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Gesundheit: Deutsche Universitäten sind besser als ihr Ruf

"Deutschland als attraktiver Standort für wissenschaftlichen Nachwuchs": Das Thema der Podiumsdiskussion, zu der das Wissenschaftsforum Berlin in Kooperation mit der Wissenschaftszeitschrift "Nature" und dem Veranstaltungsforum der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck am Donnerstag an den Gendarmenmarkt geladen hatte, könnte durchaus mit einem Fragezeichen versehen werden. Das gilt vor allem, wenn man für die Attraktivität eines Standorts Maßstäbe wie Zitierhäufigkeit deutscher Autoren in international renommierten Fachzeitschriften oder Beliebtheit als Aufenthaltsort ausländischer Gastwissenschaftler anlegt.

"Deutschland als attraktiver Standort für wissenschaftlichen Nachwuchs": Das Thema der Podiumsdiskussion, zu der das Wissenschaftsforum Berlin in Kooperation mit der Wissenschaftszeitschrift "Nature" und dem Veranstaltungsforum der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck am Donnerstag an den Gendarmenmarkt geladen hatte, könnte durchaus mit einem Fragezeichen versehen werden. Das gilt vor allem, wenn man für die Attraktivität eines Standorts Maßstäbe wie Zitierhäufigkeit deutscher Autoren in international renommierten Fachzeitschriften oder Beliebtheit als Aufenthaltsort ausländischer Gastwissenschaftler anlegt.

Gastgeber Christian Bode, Generalsekretär des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, verwies in seinen einleitenden Worten auf den Trend des deutschen Forscher-Nachwuchses ins Ausland: Zwei Nobelpreise habe es in diesem Jahr für "Dichter und Denker deutscher Zunge" gegeben. "Aber was den Denker betraf, so musste man die Glückwünsche schon nach New York schicken." In zwei einleitenden Vorträgen wurde die Lage von außen betrachtet. Philip Campbell, Chefredakteur des in London erscheinenden Wissenschaftsmagazins "Nature", konstatierte zwar, dass deutsche Forschung im Ausland kaum sichtbar werde. Er ließ dabei allerdings die Möglichkeit offen, dass es sich teilweise um ein "Problem der Wahrnehmung" statt um einen Mangel an Qualität handle.

Stephen Mackwell, gebürtiger Neuseeländer mit langjähriger Erfahrung an amerikanischen Hochschulen, ist derzeit am Bayerischen Geoinstitut an der Universität Bayreuth tätig. Die Qualität der Ausbildung in Deutschland von der Schule an steht für ihn außer Frage. "Ich freue mich, dass meine Kinder hier zur Schule gehen", betonte der Wissenschaftler. Auch der "Geist" der deutschen Universitäten, die sich "nicht als Industrie verstehen" und weniger Druck auf die Forscher ausüben, schnell zu publizieren und Drittmittel einzuwerben, gefällt ihm besser als das US-amerikanische System.

Als Hindernis für den Aufenthalt von Gastwissenschaftlern aus aller Welt empfindet er allerdings die Bürokratie, "besonders das Ausländeramt". Und als Hemmschuh für deutsche Nachwuchswissenschaftler sieht er die Habilitation, die junge Forscher in entscheidenden Jahren an deutsche Hochschulen bindet, sowie die umfangreichen Lehrverpflichtungen. Allerdings ist für ihn auch eine andere Beobachtung wichtig, wenn es um die Attraktivität des Standorts geht: "An deutschen Universitäten sprechen die Leute deutsch!" Es könne sich jedoch zum echten Nachteil auswachsen, wenn junge Leute während des Studiums die in der Schule erworbenen Sprachkenntnisse eher verlören als erweiterten. Da Englisch längst die unangefochtene lingua franca des internationalen Wissenschaftsbetriebs ist, plädiert Mackwell für Lehrveranstaltungen in englischer Sprache. Das könne deutsche Hochschulen zudem für ausländische Studenten attraktiver machen.

"Wir müssen mit Englisch als einer Kulturtechnik der Moderne schon in der Grundschule beginnen" sekundierte Bode. Mit der vom sächsischen Kultusminister Meyer unlängst kritisierten "Amerikabesoffenheit" der Bildungspolitik habe das nichts zu tun. Nötig sei hier vielmehr eine "größere Bandbreite im System". Im Gegensatz zu den Gastrednern nahmen die Teilnehmer der Diskussion kein Blatt vor den Mund. "Dürftig" nannte Bode die Beiträge deutscher Juristen, Geistes- und Sozialwissenschaftler im internationalen Vergleich. "Ich würde mir wünschen, dass ein Mindestmaß an internationaler Ausbildungs- und Lehrerfahrung zum Berufungskriterium für Hochschullehrer würde." Bode monierte außerdem, dass die Forschung sich in Deutschland stark auf außeruniversitäre Einrichtungen verlagert habe. Durch ökonomische Anreize müsse man hoffnungsvolle Jungforscher an den Universitäten halten. Dafür plädierte auch der ehemalige Berliner Wissenschaftssenator George Turner.

Winfried Benz, Generalsekretär des Wissenschaftsrates, hatte ein lange Liste von Kritikpunkten: Die Doktorandenausbildung sei heute zu lang und "mit promotionsfernen Dienstleistungen befrachtet", der Graduiertenförderung fehle die Transparenz. Was den Hochschullehrer-Nachwuchs betrifft, so müsse die Phase der Habilitation auf sechs Jahre begrenzt werden. Gespräche müssten den jungen Wissenschaftlern zeigen, wo sie stehen und welche Karrierechancen sie sich ausrechnen können, wünschenswert sei außerdem mehr Betreuung, Transparenz und Wettbewerb. Mobilität dürfe "nicht erst angesichts der Hürde Hausberufung" entstehen.

Stefan von Holtzbrinck, Verlagsdirektor der Macmillan Magazines, zu denen auch "Nature" gehört, wies darauf hin, dass Attraktivität heute nicht zuletzt mit Selbstdarstellung zu tun habe: "Die deutschen Unis müssen sich mehr überlegen, wie sie ihr Image im Ausland pflegen können." "Manchmal reden wir uns auch schlecht" stellte Bode ergänzend fest. Dabei habe sich in den letzten Jahren im Hochschulbereich ausgesprochen viel bewegt. Ist die Tatsache, dass das Diskussionsthema nicht als Frage formuliert wurde, schon Ausdruck einer solchen Trendwende?

Adelheid Müller-Lissner

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