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Gesundheit: Der wahre Hüter westlicher Werte

Eine Vorlesungsreihe über die Identität des „alten Europa“

Als US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld Deutschland und Frankreich als „altes Europa“ bezeichnete, stach er mit seiner Äußerung in ein Wespennest. Das Zentrum Europas verschöbe sich nach Osten, verkündete der Minister, hin zum „neuen“ Europa. Dessen einst kommunistische Staaten waren der Irak-Politik Amerikas gewogener. Doch weder Außenminister Joschka Fischer noch die französische Regierung ließen sich diese Bemerkung gefallen, verwiesen auf den Wert des „alten“, des über Jahrhunderte weise gewordenen Europas.

Das „alte Europa“ – der wahre Hüter westlicher Werte oder doch eher ein ermüdetes Gebilde, dem es nicht mehr gelingt, die Zeichen der Zeit zu erkennen? Dieser Frage, so ließe sich vermuten, will die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaft in ihrer Vorlesungsreihe „Das alte Europa“ nachgehen. „Den Titel hatten wir aber vor Rumsfelds Äußerung festgelegt“, sagt Organisator Thomas Pratsch, „mit der Irakpolitik hatte das nichts zu tun.“ Er möchte keine falschen Erwartungen wecken.

Die Themen der Vorlesungen lassen dennoch erahnen, dass es doch um eine Identitätssuche geht: Wo liegen die Grenzen dieses Kontinents? Welche Werte wurden und werden mit Europa verbunden? Eine der Kernfragen ist dabei, wer zu Europa gehört und wer nicht. In jeder Epoche stellte sich diese Frage neu – bis heute. Dass dabei vor allem die Religion eine Rolle spielt, darauf verweist Thomas Pratsch, der sich an der Akademie vor allem mit byzantinischer Geschichte beschäftigt. „Für uns Byzantiniker gehört die Türkei zu Europa, aber für viele ist Europa eben christlich.“

Bereits in der Spätantike, dieser Übergangsperiode im 3. bis 6. Jahrhundert zwischen der alten römisch-griechischen Hochkultur und dem mittelalterlich-neuzeitlichen Europa, wurden die Grundlagen gelegt für spätere religiös bestimmte Definitionen Europas. „Die endgültige Kanonisierung der Schriften des Neuen Testaments, des Talmuds und des Korans bewirkten, dass der Monotheismus in Europa auf ganzer Linie siegte“, sagte Alexander Demandt, Professor für Geschichte an der Freien Universität in seinem Vortrag Spätantike. „Das ist wohl das wichtigste Ergebnis dieser Epoche.“

In der Vorlesungsreihe wird es bis zum Februar noch um Themen wie „Europa und der Islam“, „Karl Marx und Europa“ und „Polens Rolle in der erweiterten EU“ gehen. Spätestens auf dem abschließenden Podium Mitte Februar werde dann auch explizit diskutiert werden, wie sich das von Rumsfeld als „alt“ abgetane Europa selbst definieren könne, hofft Thomas Pratsch.

„Das alte Europa“, Vorlesungsreihe im Leibnizsaal in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften am Gendarmenmarkt, Jägerstr. 22/23. Nächste Veranstaltung: Dienstag, 18. November, 19 Uhr K. M. Girardet: „Antikes Griechenland und römisches Imperium – Modelle für ein vereintes Europa von morgen?“

Sibylle Salewski

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