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Gesundheit: „Das Stammzellgesetz wird gelockert“

Der Biochemiker Ferdinand Hucho über Gentechnik in Deutschland

Was bedeuten die gefälschten Klonversuche des Koreaners Hwang Woo-Suk für die Stammzellforschung in Deutschland?

Die Forscher bekommen mehr Gegenwind, Gegner können ihr Misstrauen bestätigt sehen. Das ist ein Rückschlag für all jene, die sich verzweifelt um Vertrauen bemühen.

Sind die Chancen für eine Liberalisierung des Stammzellgesetzes kleiner geworden?

Kriminelle wie Herrn Hwang gibt es überall, aber sie dürfen den Fortschritt nicht aufhalten. Die neue Koalition arbeitet an Regelungen, die der Stammzellforschung das Leben etwas leichter macht.

Forschungsministerin Schavan hat klargestellt, dass für sie eine Liberalisierung des Gesetzes nicht in Frage kommt.

Prinzipielle Gegenstimmen gibt es in allen Parteien. Trotzdem haben wir den Eindruck, dass eine starke politische Tendenz da ist, zumindest die Stichtagsregelung ein wenig zu lockern. Bisher dürfen nur menschliche embryonale Stammzellen eingeführt werden, die vor dem 1. Januar 2002 gewonnen wurden. Die Gesetzesänderung geht dahin, hier flexibler zu werden. Etwa im Sinne einer gleitenden Stichtagsregelung, indem man nur Zellen importieren darf, deren Gewinnung länger als sechs Monate zurückliegt.

Also auch Zellen, die nach dem Stichtag gewonnen wurden?

Selbst Frau Schavan hat wenig Gründe, den 1. Januar 2002 als Stichtag aufrechtzuerhalten. Die Zellen, die davor gewonnen wurden, taugen wirklich nichts. Damit arbeitet kaum noch jemand.

Welche Perspektiven sehen Sie für die grüne Gentechnik, die Pflanzen-Biotechnik?

Es gibt Signale, dass es auch hier eine Novellierung des Gesetzes geben wird. Im Zentrum steht die Haftungsregelung. Jemand muss haften, wenn eine bestimmte Menge gentechnisch veränderter Organismen auf dem Nachbargrundstück gefunden wird. Der Schaden ist aber allenfalls ein ökonomischer, kein biologischer. Es gibt nicht den geringsten Hinweis darauf, dass ein Acker durch gentechnisch veränderte Organismen geschädigt wird.

Sie sagen, Sie bemühen sich um Vertrauen. Wie können Sie das denn verbessern?

Die Tatsache, dass die grüne Gentechnik wenig akzeptiert ist, hängt damit zusammen, dass es kaum überzeugende Produkte gibt. Da gibt es wenig, wo ich sagen würde, das will ich im Supermarkt kaufen. Der Konsument braucht einen Preis- oder Gesundheitsvorteil.

Zum Beispiel?

Etwa den vitaminhaltigen „goldenen Reis“, oder ein Öl mit niedrigerem Cholesteringehalt.

Warum wollen die Leute den neuesten PC und das neueste Auto haben, warum nehmen sie jedes Jahr Tausende von Verkehrstoten in Kauf – und sind gleichzeitig so skeptisch bei der Gentechnik?

Ein Grund könnte sein, dass man, wenn man an den Genen herumbastelt, an die Substanz geht. Ein Auto wird verschrottet, ein Gen ist in der Welt. Nicht nur heute, sondern auch später. Der andere Grund ist sicher, dass Genetik für die meisten Menschen zu kompliziert ist. Viele Menschen wissen nicht, was ein Gen ist. Viele halten unsere Erbanlagen für etwas Böses. Wir fordern, dass die Schule da mehr tun muss. So ungebildet können wir die Menschen nicht in die Welt hinausschicken.

Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften hat einen Gentechnik-Bericht veröffentlicht. Was ist das Fazit?

Die Gentechnik ist unter uns. Wir sollten aufhören, den Besinnungsaufsatz zum Thema „Gentechnik ja oder nein?“ zu schreiben. Wir sollten schauen, wie sie sich entwickelt, Potenziale nutzen und auf Gefahren achten.

Das Gespräch führte Hartmut Wewetzer.

„Gentechnologie in Deutschland“ heißt eine Reihe von Akademievorlesungen, die am heutigen Donnerstag um 18 Uhr 30 im Akademiegebäude am Gendarmenmarkt beginnt (Jägerstraße 22/23). Es sprechen Ferdinand Hucho zum Thema „Deutschland: Gentechnologisches Entwicklungsland?“ und Julian Nida-Rümelin (Universität München) über „Rationale Risiko-Kriterien für Hochtechnologien“.

Ferdinand Hucho ist Sprecher der Arbeitsgruppe Gentechnologiebericht der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und emeritierter Professor der Freien Universität.

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