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Gesundheit: Der geschmiedete Himmel

Ein Museum in Halle zeigt rund um die Himmelsscheibe von Nebra das Weltbild der Bronzezeit

Die Scheibe ist ein Hit. Bereits am ersten Wochenende strömten 6300 Besucher in das sachsen-anhaltinische Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle, um die Ausstellung „Der geschmiedete Himmel“ rund um die Himmelsscheibe von Nebra zu sehen. Für das außerhalb des Stadtzentrums gelegene Haus ein ungewohnter Andrang, der dort allerdings niemand überrascht. Die 1999 von Raubgräbern nahe des Ortes Nebra an der Unstrut entdeckte und zwei Jahre später in einer spektakulären Polizeiaktion in Basel sichergestellte Scheibe ist die älteste Himmelsdarstellung der Menschheitsgeschichte.

Derzeit läuft das Berufungsverfahren gegen zwei der Hehler, die das bronzezeitliche Rundbild damals für 700000 Mark verschiedenen Museumsleitern anboten, so auch Wilfried Menghin vom Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte. Für Schlagzeilen ist also weiter gesorgt.

Doch die Ausstellungskuratoren um den Hallenser Landesarchäologen Harald Meller bieten diesmal auch andere Sensationen. Neben der 3600 Jahre alten Himmelsscheibe, die von den Raubgräbern schwer beschädigt worden war und in den letzten zwei Jahren aufwändig restauriert werden musste, versammeln sie archäologische Kostbarkeiten aus ganz Europa: Als kulturelles Kompendium der frühen Bronzezeit ergänzen sie die wissenschaftliche Dimension des Jahrhundertfundes von Nebra eindrucksvoll.

Es war durchaus nicht so, dass die damalige Welt am nächsten Gebirgspass oder Hochmoor und erst recht nicht an Ostsee und Mittelmeer ihr Ende fand. Der Fund von Nebra, der in einer steinernen Kammer neben der Himmelsscheibe noch zwei bronzene Schwerter, zwei Beile, einen Meißel und zwei Armreifen von seltener Qualität enthielt, bietet dafür ein exzellentes Beispiel. Die Form der prächtigen Zeremonialschwerter etwa lehnt sich an die der Apa-Schwerter aus dem Karpatenbecken an, ihre Einlegearbeiten aus Kupferdrähten an Griff und Klinge, in der komplizierten Technik der Tauschierung gefertigt, erinnern an Grabfunde aus dem griechischen Mykene.

Das verarbeitete Kupfer all dieser Geräte stammt vermutlich aus dem Salzburger Land, wo die Bergleute bis zu 200 Meter tiefe Stollen trieben, um ans Erz zu kommen. Das Gold kam vielleicht aus Irland. Doch die in Nebra zusammen mit der absolut singulären – und damit stilgeschichtlich nicht vergleichbaren – Himmelsscheibe gefundenen Stücke wurden, das belegt die Ausstellung anhand zahlreicher Vergleichsfunde, in Mitteldeutschland gefertigt.

Die etwa 31 Zentimeter breite, knapp zwei Kilo schwere Himmelsscheibe nimmt, ideell wie real, das Zentrum der Schau ein. Zusammen mit dem 1902 aus einem Acker gepflügten Sonnenwagen von Trundholm, der normalerweise im Dänischen Nationalmuseum wie eine Reliquie gehütet wird, und einigen der aus dünnem Goldblech gefalteten Schiffchen aus dem jütländischen Nors wird sie in einer riesigen, schwarz lackierten Barke im großen Lichthof des Museums präsentiert. Die raumgreifende Schreinarchitektur um diese archäologischen Ikonen macht deutlich, wie sehr das am Lauf der Gestirne orientierte Welt- und Gottesbild der frühen Bronzezeit grundsätzlicher Erklärungen bedarf.

Die Begleittexte zu den ausgestellten Waffen und Schmuckstücken sowie der hervorragende Katalog liefern sie. Die Sonne bewegt sich mittels Pferdekraft, vor allem aber per Schiff durch die Tag- und Nachthälfte des Firmaments, so die gängige Vorstellung Mitte des zweiten vorchristlichen Jahrtausends im Norden.

Die Gnade der Gestirne war der bäuerlichen Gemeinschaft überlebenswichtig. Kultobjekte wie der Sonnenwagen oder die Flottille von Nors dienten ihrer Beschwörung, die Nebraer Scheibe auch ihrer Berechnung. Sicher ist, dass sie – wie schon das bis zu 5000 Jahre alte englische Stonehenge – der Bestimmung von Sommer- und Wintersonnenwende, von Aussaat und Ernte diente. Wie in einem Observatorium benutzte man sie am Fundort, dem Mittelberg bei Nebra, der schon in der Steinzeit eine Kultstätte gewesen war. Weshalb sie jedoch in den 100 bis 300 Jahren ihrer Benutzung mehrmals verändert worden war, warum sie um 1600 v. Chr. in einem Depot zu Ehren der Götter niedergelegt wurde, all das steht derzeit noch in den Sternen.

Für die Ausstellungsmacher markiert dieses Opfer den Ausklang einer Epoche, die ein halbes Jahrtausend zuvor mit den Prunkgräbern von Leubingen und Helmsdorf begann. Wegen des guten Bodens, der zentralen Lage und reicher Solevorkommen bildeten sich in Mitteldeutschland damals „Fürsten“, die Handelsverbindungen von Südschweden bis Rumänien pflegten. Dass sie ihr Vertrauen und ihre Hingabe einem Himmel aus Bronze schenkten, berührt ungemein.

Die Ausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle, Richard-Wagner-Straße 9, ist bis zum 24. April 2005 jeweils Di bis So von 9 bis 19 Uhr geöfffnet.

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