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Gesundheit: Die Humboldt-Uni: Lesen wie bei Oma am Küchentisch

Wer die Bibliothek der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an der Spandauer Straße betritt, fühlt sich ins 18. Jahrhundert zurückversetzt.

Wer die Bibliothek der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an der Spandauer Straße betritt, fühlt sich ins 18. Jahrhundert zurückversetzt. Voll gepropfte Regale drängen sich in dunklen Räumen, der Zeitschriftenlesesaal erinnert an ein großes Klassenzimmer. Nur die Computer am Eingang und die zwei Kopierer in einem abgeteilten Raum verweisen auf die Gegenwart. "Meistens sind die Kopierer allerdings von den Lehrkräften blockiert", klagt Alex Herrmann, Student an der WiWi-Fakultät. Andere Leser wünschen sich längere Öffnungszeiten. Aber das Geld für Bücher und Mitarbeiter ist knapp, wie ein Aushang am schwarzen Brett bedauert. So bleibt es bei den bisherigen Lesezeiten: wochentags von 9 bis 19 Uhr, freitags nur bis 14 Uhr.

Die Jura-Bibliothek in der "Kommode" am Bebelplatz erstreckt sich großzügig über zwei Etagen und ist mit 430 Leseplätzen, darunter viele Laptopplätze, und acht Kopierern die größte Bibliothek an der Humboldt-Uni. Auch die Öffnungszeiten sind großzügig: Hier trifft man montags bis freitags von 9 bis 21 Uhr 30 und samstags von 9 bis 16 Uhr büffelnde Studenten an. Nachmittags kann es während der Vorlesungszeit schon mal eng werden, aber eigentlich findet jeder einen Platz. Die Mitarbeiter gelten als freundlich und kompetent: "Die sind richtig fit", lobt Matthias Brinkmann, Jura-Student im achten Semester. Dafür lässt das Drumherum so manchen Wunsch offen: Im Gebäude steht, zwei Etagen tiefer, lediglich ein Kaffeeautomat, und bei dringenden Bedürfnissen sieht es ganz schlecht aus: "Pünktlich ab halb vier gibt es in den Toiletten kein Papier mehr", weiß Studentin Annett Reichelt zu berichten. Ein weiterer Mangel: Weil es keine Gardrobenschränke gibt, schleppen die Nutzer ihre Taschen mit in die Bibliothek hinein. Anderswo ahndet das Personal das mit strengen Blicken.

Wie zum Beispiel die wachsamen Mitarbeiter der Zweigbibliothek Geschichte im Hauptgebäude Unter den Linden. Hat man deren Kontrolle passiert, begrüßt einen ein frisch renovierter Raum mit vielen neuen Rechnern, dahinter wartet ein ebenfalls sehr heller Lesesaal. Erst die hinteren Räume verströmen die dem Fach angemessene historische Atmosphäre. An den großen dunklen Tischen zwischen großen dunklen Regalen findet man allerdings nicht immer auf Anhieb einen Platz. Wegen der Enge schweift der Blick schnell auf des Nachbarn Bücherstapel.

Auch der stark frequentierte Gang mitten durch das Zimmer, der in die weiteren Räume führt, verleitet mehr zur Suche nach bekannten Gesichtern als zum Lesen. Und in dem kleinen Kopierraum mit den drei Geräten müssen die Leser am Nachmittag auch mal Schlange stehen. Geöffnet ist die Bibliothek montags bis donnerstags von 9 bis 21 Uhr (an jedem ersten Montag im Monat erst ab zwölf Uhr) und freitags von 9 bis 18 Uhr. Ebenfalls im Hauptgebäude befindet sich die kleine Bibliothek der Klassischen Philologen, wo man lediglich an dem Zustand mancher Buchexemplare erkennt, dass es hier um die Antike geht.

Wer klassisches Flair mag, sollte lieber die Bibliothek für Mathematik besuchen. Meterhohe Regale zieren die Wände, so dass die Nutzer in manchen Fällen auf nicht gerade Vertrauen erweckende Leitern zurückgreifen müssen. Am Eingang warnt ein lateinischer Sinnspruch vor Dieben. Die Bibliothek ist montags bis donnerstags 9 bis 19 Uhr und freitags 9 bis 16 Uhr geöffnet.

Vor ungefähr einem Jahr sind die Bibliotheken aller modernen Fremdsprachen (außer der Anglistik) und des Sprachenzentrums im August-Boeckh-Haus gemeinsam in die Dorotheenstraße 65 gezogen (geöffnet montags bis freitags von 9 bis 20 Uhr). Auf zwei Etagen verteilen sich 195 Leseplätze und sechs Kopierer. Verschiedenfarbige Regale kennzeichnen die unterschiedlichen Sprachen - eine kleine bunte Auflockerung im manchmal tristen Bibliotheksalltag. In den Lesebereichen ist es sehr ruhig, und auch der Ausblick auf triste Baustellen lenkt nicht von der Lektüre ab. Hier kann also effektiv gelernt werden. Für die Pausen gibt es vor der Bibliothek eine kleine Sitzecke mit Kaffee- und Süßigkeitenautomaten.

Familiäre Umgebung

Die Hauptbibliothek der medizinischen Fakultät liegt in der Luisenstraße 58/59. Über eine beeindruckende breite Treppe erreicht man den relativ versteckt liegenden Zeitschriftenlesesaal mit seinen 30 Leseplätzen, die in fünf Tischgruppen eingeteilt sind. Eine große Grünpflanze versucht, die klinisch-nüchterne Atmosphäre aufzulockern. Ganz anders dagegen der Lesesaal im anderen Flügel des Stockwerks. Versteckten sich an den Tischen mit den 18 Plätzen nicht ein paar Studenten hinter ihren Büchern, und stünde nicht ein brummender Kopierer in der Ecke, könnte man sich fast wie bei Oma am Küchentisch fühlen, das Mobiliar und die holzvertäfelten Wände schaffen jedenfalls eine familiäre Umgebung zum Lernen. Im Hinblick auf die Lage in Berlin-Mitte eigentlich überflüssig zu erwähnen ist, dass Baustellenlärm durchs Fenster dringt.

Wenig lohnt sich ein Abstecher in die Universitätsbibliothek, wenn man nicht gerade Bücher von hier braucht. Hat man den schlecht ausgeschilderten Weg schließlich gefunden, erwartet einen ein dunkler enger Raum (montags bis freitags von 9 bis 21 Uhr und samstags von 9 bis 13 Uhr). Wegen Umbauarbeiten kann es zu Lärm kommen.

Besucher der Bibliotheken sollten stets passendes Kleingeld für den Garderobenschrank und die Kopierer parat halten. Letzterer lässt sich zwar inzwischen auch mit einer Karte füttern, doch die können die Leserleider nur an wenigen Orten kaufen und das auch nur, wenn sie zufälligerweise 10 Mark 50 passend in der Tasche haben.Bereits gelaufen: Probesitzen in der Bibliothek der Technischen und der Freien Universität (4. und 15. Januar).

Dorothee Lüke

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