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Gesundheit: Die Erde allein im All - Gute PR der Planetenjäger (Gastkommentar)

Dem Menschen wohnt offenbar eine Ahnung inne, dass die ihm bekannte Welt nicht die einzige sein kann. Vor 35 000 Jahren verließ der Homo sapiens seine afrikanische Heimat und zog nach Norden, wo er einer eiszeitkalten Welt mit Höhlenbären, Mammuts und Neandertalern begegnete.

Dem Menschen wohnt offenbar eine Ahnung inne, dass die ihm bekannte Welt nicht die einzige sein kann. Vor 35 000 Jahren verließ der Homo sapiens seine afrikanische Heimat und zog nach Norden, wo er einer eiszeitkalten Welt mit Höhlenbären, Mammuts und Neandertalern begegnete. Im vierten vorchristlichen Jahrhundert philosophierte Epikur, dass es zur bekannten Welt unendlich viele, parallel existierende Welten geben müsse - einige davon wurden von Columbus und anderen Weltensuchern später tatsächlich entdeckt.

Zwei moderne Nachkommen der Seefahrer und Eroberer von damals präsentierten sich Ende März auf einer Pressekonferenz der NASA: Geoffrey Marcy von der Universität in Berkeley und Paul Butler vom Carnegie-Institut in Washington. Ihr Beruf: Planetenjäger. Ihre Beute: zwei "extrasolare" Planeten außerhalb unseres Sonnensystems, die mit 65 bzw. 75 Erdmassen nicht ganz so groß wie Saturn, also relativ klein und daher "erdähnlich" sind. Spektakuläre Schlussfolgerung: In den unendlichen Weiten des Weltraums existiert eine Vielzahl von Planetenwelten, auf denen Lebensbedingungen wie auf der Erde herrschen.

Seit 1995 im Sternbild Pegasus der erste extrasolare Planet entdeckt wurde, wird mit immer ausgefeilteren Methoden nach den mutmaßlichen Heimaten der "E.T."s gefahndet. Bisher wurden rund 30 dieser Lichtjahre entfernten Planeten entdeckt, 21 gehen auf das Konto des Marcy-Butler-Teams. Jedesmal wird eine Pressekonferenz einberufen. Jedesmal wird erklärt, man sei der Entdeckung von Leben im All ein Stück näher gekommen. Tatsächlich sind die Weltraumforscher von der Entdeckung erdähnlicher Himmelskörper so weit entfernt wie Columbus von der Westpassage nach Indien.

Da Planeten nicht selbst leuchten, kann man sie nur indirekt nachweisen: durch eine minimale Wackelbewegung ihres Sternes, die bei der Umkreisung durch den Einfluss der Schwerkraft entsteht. Aufgrund dieses methodischen Handicaps wurden bisher nur Planeten gefunden, die besonders groß sind und besonders eng um ihr Zentralgestirn kreisen: Riesige Gasbälle von mehrfacher Größe des Jupiter, dem Giganten unseres Sonnensystems mit 318 Erdmassen. Sie kommen ihrem Stern so nahe, dass auf der lebensfeindlichen Oberfläche mehrere tausend Grad Celsius herrschen. Darüber hinaus verhindern sie durch ihre enorme Schwerkraft, dass andere Planeten in der für Leben geeigneten Temperaturzone kreisen. Bei den bisher entdeckten Planetensystemen steht daher zumindest eines fest: Sie sind leblos wie Mondstaub.

Planetenjäger Marcy verkauft die Methodenblindheit jedoch kurzerhand als Beleg für seine These: Da nur fünf Prozent der untersuchten Sterne Riesenplaneten auf engen Umlaufbahnen haben, könnte bei den restlichen 95 Prozent doch Leben existieren - gut Verkaufen ist eben alles, auch in der Wissenschaft. Da stellt sich so manche Erfolgsmeldung später als planetare Ente heraus: Das im Mai 1998 präsentierte, angeblich erste Foto von einem extrasolaren Planeten entpuppte sich später als Lichtreflex eines Hintergrundsterns. Ein Irrtum war auch die gefeierte Entdeckung eines erdgroßen Planeten, den der "Spiegel" im Mai vergangenen Jahres bereits als "Zwillingsschwester der Erde" identifiziert hatte.

Mit ihren voreiligen Meldungen über Hinweise auf extraterrestrisches Leben schicken sich die Astronomen an, das dubiose Erbe der Ufo-Forscher anzutreten. Dabei darf bezweifelt werden, ob die rätselhaft ersehnte Begegnung der dritten Art so friedlich wie mit dem Hollywood-Alien "E.T." verliefe: Nach neueren Erkenntnissen löschte der Homo sapiens innerhalb kürzester Zeit nicht nur den Neandertaler, sondern auch die Höhlenbären, Mammuts und einige hundert andere Tierarten aus.Der Autor ist Direktor des Institutes für Medizinische Mikrobiologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Alexander S. Kekulé

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