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Gesundheit: „Das Shuttle ist fantastisch – aber eine zerbrechliche Konstruktion“

Claude Nicollier war bereits 1999 mit der „Discovery“ im Weltall. Von Reparaturen der Fähre während des Fluges hält der Schweizer Astronaut nicht viel

Herr Nicollier, der Start des Shuttles wurde wegen eines fehlerhaften Messfühlers abgesagt. Was ist dessen Funktion?

Es handelt sich um „Tiefstandsensoren“. Sie schlagen Alarm, wenn die Treibstoffmenge unter einen bestimmten Wert sinkt. Dann werden die Triebwerke automatisch ausgeschaltet, weil sie zu heiß werden und explodieren können.

Wann ist der nächstmögliche Startzeitpunkt für den Start?

Vielleicht schon am Sonnabend. Wahrscheinlich wird es aber einige Tage dauern. Die Nasa wird auf jeden Fall versuchen, spätestens bis Ende Juli zu starten, dann schließt sich nämlich das Startfenster für diese Mission.

In den letzten Wochen berichtete die Nasa geradezu akribisch, was bei der Startvorbereitung alles schief ging. Ist das ein Zeichen für Nervosität? Wollte man den Erwartungsdruck niedrig halten?

Das glaube ich nicht. Die Nasa kann es sich nicht leisten, nicht alle erdenklichen Sicherheitsmaßnahmen für diesen Flug auszuschöpfen. Das Shuttle ist eine fantastische Raumfähre, aber es ist auch eine komplizierte und relativ zerbrechliche Konstruktion. Der geplante „Discovery“-Flug wird ohnehin das Ende der Space-Shuttle-Ära einläuten. Die Raumfähren sollen 2010 außer Dienst gestellt werden und ich glaube, wir werden keine 25 Shuttleflüge mehr erleben.

Muss man damit rechnen, dass ein solcher Unfall noch einmal geschieht?

Katastrophen lassen sich nie ausschließen. Die Raumfähren wurden in den letzten Jahren grundlegend überholt und sind jetzt sicherer jemals zuvor. Ich bin fest überzeugt, dass die vor uns liegenden Shuttleflüge ein Erfolg sein werden.

Sind die Shuttles veraltet?

Das würde ich nicht sagen. Seit die Raumfähren im Einsatz sind, wurden etliche Teile komplett ausgewechselt. Das ursprüngliche Cockpit wich vollständig einem modernen Glascockpit. Auch im Bereich Avionik und an den Motoren ist im Lauf der Zeit viel verbessert worden.

Nun soll die Besatzung auch Schäden an der Außenseite des Shuttles noch im Weltall reparieren können. Wie weit geht diese Möglichkeit?

Nicht sehr weit. Besonders an den Flügelkanten und an der Nase des Shuttles lassen sich nur kleine Risse „verarzten“. An den Unterteilen von Flügel und Rumpf kann man auch noch etwas größere Schäden in den Griff bekommen. Bei einem großen Loch in der Außenstruktur, wie es 2003 auf der „Columbia“ auftrat, wäre eine Reparatur absolut unmöglich.

Sie sind schon mehrfach mit dem Shuttle geflogen. Hätten Sie ein klammes Gefühl, mit einer im All reparierten Raumfähre zur Erde zurückfliegen zu müssten?

Das hinge von der Art des Schadens und dem Erfolg der Reparatur ab. Wenn die Gefahren einer Rückkehr zu groß wären, könnte sich die Besatzung auf die Internationale Raumstation retten, um dort von einem zweiten Shuttle abgeholt zu werden.

Hatten Sie bei Ihren Shuttle-Flügen jemals ein Gefühl der Unsicherheit?

Nie. Es gab zwar bei jedem Flug irgendwelche Abnormalitäten – aber bei einer so komplizierten Maschine sind unvorhergesehene Ereignisse bis zu einem gewissen Grad gar nicht zu vermeiden.

Der Nachfolger des Shuttles, das Crew Exploration Vehicle (CEV), soll bisherigen Plänen zufolge 2014 in Dienst gehen. Michael Griffin, der neue Nasa-Chef, möchte das CEV aber schon 2010 einsatzbereit sehen. Ist das realistisch?

Das wird schwierig. Ich glaube nicht, dass das CEV in fünf Jahren so weit sein wird. Meiner Meinung nach geht es Griffin vor allem darum, Druck zu machen, um die zeitliche Lücke zwischen der Ausmusterung des Shuttles und der Einführung des CEV möglichst klein zu halten.

Die Europäer wollen mit den Russen zusammenarbeiten, um gemeinsam die bemannte Raumfähre „Klipper“ zu entwickeln, die 2011 in Dienst gehen soll.

Dass wir uns jetzt mit den Russen zusammentun, liegt daran, dass beim Aufbau eines Raumfährenprogramms die Zusammenarbeit mit ihnen für uns einfacher ist als mit den Amerikanern.

Möchten die Europäer in der bemannten Raumfahrt von den Amerikanern unabhängig werden, weil sie das Shuttleprogramm als zu unzuverlässig einschätzen?

Nein, die Europäer unterstützen das Shuttle-Programm und brauchen es auch, zum Beispiel für den Aufbau der Internationalen Raumstation. Langfristig werden es wohl die Amerikaner sein, die die Erkundung des Weltalls anführen werden. Wir sollten, wo irgend möglich, auch weiterhin mit ihnen zusammenarbeiten, um Teil dieses großen Forschungsprogramms zu sein.

Das Gespräch führte Frank Schubert. Zum Shuttle siehe auch Seite 32.

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