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DER OP-Kurs: So wird ein „Glasauge“ eingesetzt

Eine Augenprothese herzustellen ist eine Kunst, die in Deutschland fast 200 Jahre Tradition hat. Die Spezialisten dafür sind keine Ärzte, sondern Glasbläser mit einer jahrelangen Spezialausbildung.

Eine Augenprothese herzustellen ist eine Kunst, die in Deutschland fast 200 Jahre Tradition hat. Die Spezialisten dafür sind keine Ärzte, sondern Glasbläser mit einer jahrelangen Spezialausbildung. In Kleinstarbeit bearbeiten sie weißes und farbiges Glas unter Hitze so, dass es am Ende wie ein natürliches Auge aussieht und dem Gesicht des Trägers perfekt angepasst ist. Nötig ist so eine Prothese etwa, wenn ein Auge von einer bösartigen, großen Krebsgeschwulst betroffen ist, die man mit Bestrahlung nicht mehr bekämpfen kann. Oder wenn ein bereits völlig erblindetes Auge dauerhaft große Schmerzen verursacht.

Bevor eine Augenprothese, die nur umgangssprachlich „Glasauge“ heißt, eingesetzt werden kann, muss der natürliche Augapfel entfernt werden. Früher fanden solche Operationen häufig statt, denn die Mediziner konnten nicht genau feststellen, ob und wenn ja wie gefährlich ein möglicher Tumor das Auge getroffen hatte. „Heute gibt es diagnostische Verfahren, mit denen man sehr gut ins Auge hineinschauen kann“, sagt Ulrich Dietze, Ärtzlicher Direktor der Augenklinik Marzahn. „Deshalb wird der Augapfel viel seltener entfernt. Aber für die wenigen, die sie betrifft, ist die OP ein pychisch gravierender Eingriff.“

Die Operation findet fast immer unter Vollnarkose statt und ist relativ einfach, manchmal dauert sie nur 15 Minuten. Mediziner nennen sie „Enukleation“. Zu Beginn bringt der Arzt dabei einen Faden am Auge an und zieht dieses damit nach vorne. Dann werden die Verbindungen des Augapfels zum umliegenden Gewebe gekappt. Zuerst wird die Bindehaut, eine Schleimhaut, die sich im vorderen Teil des Auges befindet, abgetrennt. Sie verbleibt nach der OP größtenteils in der Augenhöhle. Ebenso werden die Muskeln und der Sehnerv, die mit dem Augapfel verbunden sind, mit einer speziellen Schere durchschnitten. „Anschließend kann der Augapfel entnommen werden“, sagt Augenarzt Dietze. „Die Risiken der OP sind eher gering. Manchmal kann es zu Blutungen und Schwellungen der Bindehaut und der Lider kommen.“

Der entstandene Hohlraum wird mit einer kugeligen Plombe ausgefüllt, die oft aus einem Material besteht, das man aus Korallen gewinnt. Es hat viele kleine Poren, in die die Bindegewebszellen einwachsen können. Außerdem werden die zuvor vom Augapfel abgetrennten Muskeln kreuzweise über die Kugel vernäht. „Die Plombe ist wichtig“, betont Dietze. „Bei Kindern führt sie zum Beispiel dazu, dass die Augenhöhle zum Wachstum gereizt wird, obwohl der natürliche Augapfel nicht mehr da ist. So entstehen keine zu großen Unterschiede zwischen den beiden Gesichtshälften.“

Nach dem Eingriff dauert es ein paar Tage, bis die Schwellungen abgeklungen sind und das eigentliche, individuell entworfene Kunstauge eingesetzt wird. Für die Übergangszeit erhält der Patient eine provisorische Prothese. Anders, als die meisten glauben, ist ein „Glasauge“ keine runde Murmel, sondern relativ flach und schalenförmig. Die Prothese wird auf die Plombe aufgesetzt und hält dann allein durch den Druck der Lider. Ähnlich wie Kontaktlinsen müssen auch „Glasaugen“ jeden Tag herausgenommen und gespült werden. Björn Rosen

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