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Gesundheit: Die Auto-Hochschule

In Wolfsburg eröffnet eine weitere Privatgründung: VW setzt auf eine eigene Managerausbildung unter der Regie des Philosophen Zimmerli

VW hat in Wolfsburg ein neues Modell vorgestellt, doch diesmal ohne Karosserie und Räder: An einer eigenen Hochschule will der Konzern künftig seinen Managernachwuchs selbst ausbilden. Die ersten Seminare haben bereits begonnen. Der eigentliche Campus wird erst 2004 fertig gestellt. Dann soll zwischen Wasserflächen und einem kleinen Hügel das Monument der Wissenskultur von morgen stehen, dessen Mittelpunkt ein Denk- und Versammlungsort bilden soll. Am Montagabend war die offizielle Eröffnung.

Architekt Gunter Henn, der auch die Wolfsburger „AutoStadt“ konzipierte, nennt dieses Zentrum nach antikem Vorbild Agora. Ein Gebäudekomplex als Form gewordene Funktion, die im Modell einem unendlichen, in sich gefalteten Band gleicht. 45 Millionen Euro kostet der Campus; weitere 40 Millionen will VW in den nächsten fünf Jahren in Bildungsprogramme und Personal investieren. Ende 2003 sollen 20, Ende 2005 rund 50 Mitarbeiter an der „AutoUni“ beschäftigt sein. Dann können jährlich 3000 handverlesene Lernwillige aus aller Welt den Campus bevölkern. Dozieren sollen neben VW-Managern auch Lehrkräfte aus der Wissenschaft.

Mit dem Projekt will Initiator und VW-Personalvorstand Peter Hartz die Region stärken und – nach Hartz-Manier – Arbeitsplätze schaffen. Doch die Bildungsstätte soll vor allem die maßgeschneiderte Qualifizierung von Spitzenkräften und Management des VW-Konzerns fördern. Das allerdings ist nur die erste Phase. In der zweiten sollen auch die Zulieferer von der Unternehmenshochschule profitieren und nicht allein die Akademiker. „Schließlich muss der Lackierer von morgen auch in der Nanotechnologie zu Hause sein“, meint Gründungspräsident Walther Zimmerli, der als Philosoph zehn Jahre an der Technischen Uni Braunschweig lehrte und zuletzt als Präsident der Universität Witten-Herdecke bekannt wurde. Seine Vorstellungen prägen die „AutoUni“. So gilt, wie in Witten-Herdecke, die Persönlichkeitsförderung als Leitthema der Ausbildung.

Das Ziel heißt nicht Volluniversität

Erst in einer dritten Phase wird sich die Hochschule für Außenstehende öffnen. Eine staatlich anerkannte private Volluniversität mit dem ganzen akademischen Studien- und Forschungsprogramm wie etwa in Witten-Herdecke strebt Zimmerli allerdings nicht an. Er will „seine“ Institution aber nicht mit einer privaten Managementschule vergleichen lassen – auch nicht mit der staatlich anerkannten Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung in Vallendar, die sich als einzige deutsche Privathochschule tatsächlich privat finanziert.

Die „AutoUni“ soll vielmehr das Hochschulangebot mit einem neuen fächerübergreifenden Profil bereichern. Dazu müssen die Studiengänge erst akkreditiert und damit überprüft werden, ob sie wissenschaftlichen Standards entsprechen. Dazu muss die Lehre überwiegend von hauptamtlichen Mitarbeitern angeboten werden. Der Bestand ist jedenfalls für die nächsten fünf Jahre gesichert. „Wenn dann eines Tages andere wissenschaftliche Hochschulen Varianten der AutoUni etablieren wollen, soll uns das recht sein“, sagt Manager Stefan Wolf.

Sicher ist: Mit diesem Schritt will der Gründungspräsident auch Zeichen auf dem kahlen Hochschulfeld des tertiären Bildungssektors setzen – ein „Modell für die notorische Schwäche der Postgraduiertenbildung in Deutschland“, meint Zimmerli. Ihre Themen wird sie sowohl aus der Wissenschaft als auch der Unternehmenswelt generieren. Zimmerli ist ehrgeizig und trifft auf eine gleichgesinnte Konzernleitung. Trotzdem wird an der „AutoUni“ nichts überstürzt. Zuerst soll eine funktionale Struktur mit flacher Hierarchie verankert werden. Das Gerüst bilden die drei transdisziplinären Fachbereiche „School of Economics and Business Management“, „School of Technology“ und „School of Humanities and Social Sciences“. Als inhaltliche Schwerpunkte sind Mobilität, Nachhaltigkeit, Gesundheit, Führung und Dienstleistung geplant. Schon wird auch an einem weltweiten Netzwerk von Partnerhochschulen geknüpft. Kontakte bestehen bereits zu etlichen Hochschulen, darunter die Technische Universität Braunschweig, die ETH Zürich, die Skoda Hochschule Prag, Stellenbosch University Südafrika und die Wharton School in Pennsylvania – die meisten sind Zimmerlis frühere Wirkungsstätten.

„Wir wollen kein Geld vom Staat“

Anders als bei der geplanten European School of Management and Technology (ESMT) in Berlin werden in Wolfsburg auf allen Ausbaustufen neue Lernstrategien entwickelt und evaluiert. Und anders als die ESMT oder die International University Bremen wird sie allein von VW finanziert nach der Devise: Wir wollen kein Geld, nur irgendwann die staatliche Anerkennung. Niedersachsens Wissenschaftsminister Thomas Oppermann (SPD) zeigt sich aufgeschlossen.

Das sind ganz neue Töne auf dem Markt privater Hochschulen. Während die Bremer Privatuniversität mit elitärem Habitus und als „Filiale ohne Petrodollar“ der texanischen Rice-University allein eine Anschubfinanzierung von 230 Millionen Mark vom Land Bremen entgegennahm und die ESMT in Berlin und München gratis Räumlichkeiten von der öffentlichen Hand erhält, will die „AutoUni“ ihre Meriten allein in der Provinz gewinnen. Das ist schwieriger – auf die Dauer aber wohl bekömmlicher. Ihr soll erspart werden, was die ESMT jetzt trifft: Die massive Kritik der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Deren Präsident, Klaus Landfried, geißelte es jüngst als „skandalös“, dass der ESMT bereits ein Promotionsrecht zugesagt wurde, noch bevor auch nur ein „valides Konzept für Lehre und Forschung“ vorliegt. Wie der Wissenschaftsrat befürwortet die HRK den Ausbau privater Hochschulen – aber in privater Finanzierung.

Genau das strebt die „AutoUni“ an. Zwischen den staatlichen Universitäten und den Corporate Universities, wie sie inzwischen Bertelsmann, Daimler-Chrysler, Lufthansa die Deutsche Bahn oder auch SAP betreiben, will Zimmerli einen dritten Weg einschlagen. „Von den staatlichen Hochschulen unterscheiden wir uns durch die unternehmensrelevanten Themen und die konsequent fächerübergreifende Ausrichtung“, erläuterte er. Und gegenüber den Corporate Universities will sich die „AutoUni“ durch wissenschaftsgestützte Lehre abheben, einschließlich der akademischen Abschlüsse. Die Herausforderung nimmt Zimmerli ganz persönlich: „Sollte das Projekt trotzdem schief gehen, muss es an mir liegen.“ Auch das ist eine Veränderung zu bisherigen Hochschulplanungen.

Ruth Kuntz-Brunner

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