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Gesundheit: Die digitale Fabrik

Intelligente Kühlschränke, Chips im Körper – was lange als utopisch galt, wird Alltag

MENSCH TRIFFT MASCHINE – DAS JAHR DER TECHNIK 2004

Klobige Fernsehapparate werden superflach, Computerbildschirme ebenso. Die Heizung weiß von alleine, wann sie wärmen muss. Es dauert nicht mehr lange, da wissen auch die Kühlschränke, wann es Zeit ist, Nachschub vom Supermarkt zu ordern. Die Kleidung hat dann ebenfalls mehr zu tun, als nur zu wärmen. Sie kann bald per Plastikchip den Gesundheitszustand seines Trägers erkennen, etwa ob er Fieber hat. Automatisch wird der Arzt-Termin ausgemacht und die fällige Praxisgebühr überwiesen.

Nicht zuletzt das jetzige Jahr der Technik zeigt, dass heute bereits Alltag ist, was vor kurzem noch als utopisch galt. Die Mikroelektronik macht’s möglich, und über ihre neuesten Fortschritte wird man auf elektronischem Papier lesen können. Hauchdünne Displays wird es geben, die gerollt und gefaltet werden können. An solchen leuchtenden Polymeren arbeiten Forscher des Fraunhofer-Instituts in Golm bei Potsdam. Die Marktchancen sind gut. Intelligente Plastikchips, die sich einfach, etwa per Druck, aufbringen lassen, sind sowohl für den Alltag wie auch für Produkte von Maschinenbau, Telekommunikation oder Medizintechnik gefragt.

Kein Wunder, dass die „Polytronik“ zu den Innovationen gehört, die Experten der Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) als besonders wichtig für die technologische Entwicklung identifiziert haben. „Kleine Computer, die quasi per Tesastreifen biegsam und billig auf andere Produkte aufgebracht werden können, werden die Arbeits- und Lebenswelt gewaltig verändern“, sagte FhG-Präsident Hans- Jörg Bullinger in einem Interview mit „bild der wissenschaft“. Noch koste so ein Produkt zwei bis drei Euro. Wenn der Preis einmal nur 0,3 Cent betrage, dann „geht die Post ab“.

Von dem Boom wird hauptsächlich die Region profitieren, in der die Technologie entwickelt und ausgebaut wird. Das Paradebeispiel ist das kalifornische Silicon Valley. Doch auch in Deutschland gibt es vielversprechende Regionen. Bullinger nennt die Biomedizin im Raum Heidelberg/Mannheim, die Logistik um Dortmund und die Mikroelektronik bei Dresden.

Doch auch die Fraunhofer-Gesellschaft hat sich mit der Lasertechnik einen zukunftsträchtigen Schwerpunkt aufgebaut. Potenzial ist vorhanden, schließlich ist die Forschungsorganisation mit 58 Instituten und rund 12500 Mitarbeitern nach dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) bei Boston die weltweit zweitgrößte Einrichtung auf dem Gebiet der angewandten Forschung. „Fast alle führenden Unternehmen im Maschinenbau bauen auf unseren Laser-Entwicklungen auf“, sagt Bullinger.

Sicherlich gehört auch die Automobilindustrie dazu, die von Erfindungen deutscher Ingenieure vorangetrieben wurde. Und heute noch ist die Region, in der Gottlieb Daimler und Carl Benz vor rund 120 Jahren die ersten Autos fahren ließen, von dieser Industrie geprägt.

In der Region Stuttgart, die von der Europäischen Kommission als der führende europäische High-Tech-Standort ausgezeichnet wurde, hängt fast jeder sechste Arbeitsplatz vom Fahrzeugbau ab.

Auch das Bundesforschungsministerium bescheinigt der Automobilbranche die höchste Innovationskraft für die deutsche Wirtschaft. Entwicklungen wie das Anti-Blockier-System ABS oder das elektronische Stabilitätsprogramm ESP sprechen dafür. Der zunehmende Einbau von Mikroelektronik soll helfen, der Vision vom „unfallfreien Fahren“ näher zu kommen. Extrem schadstoffarme Designer-Kraftstoffe oder der Antrieb per Brennstoffzelle sollen wachsenden ökologischen Anforderungen genügen.

Nicht nur der Autoproduktion kommen die Projekte zu Gute, die am Berliner Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK) durchgeführt werden. „Wir arbeiten an der digitalen Fabrik“, sagt der Geschäftsführende Direktor Eckart Uhlmann. Speziell geht es darum, für die im Computer entwickelten Bauteile die Wirkung auf den Menschen zu testen. Wie leicht lässt sich ein Lenkrad bewegen, wie eng ist der Einstieg in das Fahrzeug? Uhlmann spricht von Kraft-Rückkopplungs-Geräten, die auch für die Medizintechnik wichtig sind. So soll es der Chirurg, der per Joystick operiert, an einem Widerstand merken, falls er einen schädlichen Schnitt machen will. Die Entwicklungen des IPK, das mit der TU Berlin zusammenarbeitet, haben sich für die Region Berlin schon positiv ausgewirkt. „Wir hatten in den letzten 20 Jahren rund 40 Ausgründungen“, sagt Uhlmann. Rund 2000 Arbeitsplätze wurden geschaffen.

Paul Janositz

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