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Gesundheit: Die Angst der Betreuer vor den E-mails

Zwei Uhr morgens - Zeit fürs Studium.Jetzt sind die Datenautobahnen frei und die Telefongebühren am niedrigsten.

Zwei Uhr morgens - Zeit fürs Studium.Jetzt sind die Datenautobahnen frei und die Telefongebühren am niedrigsten.Frank stöbert in den Katalogen der Bibliothek und lädt sich einen wissenschaftlichen Aufsatz herunter.Danach blättert er in den Newsgroups die Mitteilungen und Fragen seiner Kommilitonen zum letzten Eletrotechnik-Seminar durch.Schade nur, daß der Seminarraum - Chat-Room - um diese Zeit leer ist.Welcher reale Professor will schon nachts eine Diskussion moderieren? Aber zumindest dessen virtuelles Abbild kommt in Franks Studierstübchen.Interaktiv und multimedial aufbereitet flimmert neues Vorlesungs-Wissen auf dem Computer-Bildschirm des Fernstudenten.

Anna ist wie ihre Professoren eher ein Tagmensch.Sie klickt sich am Vormittag in ein Informatik-Seminar ein.Ihre Hausarbeit ist fertig, die Folien mit Tabellen und Bildern hat sie schon vorher eingescannt.Während sie ihren Vortrag in das Mikrofon und in die kleine Kamera über ihrem Computer spricht, erscheint ihr Material auf den Bildschirmen der anderen Seminarteilnehmer.Anschließend wird diskutiert.

So oder ähnlich könnte die Zukunft der Hochschule im Internet aussehen: zeit- und ortsunabhängiges Studium.Doch hat die Zukunft schon begonnen, wie auf einer Informationsveranstaltung zum Thema "Lernraum Virtuelle Universität" am Montag abend klar wurde.Als Vorreiter in Sachen Online-Studium präsentierte sich auf diesem von der Senatsarbeitsverwaltung gemeinsam mit der Technischen Universität organisierten Workshop die Fernuniversität Gesamthochschule Hagen .Gerade landete sie auf Platz eins des Hochschul-Rankings der Zeitschrift " Online Today ", die die Internet-Angebote der deutschen Hochschulen unter die Lupe nahm.

Seit zwei Jahren wird in Hagen an der virtuellen Fernuniversität gewerkelt.Inzwischen seien etwa 100 Kurse entsprechend aufbereitet, berichtet Planungschef Jochen Hölle-Kölling.4000 der 56 000 eingeschriebenen Studenten könnten bereits online studieren.Jedoch ist die Qualität der Kurse sehr unterschiedlich.Die meisten bieten nur ergänzende Materialien zum ansonsten printgestützten Fernstudium.Das reicht von einfachsten Internet-Text-Dateien über animierte Lernsoftware bis hin zu einzelnen Videokonferenzen.Nur vier dieser Kurse bieten das volle Programm mit Software, Chat-Rooms, moderierten Seminarkonferenzen und ferngesteuerten Versuchsanordnungen - "aber die sind Spitze", freut sich Birgit Feldmann-Pempe vom Hagener Fachbereich Praktische Informatik."Allerdings haben wir bisher nur ein komplettes Online-Studium - Wirtschaftsinfomatik."

Als Ausweichmöglichkeit für überfüllte Seminare an den Präsenzuniversitäten ist die virtuelle Uni jedoch nur bedingt tauglich.Deren Seminare hätten eine Kapazitätsgrenze von etwa 20 Teilnehmern, sagt Birgit Feldmann-Pempe."Bei mehr wäre eine sinnvolle Betreuung durch den Seminarleiter nicht mehr möglich." Doch die Hauptangst der Betreuer, daß man sie mit Nachfragen über E-mails bombardieren könnte, habe sich nicht bewahrheitet."Die meisten Probleme lösen die Studenten in den Newsgroups und den Chats selbst.Eine Frage über E-mail an den Betreuer ist für sie nur das allerletzte Mittel."

Doch so ein Online-Studium ist nicht billig.Zu den regulären "Materialverschickungsgebühren" der Fernuniversität Hagen von 180 Mark pro Semester (inklusive 10 Semesterwochenstunden, pro weiterer Semesterwochenstunde noch einmal 18 Mark) kommt die notwendige technische Ausstattung: ein leistungsfähiger Computer und eine ISDN-Leitung.Und die Anbieter für den Internet-Zugang und die Telekom wollen auch bezahlt werden.

An den Berliner Hochschulen ist ein Online-Studium noch Zukunftsmusik.Zwar landeten die Humboldt-Universität und die Freie Universität mit ihren Internet-Angeboten noch im vorderen Mittelfeld des "Online-Today"-Rankings.Das Einspeisen von Lageplänen, Bibliothekskatalogen und Vorlesungsverzeichnissen gehört bei ihnen längst zum Standard.Doch ein interaktives Studium wie an der Fernuni ist die Ausnahme.

In diesem Wintersemester machte die HU einen Anfang und bietet gemeinsam mit der Universität Koblenz-Landau einen Online-Magisterstudiengang Bibliothekswissenschaft an.Das erste Hauptfach studieren die Koblenzer Studenten vor Ort an ihrer Universität, das zweite Hauptfach "Bibliothekswissenschaft", das in Koblenz nicht angeboten wird, läuft als Fernstudium an der HU.Per Internet lösen die Studenten Einsendeaufgaben und absolvieren Übungen."Die Vorlesungen und Seminare werden über Videokonferenz übertragen", sagt der Betreuer des HU-Projektes, Stephan Büttner."Die Hochschullehrer kommen in unser Studio, tragen den Stoff vor der Kamera vor und speisen ergänzendes Material ins Internet ein." Schon in der Anlaufphase hätten sich zwölf Magisterstudenten der Koblenzer Universität für das Projekt eingeschrieben.

Doch täuscht dies nicht darüber hinweg, daß es noch ein weiter Weg ist bis zur virtuellen Universität.Um diese Entwicklung zu beschleunigen, finanziert das Bundesforschungsministerium fünf Pilotprojekte "Zur Nutzung des weltweit verfügbaren Wissens".Eines davon ist ein Konsortium aus zwölf Fachhochschulen, darunter die Fachhochschule Brandenburg , die sich zur "Virtuellen Fachhochschule für Technik, Wirtschaft und Informatik" zusammengeschlossen haben."Ab dem Jahr 2000 werden wir erste virtuelle Angebote in Wirtschaftsingenieurwesen und Informatik anbieten können", sagte Werner Beuschel von der FH Brandenburg."Allerdings wird das nicht rein virtuell sein, sondern eine sinnvolle Mischung aus Online- und Präsenzstudium."

In Berlin will " Berlin-Univers " die Hochschulen auf Trab und ins Internet bringen.Dieser gemeinsam von der Senatswirtschafts-, Senatswissenschaftsverwaltung und der Telekom ins Leben gerufene Verein soll ab dem Jahr 2001 den Hochschulen bei der multimedialen Aufbereitung der Lehrinhalte helfen, Standards bei der Lernsoftware setzen und die Kontakte der Hochschulen zu Softwareentwicklern und anderen Unternehmen herstellen.Wilfried Hendricks von "Berlin-Univers" weiß, daß die Zeit drängt: "In Hagen haben sie schon angefangen, wir in Berlin warten noch auf den Startschuß."

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