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Gesundheit: Die goldene Fontäne

Urin – Heilmittel oder Humbug?

Bei dem Gedanken, den eigenen Urin trinken zu müssen, dürfte sich vielen der Magen umdrehen. Und dennoch gibt es Menschen, die auf dieses „Hausmittel“ schwören. Sie nehmen es morgens, wenn es frisch und warm ist. Oder auf einem Teelöffel mit etwas Wasser, mehrmals am Tag. Andere reiben sich mit Urin ein, gurgeln mit dem gelben Saft, machen sich Einläufe oder lassen sich keimfrei gemachten Harn in den Muskel spritzen.

Der Fantasie bei der Behandlung mit Eigenurin sind keine Grenzen gesetzt, ebenso wenig wie den Behauptungen über Heilwirkungen. Von Allergien bis zu Warzen, von Lungenentzündung bis Diabetes reicht das Spektrum. Es gibt eigentlich nichts, was durch das eigene Pipi nicht geheilt werden kann, glaubt man den Harntherapeuten.

Die „Harnschlecker“ – so nannte man im Mittelalter die Urintrinker – können sich auf eine Jahrtausende alte Tradition berufen, die vermutlich auf religiöse Riten der Hindu zurückgeht. Es könnte sein, dass Urin deshalb als besonderer Saft galt, weil er den Körper über jene Organe verlässt, die auch beim Sex benutzt werden. Vielleicht war man der Ansicht, dass das Trinken des Harns sexuelle Energie verlieh. Moderne Theorien gehen eher davon aus, dass der Urin einen heilsamen „Reiz“ für den Körper darstellt.

In Deutschland machte die WDR-Journalistin Carmen Thomas mit ihrem 1993 erschiennen Buch „Ein ganz besonderer Saft“ die Urinbehandlung populär – soweit man das bei diesem heiklen Thema überhaupt sagen kann. Denn selbst ein Werk wie „Die goldene Fontäne“ des Urin-Therapeuten Coen van der Kroon brachte bei aller Emphase nicht den ganz großen Durchbruch. Wer Harn trinkt, tut dies auch heute noch im Verborgenen.

Medizinisch gesehen ist Urin Bio-Müll. Ein stark wässriges Abfallprodukt, das von den Nieren aus dem Blut herausgefiltert wird und das neben Salzen vor allem Stickstoffverbindungen enthält – allen voran Harnstoff, das Endprodukt des Eiweißstoffwechsels. Urin ist in aller Regel ungiftig, sein „Genuss“ vielleicht eklig, aber harmlos.

Und wie steht es um die medizinischen Erfolge? „Niemals wurde mit Urin nachweislich ein Mensch geheilt“, sagt Walter Zidek, Nierenexperte an der Berliner Charité, Campus Franklin. Für die behaupteten Heilungen gibt es keine stichhaltigen Belege. Aber manchmal versetzt ja auch der Glaube Berge. Oder ein kleines Rinnsal.

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