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Gesundheit: „Den Forschernachwuchs halten“

Annette Schavan über die alarmierende OECD-Studie – und neue Karrierechancen für Wissenschaftler

Frau Schavan, die OECD warnt vor einem gravierenden Akademikermangel in Deutschland. Was muss passieren, damit die Lücke von jetzt 20 Prozent Hochschulabsolventen zum OECD- Durchschnitt von 35 Prozent geschlossen werden kann?

Das ist ein zentrales Thema beim Hochschulpakt. Wir brauchen mehr Studienplätze, um das Potenzial der möglichen Studierenden in den nächsten Jahren besser zu nutzen. Ein Mittel gegen die hohen Abbrecherquoten ist die Umstellung auf Bachelor und Master. Damit wird das Studium stringenter. Und wir müssen eine Kampagne starten, um mehr Abiturienten für ein Studium der Natur- und Ingenieurwissenschaften zu gewinnen.

Die duale Berufsausbildung in Deutschland wird von der OECD gelobt, gleichzeitig aber als Auslaufmodell bezeichnet.

Entscheidend ist nicht, wo Ausbildung angesiedelt ist – in Betrieben und Berufsschulen oder etwa an Fachhochschulen – sondern dass die notwendige Qualität erreicht wird. Die Qualität der beruflichen Bildung wird unterschätzt. Wir haben auf europäischer Ebene zwei Entwicklungen, mit denen wir diesen Bereich des Bildungssystems stärker auch international verankern wollen. Das ist zum einen der europäische Qualifikationsrahmen, der Transparenz in die Qualität der Bildungsgänge bringt. Zum anderen ist dies die Initiative von mittlerweile sechs europäischen Ländern, in denen die berufliche Bildung modernisiert werden soll.

Laut OECD-Studie haben in der Wissensgesellschaft hoch qualifizierte Absolventen sicherere Jobaussichten.

Auch die berufliche Bildung führt zu guten Karriereperspektiven. Wichtig ist aber auch, dass der Übergang von der beruflichen Bildung zu den Hochschulen durchlässiger wird, beispielsweise für Techniker, die weitere Qualifikationen im Studium erwerben wollen.

Für wissenschaftliche Mitarbeiter tut sich schon jetzt etwas. Die 12-Jahres-Regelung wird ergänzt. Was ändert sich konkret?

Wir haben heute im Kabinett ein neues Gesetz über Zeitarbeitsverträge in der Wissenschaft verabschiedet. Das bedeutet eine Modernisierung im Blick auf die drittmittelfinanzierte Forschung. Wo Drittmittel vorhanden sind, kann künftig weiter befristet beschäftigt werden. Das Gesetz hat auch eine familienfreundliche Komponente für Nachwuchswissenschaftler: Eltern können in Zukunft pro Kind für weitere zwei Jahre nach Ablauf der 12-Jahres-Frist beschäftigt werden.

Wie wird das rechtlich verankert?

Das Hochschulrahmengesetz wird im Laufe der nächsten Monate aufgehoben. Die dort geregelten arbeitsrechtlichen Bedingungen sind in dem Gesetz flexibilisiert. Damit kommt die Bundesregierung einem vielfach geäußerten Wunsch der Wissenschaft entgegen: Mit der neuen Regelung können wir Nachwuchsforscher auch besser in Deutschland halten.

Das Arbeits- und Sozialministerium und die Gewerkschaften sollen Bedenken haben. Konnten Sie die ausräumen?

Ja, denn mit dem Gesetz passen wir die Zeitarbeitsregelung an die reale Situation an Hochschulen und außeruniversitären Instituten an. Es ist nun einmal so, dass sich bei Projekten, die über Drittmittel finanziert werden, nicht einfach unbefristete Verträge anbieten lassen.

Der Wissenschaftsrat wollte eine weitergehende Regelung: Forscher, die dauerhaft in Projekte eingebunden sind, sollten fest angestellt werden – mit einer Kündigungsoption, falls die Drittmittel wegfallen.

Der Vorschlag des Wissenschaftsrats lässt sich mit der bestehenden Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht verwirklichen. Aber das unmittelbare Anliegen der Wissenschaft ist jetzt erfüllt. In den Planungen zum Hochschulpakt wird ja auch über einen dritten Qualifikationsweg neben der Juniorprofessur und der Professur diskutiert – über den Lecturer. Mit solchen Stellen soll auch eine dauerhafte Perspektive verbunden sein.

Das Gespräch führte Amory Burchard.

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