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Gesundheit: Die Bachelors kommen

Absolventen mit dem neuen Abschluss werden beliebter. Aber vielen Firmen und Studenten fehlt noch das Vertrauen

Was kommt nach dem Bachelor? Diese Frage bewegt immer mehr Berliner Studierende. An der Freien Universität werden zwölf Studiengänge im Sommer erstmals mit dem Bachelor abschließen. An der Humboldt-Universität wird es Bachelorabsolventen in acht Fächern geben. Wer heute dort ein Studium beginnt, tut dies mehrheitlich im neuen System: 43 Bachelor-Studiengängen stehen 34 alte Studiengänge (Magister, Diplom, Staatsexamen) gegenüber. Bis 2010 soll die europaweite Umstellung auf Bachelor und Master abgeschlossen sein.

Bis dahin muss noch viel passieren. In vielen Studiengängen ist ungewiss, wie viele Masterplätze es geben wird und welche Hürden beim Übergang aufgestellt werden. Vor allem müssen die Unternehmen sich auf die Bachelorabsolventen einstellen. Der Bachelor soll ein berufsqualifizierender Abschluss sein. Die Wirtschaft, die lange auf jüngere, praxisnah ausgebildete Absolventen gedrängt hatte, unterstützte im Sommer 2004 den neuen Abschluss öffentlich. In der Erklärung „Bachelor welcome“ versprachen große deutsche Unternehmen: „Bachelorabsolventen erhalten attraktive Einstiegschancen.“

In Berlin haben bis jetzt jedoch nur wenige Unternehmen Erfahrungen mit Bachelorabsolventen. Deren Berufseinstieg werde häufig als Assistent oder als Sachbearbeiter erfolgen, sagt Sven Weickert, Bereichsleiter Hochschulpolitik bei den Unternehmensverbänden Berlin-Brandenburg. Die Aufstiegschancen seien gut. Ein Drittel der Absolventen, das nach dem Abschluss in die Arbeitswelt geht, würde später noch einen Masterstudiengang belegen, schätzt Weickert. Akzeptiert ist der Bachelor insbesondere dort, wo er früh eingeführt worden ist: im kaufmännischen Bereich, im Vertrieb und Marketing, quer durch alle Branchen. Die Unternehmen sähen die Uni-Bachelor auf der Ebene von Fachhochschul-Absolventen, erklärt Weickert.

In einer Umfrage unter 1000 Unternehmen im Frühjahr 2005 ermittelte das unternehmernahe Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW), Bachelor hätten in den Ingenieurwissenschaften „gute Chancen“. Mehr als 60 Prozent der befragten Unternehmen der Informations- und Kommunikationstechnik, der Energiebranche sowie des Maschinen- und Anlagenbaus gaben an, ihren Ingenieurbedarf künftig „nicht zuletzt“ durch Bachelor-Absolventen decken zu wollen – „vor allem, weil diese besonders praxisbezogen ausgebildet werden“, wie die Umfrage ergab. Gern gesehen seien die Bachelor-Ingenieure auch in den Betrieben der Bio- und Medizintechnik, im Fahrzeugbau sowie in der Elektrotechnik. Bachelorabsolventen hätten bei zwei Drittel der Unternehmen die gleichen Karrierechancen wie traditionelle Hochschulabsolventen. Die Universitätsbachelor seien im Vergleich zu den Fachhochschulbachelor, aber auch zu ihren Kommilitonen mit Diplomabschluss weit häufiger in Leitungsfunktionen tätig. Als die IHK Berlin im Jahr 2004 rund 135 Unternehmen fragte, ob „in einem Bachelorstudiengang die Qualitäten erworben werden, die Sie von Hochschulabsolventen erwarten“, antworteten nur 19 Prozent mit Nein, 59 Prozent aber mit Ja.

Probleme bestehen laut Weickert aber dort, wo es keine entsprechende Ausbildung an Fachhochschulen gibt: in den Sozial- und Geisteswissenschaften, aber auch in manchen naturwissenschaftlichen Fächern. Hier ist noch nicht klar, welche Berufsbilder die Bachelor ausfüllen können. „Da muss uns was einfallen“, sagt Sven Weickert.

Dass die neuen Abschlüsse Bachelor und Master etwa in der IT-Branche noch immer wenig bekannt sind, zeigt eine Studie der Unternehmerinitiative D21 vom Herbst 2005. Lediglich elf Prozent der befragten Unternehmen gaben an, gezielt nach Bewerbern mit Bachelor- oder Masterabschluss zu suchen. 40 Prozent bevorzugen weiterhin das Diplom. Weitere 40 Prozent halten die Frage des Abschlusses allerdings ohnehin für nebensächlich.

Sven Weickert erklärt das so: Noch bekommen Personalchefs deutlich mehr Bewerbungen mit den alten Abschlüssen und gehen auf Nummer Sicher, indem sie einstellen, was sie genau kennen. In fünf bis zehn Jahren werde sich die Situation aber komplett gewandelt haben.

Simone Grasse gehört zu den Pionieren, die den Berufseinstieg mit dem Bachelorabschluss geschafft haben. Die 27-Jährige hat in Bochum Sozialpsychologie und Italianistik studiert. Seit September arbeitet sie bei der Deutschen Bahn in der Personalentwicklung – als eine von bundesweit sieben Bachelorabsolventen im Unternehmen. Dass sie bei der Jobsuche fast ausnahmslos gegen Bewerber mit Diplom und Magister konkurriert hat, habe sie als Erschwernis empfunden, sagt Grasse. Aber es gab auch Pluspunkte: Vor dem Studium hatte sie eine Ausbildung zur Bankkauffrau absolviert. „Und nach dem kurzen, praxisbezogenen Studium war ich noch relativ jung und fühlte mich bestens auf die Berufswelt vorbereitet.“

Solange der Bachelor sich noch nicht überall durchgesetzt hat, wagen viele Absolventen den Schritt in die Berufswelt aber nicht und wollen im Anschluss den Master machen. So wie Diandra Groeschel, die Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität studiert und im Sommer ihren Bachelor machen wird: „Der Bachelor reicht auf keinen Fall, um einen Job zu finden“, glaubt sie.

Eine typische Haltung, wie eine bundesweite Absolventenbefragung des Hochschul-Informations-Systems 2004 ergab: Neun Monate nach dem Abschluss befanden sich drei Viertel der Bachelorabsolventen in einem weiteren Studium. Auch in Berlin müssen sich die Unis auf einen Andrang beim Master einstellen.

Die Humboldt-Universität gibt sich offiziell großzügig. Für jeden Bachelorabsolventen werde ein Platz im Master bereitstehen. Ob sich das angesichts knapper Kapazitäten realisieren lässt, ist aber ungewiss. In vielen Fakultäten kursiert deshalb eine zweite Variante: Für den Zugang in den Master soll ein „guter“ Bachelorabschluss notwendig sein: in der Regel eine Abschlussnote im Bereich 2,0. Im April und Mai sollen die Unigremien die Entscheidungen treffen. An den Hochschulen guckt man auch auf die Landespolitik. Das Berliner Hochschulgesetz soll noch im Sommer novelliert werden und dann auch Rahmenregelungen zum Übergang in den Master enthalten.

Bert Flemming, Wissenschaftssprecher der SPD-Fraktion, erklärt, wie eine Regelung aussehen könnte: Bei Fächern, in denen der Master notwendig ist, um einen Beruf auszuüben – etwa Lehramt oder Medizin –, soll es so viele Absolventen geben wie zuvor in den jeweiligen alten Abschlüssen. Bei den übrigen Masterstudiengängen werde sich die Übergangsquote nach den Kapazitäten der Unis richten.

Eng dürfte es besonders für die ersten Bachelor-Absolventen der Publizistik der FU werden. Wegen einer Planungspanne werden sie vermutlich zwei Semester warten müssen, bis überhaupt ein Masterstudiengang in ihrem Fach an der Uni existiert. Das aber würde bedeuten, dass die ersten Bachelorabsolventen ein Jahr warten müssten und dass sich gleich zwei Jahrgänge auf die wenigen Masterplätze stürzen würden. Dann werde mancher wohl gezwungen sein, die Berufstauglichkeit des Bachelors zu testen.

Fabian Reinbold

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