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Gesundheit: Der Petrologe Gregor Markl wurde mit 28 Jahren an die Universität Tübingen berufen

Zwei Mal am Tag mischt sich Gregor Markl in der Mensa Wilhelmstrasse unter die hungrige Tübinger Studentenschaft. Ganz unauffällig.

Zwei Mal am Tag mischt sich Gregor Markl in der Mensa Wilhelmstrasse unter die hungrige Tübinger Studentenschaft. Ganz unauffällig. Die taxierenden Blicke der sich auf den Eingangstreppen reihenden Raucher würden den 28-Jährigen sicher in die naturwissenschaftliche Schublade stecken. Vielleicht Medizin, kurz vorm Examen. Nicht eine Mark, dass der Professor ist. Aber: er ist einer. Und er darf sich mit dem inoffiziellen Titel "Deutschlands jüngster Professor" schmücken. Michael Seifert, der Pressesprecher der Universität Tübingen, hat das per E-mail-Recherche unter seinen Kollegen im deutschsprachigen akademischen Raum herausgefunden. Nur aus Datenschutzgründen gibt es keine offizielle Bestätigung der Wissenschaftsministerien.

Geduzt und für einen Kommilitonen gehalten wurde Gregor Markl von seinen Studenten allerdings noch nie. Dafür ist die Fakultät viel zu klein. Bei den Mineralogen kennt jeder jeden und keiner kennt die Mineralogen. Seit Markl zum Wintersemester als C3-Professor für Petrologie, Magmatite und Metamorphite berufen wurde, rückt die vergessene kleine Abteilung ins Licht der Öffentlichkeit. Deshalb gibt der jüngste Professor Deutschlands auch ein Interview nach dem anderen. Unermüdlich. "Wir könnten mehr Studenten ausbilden und in guten Jobs unterbringen", sagt Markl und kommt ins schwärmen. Diplom-Mineralogen würden in der Wirtschaft gebraucht, bei der Glasherstellung, in der Schmuckindustrie. Der Rummel um seine Person ist ihm eher unangenehm: "Es gab doch auch vor mir einen jüngsten Professor, warum die Aufregung?" Im Plenum hat jedenfalls keiner schräg geguckt, als der neue Prof für Gesteinskunde in den Hörsaal marschierte. Doch mit Verlaub: Ein Wissenschaftler muss im Durchschnitt bis zu seinem 40. Geburtstag auf die Ernennungsurkunde warten, die der 28-jährige Markl diese Woche vom Rektor der Uni Tübingen überreicht bekam.

Über seine Karriere spricht Gregor Markl mit Vorsicht. Mit Neid habe er nie zu tun gehabt, weil er "seinen Erfolg nicht hat raushängen lassen". Eine Karriere nach dem Schema "den Blinker links gesetzt und raus auf die Überholspur", war es jedenfalls nicht. Geboren 1971 in Frankfurt am Main, Abitur 1990 in Bonn, ganz normal mit 19 Jahren. Dank Untauglichkeit für den Wehrdienst schrieb sich Markl direkt nach dem Abi für Chemie und Physik auf Lehramt an der Uni Freiburg ein. Die Mineralogie sollte eigentlich sein Hobby bleiben.

Mineralien statt Überraschungseier

Schon mit elf Jahren, als andere Kinder Figuren aus den Überraschungseiern sammelten, begeisterte sich Markl für bunte Steine. Das Schaufenster eines Mineraliengeschäfts in Wien brachte ihn zu dieser Leidenschaft. Das erste Taschengeld investierte er in drei Gesteinsbrocken: Einen gelben aus Schwefel, einen violetten Amethyst und einen grünen Chrysokol, dazu einen Setzkasten.

Später wurde aus dem Setzkasten ein Regal und aus dem Regal ein Schubladenschränkchen und aus dem Schränkchen eine ganze Schrankwand. Heute besitzt Gregor Markl über 6000 Steine, knopfkleine und backsteingroße, und bewohnt nur noch statisch unbedenkliche Bauten. Die meisten Stücke seiner Steinsammlung sind selbst gefunden. Ohne zu murren fuhren ihn die Eltern jeden Sonntag in die Steinbrüche der Eifel, obwohl sie sich, wie Markl sagt, "nicht die Bohne für Mineralien interessierten". Als Naturwissenschaftler hatten beide jedoch Verständnis für den Forscherdrang des Sohnes: Die Mutter war Lehrerin für Biologie und Chemie, der Vater ist Biologieprofessor und Präsident der Max-Planck-Gesellschaft.

Nach der Zwischenprüfung sattelte Gregor Markl auf den Diplomstudiengang Mineralogie um. Er unternahm Forschungsreisen zu den Lofoten in Norwegen und kampierte viereinhalb Monate am Südpol. Bei Temperaturen bis zu 50 Grad unter Null ist das nicht gerade gemütlich. Trotzdem erforscht Markl die Beschaffenheit der Erdkruste vorzugsweise in kühleren Gebieten. "Weil man schneller an die Gesteine herankommt, denn dort wächst kaum was."

Nach dem Diplom 1994 arbeitete er drei Jahre an seiner Dissertation und reichte nur ein Jahr später die Habilitationsschrift in Freiburg ein. Wegen dieses hohen Tempos wurde die "Habil" von fünf statt zwei Experten begutachtet. "Die Fakultät hat wohl Muffensausen bekommen", sagt Markl. Ein Jahr danach folgte der Ruf nach Tübingen, wo Markl jetzt ein Büro mit grünem Linoleumboden sein eigen nennt. In dem kleinen Neckarstädtchen hat sich der Petrologe schon prima eingelebt. Vor allem vom Essen in der Mensa ist der Hobbykoch schwer begeistert. Die Ente mit Orangensauce war so gut, dass sich Markl sogar nachgenommen hat. Obwohl man das eigentlich nicht darf. Nicht einmal als Professor.

Susanne Rehm

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