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Gesundheit: Die Kometenjägerin - Vor 250 Jahren wurde die außergewöhnliche Astronomin in Hannover geboren

Im Jahre 1781 versetzte ein neuer Planet die Welt in helle Aufregung: Uranus. Der Entdecker des Himmelskörpers war der Musiker Wilhelm Herschel, der buchstäblich über Nacht ein weltberühmter Mann wurde.

Im Jahre 1781 versetzte ein neuer Planet die Welt in helle Aufregung: Uranus. Der Entdecker des Himmelskörpers war der Musiker Wilhelm Herschel, der buchstäblich über Nacht ein weltberühmter Mann wurde. Noch war von seiner Schwester Caroline nicht die Rede. Erst ein halbes Jahrhundert später sollte sie als "erster weiblicher Astronom" in die Reihen großer Wissenschaftler aufgenommen werden.

Caroline Herschel wurde vor 250 Jahren, am 16. März 1750, geboren. Sie war das zweitjüngste Mädchen neben vier talentierten Söhnen des Hofmusikers Isaak Herschel. 1757, gleich im ersten Jahr des siebenjährigen Krieges, flohen Carolines Brüder Wilhelm und Jakob vor der drohenden Einberufung nach England. Isaak Herschel starb an den Krankheiten, die er sich als Militärmusiker im Feld zuzog.

Die 17-jährige Tochter stand nun ganz unter der Fuchtel der Mutter. "Sie hatte beschlossen, dass ich ein roher Klotz sei und auch bleiben sollte, allerdings ein nützlicher." Zwar hatte Caroline die Garnisonsschule besuchen und Lesen und Schreiben lernen dürfen, aber ihr sehnlicher Wunsch nach einer "höheren Bildung" passte der Mutter nicht ins Konzept. Haushaltstalente wie Stickerei waren erwünscht.

Wie der Märchenprinz persönlich muss der zwölf Jahre ältere Bruder Wilhelm eines Tages in Hannover aufgekreuzt sein, um die kleine Schwester zu sich nach England zu holen. Caroline sollte endlich eine vernünftige Ausbildung als Sängerin erhalten. Die Mutter widersetzte sich, wurde zum Nachgeben gezwungen.

Wilhelm Herschel hatte sich in dem mondänen englischen Kurort Bath eine angesehene Stellung als Organist, Komponist und Dirigent erarbeitet. Der Anfang in dem fremden Land war hart für das 22-jährige Mädchen: Englisch lernen, Haushalt besorgen, Haushaltsbücher führen, Chor- und Orchesterstimmen ausschreiben, Partituren kopieren und Teleskopspiegel schleifen und polieren. Wilhelm machte eigene Versuche in der Konstruktion von Teleskopen, um die Geheimnisse des Universums zu erforschen.

Zum Entsetzen von Caroline verwandelte Wilhelm das schöne Haus in eine Werkstatt, wo Rohre gegossen, Spiegel geschliffen und Stative gebastelt wurden. Der Umzug in ein Haus mit Garten wurde erforderlich, weil sternklare Nächte für Wilhelms "Himmelsdurchmusterungen" herhalten mussten, wobei Caroline, am Fuß des Teleskops sitzend, die ihr zugeschriebenen Beobachtungen genau notierte. "Ich war bloßes Werkzeug, das er in Ermangelung eines besseren mit Mühe schärfte und für seine Zwecke tauglich machte."

Die astronomische Arbeit war nicht ungefährlich: Wilhelm wurde fast von der gusseisernen Form für einen Spiegel erschlagen, einmal brach das Gerüst des Teleskops im Sturm über ihm zusammen; Caroline stolperte in der Dunkelheit so unglücklich in die Maschinerie, dass ihr zwei Lot Fleisch aus dem Oberschenkel gerissen wurden.

Und dann kam die Nacht der Nächte: drei Tage vor Carolines 31. Geburtstag, am 13. März 1781, drang das von Herschel konstruierte Teleskop mit einem Sieben-Fuß-Reflektor zu einem Himmelsobjekt vor, das nie ein Mensch zuvor gesehen hatte. Es ist kein Komet. Es ist ein Planet: Uranus. Ohne Carolines Notizen wäre der Beweis für die Richtigkeit der Erkenntnis in der zweifelnden astronomischen Fachwelt nicht zu erhärten gewesen. Der König Georg III. von England beordert Herschel samt Teleskop zu sich, um sich persönlich von der Existenz des neuen Planeten zu überzeugen. Herschel und seine Mitarbeiterin Caroline werden zu königlichen Astronomen ernannt.

Caroline hatte mit ihrer schönen Stimme gerade die ersten Erfolge als Konzertsängerin gefeiert. Doch als Wilhelm entschied, sein Musikinstrument aufzugeben, um sich ganz der Forschung zu widmen, ließ sie ihn nicht im Stich und siedelte mit ihn in die Nähe von Windsor um. Der König gewährte für die weitere Himmelserforschung eine ansehnliche Finanzierung.

Herschel machte sich nun in dreijähriger Bauzeit an die Konstruktion eines Riesenteleskops, mit einem 18 Meter hohen und zwölf Meter breiten Stativ, einer zehn Zentner schweren Spiegelscheibe und einem Rohr von zwölf Metern Länge. Doch das riesige Teleskop, das hoch über die Dächer von Slough hinausragte, brachte durch Unhandlichkeit und Rost auf die Dauer nicht die erhofften Ergebnisse.

Caroline hatte sich neben ihrer Inanspruchnahme beim Bau einen eigenen Arbeitsplatz auf dem Dach des Hauses errichtet. Nacht für Nacht äugte sie in nicht gerade idyllischer Dunkelheit und Kälte, völlig allein mit ihrem Kometensucher in die Tiefe des Weltalls. Kometen sind für den Astronomen von besonderem Interesse, da die Objekte vom äußersten unbekannten Rand des Sonnensystem kommen und so geisterhaft, wie sie erscheinen, wieder verschwinden.

Am 2. August 1786 teilte Caroline der Royal Society mit: "Letzten Abend erblickte ich ein Objekt, das sich, glaube ich, morgen Nacht als Komet ausweisen wird." Es folgte eine präzise Ortsbestimmung und Definition ihres Newtonschen Kometensuchers. Das Objekt ist ein Komet. In den nächsten neun Jahren spürte Caroline sieben weitere Kometen auf, bis sie als fast 50-jährige Frau die harte Nachtarbeit einstellte. 62 Kometen wurden im 18. Jahrhundert entdeckt, acht davon - von Caroline.

Sieben neue Kometen

Zwischen Planeten, Kometen, Doppelsternen und Nebelhaufen tauchte plötzlich im Jahre 1788 eine sehr irdische Erscheinung auf. Wilhelm Herschel heiratete in seinem 50. Lebensjahr die junge Mary Pitt. Am Hochzeitstag vollendete Caroline gerade noch einen zweiten Katalog mit 1000 neu gefundenen Nebulae, um dann, wohl nicht wenig eifersüchtig und gekränkt, den Platz an der Seite ihres Bruders zu räumen. Sie zog in eine eigene Wohnung, ohne aber Wilhelm die nun schon 16 Jahre andauernde Zusammenarbeit aufzukündigen. Sie arbeitete weiter im Observatorium und seiner Bibliothek.

Sie ordnete das angesammelte Material, rechnete die Beobachtungsergebnisse nach, fertigte Tabellen und Register an und schrieb die Berichte für die Royal Society in Reinschrift ab. Es sind 69 Abhandlungen, in denen Herschel den "Bau des Himmels" auszuloten versucht und die allein unter seinem Namen der Royal Society vorgelegt werden. Sie veschafften Herschel ungeheures Ansehen. "Wenn ich sagen würde, dass ich alle Werke meines Bruders publiziert habe, würde es ja doch niemand glauben", schrieb Caroline etwas grimmig in ihren im Alter verfassten Memoiren.

Als Wilhelm Herschel im August 1822 starb, sah Caroline ihre Lebensaufgabe offensichtlich als beendet an. Es war ein fataler Entschluss, der sie Hals über Kopf in ihre Geburtsstadt Hannover zurückkehren ließ. Nach dem Leben, das sie im Schatten eines so genialen Mannes wie Herschel geführt hat, kamen 25 Jahre voller Verdruss, Reue und Langeweile auf sie zu. Ihre einzige Befriedigung bestand darin, dass sie mit 75 Jahren noch ihren "Zonenkatalog" fertig stellen konnte, die Erfassung aller von ihrem Bruder entdeckten Nebel und Sternhaufen aus acht Bänden Manuskript, die sie aus England mitgeschleppt hatte.

Vergessen ist Caroline nicht. Im Jahre 1835 wurde sie zum Ehrenmitglied der Royal Astronomical Society ernannt, die Sternwarte Dublin ehrte sie mit einer Medaille. Namhafte Astronomen lohnten ihre Forschungsergebnisse mit Dankesschreiben, denn schließlich hat sie das astronomische Standardwerk, den Flamstedtschen Himmelsatlas, um 561 neu entdeckte Sterne ergänzt. Alexander von Humboldt und der Herzog von Cambridge machten der großen alten Dame, die infolge einer Typhuserkrankung nur einen Meter vierzig groß geworden ist, ihre Aufwartung. In ihrem 86. Lebensjahr wurde sie von der Preußischen Akademie der Wissenschaften mit der goldenen Medaille bedacht. Das waren außergewöhnliche Würdigungen für eine Frau in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Dennoch wehrte Caroline ab: "Wer zu viel von mir sagt, sagt zu wenig von meinem Bruder." Er war wohl ihre einzige große Liebe. Caroline Herrschel starb im hohen Alter von fast 98 Jahren.In der Reihe "Feature unterm Sternenhimmel" präsentieren die Wilhelm-Foerster-Sternwarte und Radio Kultur heute das dokumentarische Hörspiel "Die Sternguckerin - Leben und Werk der Astronomin Caroline Herschel". Die Veranstaltung beginnt um 20 Uhr im Planetarium am Insulaner, Munsterdamm 90, 12169 Berlin

Christiane Helle

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