lehrer über das gesamte Jahr 180 Stunden mehr als andere Beamte im öffentlichen Dienst. Die Kommission war von Schulsenatorin Rosemarie Raab beauftragt worden, die durchschnittliche Arbeitszeit der Lehrer herauszufinden. Unter dem Vorsitz von Klaus Klemm, Professor an der Universität Essen, schätzten Vertreter Hamburger Schulen und der Schulbehörde die Zeit, die Lehrer mit der Vor- und Nachbereitung von Unterrichtsstunden, Klassenarbeiten und Eltern- und Schülergesprächen zubringen.

Von zuviel Freizeit kann nicht die Rede sein. Über dieses Resultat freuen sich die Lehrer, die jetzt noch in den Ferien weilen und sich eigentlich beruhigt auf der Sonnenliege noch einmal umdrehen könnten. Das tun aber nicht alle. Der erste Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbandes Hamburg (DLHH) Arno Becker kämpft von seinem Urlaubsort aus um "mehr Arbeitszeit-Gerechtigkeit". "Lehrer bringen Sonderopfer", so Becker. Ihre zusätzliche Arbeit sei für viele nicht sichtbar. Deswegen bewertet er den Bericht der Kommission zunächst einmal als positiv, weil dadurch die "Überstunden" der Lehrer der Öffentlichkeit erklärt werden. Das alte Klischee vom "faulen Lehrer" werde so aus dem Weg geräumt.

Doch damit will sich Becker nicht zufrieden geben. "Das Resultat müsste eigentlich sein", so Becker, "dass mehr Stellen eingerichtet werden". Doch es geschehe nichts. Seine Befürchtung: Die Überlastung der Lehrer werde nur anders verteilt als früher.Der DLHH hat bereits einen Info-Tag Anfang September eingerichtet, an dem jeder Lehrer seine individuelle Arbeitszeit nach dem Rechenmodell der Kommission am Computer berechnen lassen kann.

Auf einen heißen Herbst und konfliktreichen Schulanfang stellt sich auch schon die Hamburger Behörde für Schule ein. "Wir haben in dem Bericht untersucht, wieviel Zeit ein Lehrer für welche Aufgabe benötigt", verteidigt Reiner Schmitz den 150 Seiten starken Report. Schmitz ist Leiter der Abteilung Schulaufsicht und Schulberatung in der Hamburger Schulbehörde und zugleich Mitglied der Kommission. "Diese Detailerhebung ist den Berufsverbänden ein Dorn im Auge", gesteht der Vertreter der Schulbehörde. In Österreich beispielsweise werde nach dieser Methode schon seit mehr als über dreißig Jahren vorgegangen.

Was stört dann die Hamburger Lehrerschaft? In ihrer Untersuchung bewertete die Kommission die Arbeit der Lehrer nach Fachgebieten und Schultypen. So muss laut Bericht ein Deutschlehrer mehr Stunden auf die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts verwenden als ein Sportlehrer: 1,8 Stunden pro Unterrichtsstunde werden dem Deutschlehrer vergönnt, 1,3 Stunden jedoch nur für den Sportlehrer in derselben Sekundarstufe I. Die Arbeitszeit der Lehrer an Grund-, Haupt- und Realschulen (GHR) wird einheitlich für alle Fächer bewertet, da GHR-Lehrer "nicht streng fach- bzw. stufengebunden arbeiten". Ihr Arbeitszeitwert schlägt mit 1,3 Stunden zu Buche.

Diese Methode, aus der das Ergebnis des Berichtes abgeleitet wurde, verursacht den Lehrergewerkschaften Bauchschmerzen. Die Gewerkschaften und Lehrerverbände befürchten, dass die Mehrarbeit "ganz elegant festgeschrieben wird", so Gewerkschaftsvertreter Becker.

Untertützung erhalten die Lehrer vom Erziehungswissenschaftler Peter Struck, Professor an der Universität Hamburg. Er will den Vergleich mit den Beamten aus dem öffentlichen Dienst nicht gelten lassen - aber aus anderen Gründen. "Akten lassen sich einfacher bearbeiten und verwalten als Kinder", so Struck. Auch könne man nicht stehen lassen, daß Grund- und Hauptschullehrer weniger arbeiten als Gymnasiallehrer. Es sei kein Klacks, in einer achten Hauptschulklasse mit Schülern aus verschiedensten Nationen zu unterrichten, "während Annegret mit ihrem Stuhl umkippt und die ganze Klasse lacht, Karl-Heinz ein Comic-Heft unter dem Tisch liest und Dennis wieder besonders hyperaktiv ist, weil er vergessen hat, sein Ritalin zu nehmen".

Mit dieser Überspitzung will der Professor deutlich machen, dass die Regelung der Stundenverpflichtung für den einzelnen Lehrer längst überholt ist. "Die Belastung des Lehrers", so Struck, "ist mehr von seiner Einstellung zu jungen Menschen und zu seinem Beruf abhängig als von seiner Stundenverpflichtung". Es gebe Lehrer, die besser mit kleinen Kindern klarkommen, und solche, die es mit Jugendlichen einfacher haben. Mit Belastungsvergleichen komme man schnell in Teufels Küche - und mit einem Jahresarbeitszeit-Modell erst recht.

Das Modell soll ab dem Herbst in den Schulen angewandt werden. "Es wird einige Schulen geben, die sich darauf einlassen", sagt Becker. Gesteht der Bericht doch gerade den Schulleitern eine höhere Belastung zu. Diese sehen sich bestätigt und würden gerne ihre Mehrarbeit an die Lehrer weitergeben.

Gudrun Weitzenbürger

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