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Gesundheit: Die Gummitapete als Staubschutz

Kunst ist nicht nur Farbe auf Leinwand. Kunst ist Foto, Film und Video.

Kunst ist nicht nur Farbe auf Leinwand. Kunst ist Foto, Film und Video. Und immer mehr Computer. Ist Musik. Ist Schauspiel auf der Bühne. Kunst ist auch Märchenerzählen, wie die Theaterpädagogen auf dem „Rundgang 2002" der Universität der Künste (UdK) am vergangenen Wochenende zeigten. Und auch die tapferen Schneiderlein machen Kunst: Ein Kleid ist ein Kleid ist ein Kleid? Das gilt schon lange nicht mehr.

Die Entwürfe der Textilgestalter gehen weit über das enge Kleiderverständnis des Normalbürgers hinaus. Da ist ein weißes Gewand zu bewundern, das aussieht wie eine klassische Stola. Der „Stretchraum" läßt aufmerken - und tatsächlich, die Fotos neben dem Objekt zeigen, dass der Name ganz wörtlich zu nehmen ist: Bis zu vier Personen können sich dieses dehnbare Kleid anziehen. Zugleich, wohlgemerkt. Ein anderes Modell heißt „Ballroom". Lang und schwarz wallt es herab. Man kann es als Ballkleid tragen, wenn man es weit genug rafft. Und wenn der Ball zu Ende ist, hängt man es mit den Trägern an einen Baum und zieht das weich hinunterfallende Unterteil als Zelt über den müden Körper. Das Kleid als Schlafraum? Kein Zweifel, der Trend geht hin zur Verbindung von Kleid und Architektur - und wir fragen uns: Wann kommt das Stein-Kleid mit Kamin?

Einige Textildesigner haben das Kleidersystem gänzlich hinter sich gelassen und wenden sich der Wandgestaltung zu. So hat Moja Kuznik die „be-elastic"-Wandbespannung entworfen, ein gummiartiges Tapeten-Tuch, das die Dinge, die normalerweise vor der Wand im Regal stehen, hinter seine Oberfläche zieht, quasi verschluckt. Diese ungewöhnliche Tapete zieht sich über jeden Krimskrams, so dass von den Gegenständen nur noch Ausstülpungen übrigbleiben und die Wand zum geheimnisvollen Relief wird. Vielleicht etwas unpraktisch, wenn man die Dinge wieder hervorholen möchte, aber dafür auch ein unübertroffener Staubschutz.

Vielfalt und Interdisziplinarität - darin sieht die UdK ihre Stärken. Und die Rechnung geht offenbar auf; im vergangenen Jahr hat die UdK mehr als 100 Preise abgeräumt, wie ihr Präsident Lothar Romain verkündet. Und auch in den Rankings Spitzenpositionen. Kaum arbeitslose Absolventen, sagt Romain. Eine Universität, die im „friedlichen Wettstreit" mit den anderen Berliner Kunsthochschulen zu einer „vorbildlichen Kunsthochschullandschaft" beiträgt.

Der jährlich stattfindende Rundgang ist auch stets mit einer Schau der Meisterschüler verbunden, die ihre Arbeiten im Erdgeschoss des Hauptgebäudes präsentieren. Was liefern die Jahrgangsbesten? Einen neuen Stil womöglich? Oder wenigstens einen Trend? Nein, es ist das - im besten Sinne - gewohnte Vielerlei: fotorealistische Malerei von Frank Schäpel, großflächige Farbräume von Gregor Hildebrand oder Blüten-Bleistiftzeichnungen von Cosima Jentzsch. Einen Trend kann auch Kilian Seyfried, künstlerisch-wissenschaftlicher Mitarbeiter, nicht erkennen. Alles hat seinen Platz im Mutterschiff UdK. Generell aber sei zu beobachten, dass sich „die Trennung zwischen den Disziplinen mehr und mehr aufhebt". Jede Disziplin bediene sich frei der Techniken ihrer Nachbardisziplin. Die Malerei nutze Fotografie und umgekehrt. „Das Schablonendenken gehört der Vergangenheit an."

Neben den spaßig-ironischen Arbeiten von Mita Ackerdie sich nicht scheut, das Poster eines Zwergkaninchens auszustellen und auch ein Schultafel-Gedicht zitiert ("Nie verlerne so zu lachen/Wie Du jetzt lachst froh und frei,"), fällt bei den Arbeiten von Christoph Klose sofort die große Ernsthaftigkeit ins Auge. Der Künstler hat seinen grau und erdfarben grundierten Leinwänden beinahe durchscheinende Figuren, manchmal nur Schraffuren aufgetragen. Sitzende Gestalten, stille Gebärden wie durch Nebel betrachtet. Schwerelos und doch erdenschwer.

Für einige dürfte sich das Gesamtkunstwerk „Rundgang" auch finanziell lohnen. Gelegenheitskäufer können ihr Spürnäschen ansetzen und günstig Kunst erwerben. Deshalb notieren auch viele Künstler ihre Telefonnummern, zum Teil mit E-Mail-Adresse, neben den Werken. Manche bieten sogar Visitenkarten zum Mitnehmen an. Nach dem Motto: Verkaufen kann nur, wer erreichbar ist. Einige wenige aber kritzeln noch mit Bleistift eine einsame Telefonnummer neben ihr Bild. Das sind die Unzeitgemäßen, die noch nicht das Marketing entdeckt haben. Aber auch die muss es geben. Und die wird es noch lange geben. Hoffentlich. Tom Heithoff

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