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Gesundheit: Die Kraft der inneren Ruhe

Meditation wird immer populärer. Es gibt viele Methoden, manche sind esoterisch, andere seriös Ein Allheilmittel sind sie nicht, aber sie können helfen, mit Stress oder Krankheit besser umzugehen.

Einatmen, ausatmen. Die Augen sind geschlossen, der Blick richtet sich auf die Lücke zwischen den Gedanken, in die Leere. Auf das Sein. Die Alltagssorgen interessieren jetzt nicht. Dann: eine innere Ruhe, Frieden, Entspannung. Meditation, das ist etwas für Esoteriker und Ökomuttis, hat man früher gesagt. Heute ist das anders. Selbst Ärzte setzen auf diese Technik zur Behandlung bestimmter Patienten. Madonna macht es, Richard Gere auch und Nena sowieso. Mittlerweile ist Meditation in der Mitte der Gesellschaft angekommen, auch Manager setzen sich auf eine Matte, legen die Hände auf die Knie und hören in sich rein. „Meditation dient nicht nur der Entspannung, es ist auch eine Methode, um mehr eins mit sich zu werden, authentischer und freier zu werden“, sagt der Psychologe Ulrich Ott, der an der Universität Gießen die Wirkung von Meditation erforscht.

Zu den bekanntesten Verfahren gehört die Achtsamkeitsmeditation, die ohne Esoterik und Religion auskommt. Verwurzelt ist sie im Buddhismus, der Medizinprofessor Jon Kabat-Zinn entwickelte in den siebziger Jahren an der University of Massachusetts die westliche Variante Mindfulness-Based Stress Reduction, kurz MBSR. Übersetzen lässt sich das mit „Stessbewältigung durch Achtsamkeit“. In einem achtwöchigen Training lernen die Schüler, gelassener mit Sorgen, Ängsten, Stress und Emotionen umzugehen. Es geht darum, einen Zustand zwar zu bemerken, ihn aber nicht zu bewerten – und so eine Distanz zu schaffen. Wie ein bewusstes Innehalten zwischen Reiz und Reaktion. Damit man nicht mehr sofort in Panik verfällt vor einer Präsentation vor den Kollegen. Oder sich von Versagensängsten lähmen lässt.

Um Meditation ist ein Hype entstanden – Menschen suchen ein Ventil für ihr stressiges Leben, in dem sie von Termin zu Termin hetzen und dank Smartphone oder Internet für den Chef ständig erreichbar sind. Es ist die Suche nach einer Zeit zum Innehalten. „Der Bedarf ist groß, wie sich an den vielen Berichten zum Thema Burn-out und den Statistiken der Krankenkassen ablesen lässt“, sagt Psychologe Ott.

Auch Krankenkassen sind mittlerweile offen gegenüber Achtsamkeitsmeditationen und bezuschussen MBSR-Kurse, seitdem Studien die positiven Effekte belegen. Einige Psychotherapeuten und Ärzte wenden die Methode ebenfalls an. „Die Übung besteht darin, alles was in einem auftaucht, wahrzunehmen und anzuschauen, ohne es zu bewerten. Das kann auch sehr hilfreich bei einer Psychotherapie sein“, sagt Günter Hudasch. Er ist der Vorsitzende des MBSR-MBCT-Verbands in Berlin. „Viele Menschen suchen Hilfe bei der Stressbewältigung und Wege zu mehr Ruhe und Gelassenheit im Alltag“, sagt er. Der Verband kombiniert die Kernelemente der Achtsamkeitslehre mit Techniken der kognitiven Verhaltenstherapie (MBCT steht für Mindfulness-Based Cognitive Therapy).

Hudasch, der als Organisationsberater arbeitet und durch eigenen Stress zur MBSR gekommen ist, bietet selbst Achtsamkeitstrainings in Unternehmen an. „Der Bedarf ist da, Depression ist eine Zivilisationskrankheit geworden, Burn-out ist nichts anderes als eine Erschöpfungsdepression“, sagt er. Die Vorteile sind für Hudasch eindeutig: Bei regelmäßiger Praxis könnten durch Achtsamkeitsmeditation der Blutdruck sinken oder Rückfälle in eine Depression verhindert werden. Dennoch betrachtet er den Hype um Meditation kritisch: „Es ist kein Allheilmittel. Eine körperliche Einschränkung, ein chronischer Schmerz oder ein Schicksalsschlag verschwinden nicht“. Die Meditation könne aber helfen, sich nicht mehr auf das Leid oder den Schmerz zu fixieren sondern einen Weg zu finden das zu akzeptieren, was unabänderlich ist, und trotzdem Freude zu empfinden. „DieÜbungen besitzen eine große Kraft. Es gibt aber keine ganz so einfache Beziehung zwischen Anwendung und Wirkung wie bei einer Tablette.“

Es gibt viele verschiedene Methoden, und nicht wenige von ihnen driften ins Esoterische ab. Unzählige Ratgeberbücher drängen auf den Markt, immer wieder tauchen Studien auf, deren Objektivität bezweifelt wird. Manche Autoren oder Trainer behaupten, Meditation würde bei chronischen Krankheiten, Schmerzen oder Krebs helfen. Doch belegt ist bisher nur, dass sie den Umgang mit einer Krankheit verbessern kann – nicht, dass sie direkte medizinische Auswirkungen hat. „Meditation führt eine tiefe Entspannung herbei, die prinzipiell therapeutisch nutzbar ist. Insbesondere Angstzustände und Stress sprechen gut an“, sagt Edzard Ernst. Er war der erste Professor für Alternativmedizin in Großbritannien und gilt als Kritiker der Homöopathie. Ernst erforscht die Alternativmedizin mit wissenschaftlichen Methoden, seine Ergebnisse sind aber oft ernüchternd. Trotz der belegten positiven Auswirkung von Meditation auf Stress und Angst warnt er vor der Entspannungstechnik als universelles Heilmittel: „Insgesamt ist Meditation nur unzureichend untersucht, die Evidenz ist daher bei allen anderen Indikationen nicht überzeugend. Hinzu kommt, dass einige Meditationsformen, etwa die Transzendentale Meditation, sektenartigen Charakter haben, so dass vor ihnen gewarnt werden sollte.“

In der psychiatrischen Universitätsklinik der Charité im St.-Hedwig-Krankenhaus werden meditative Verfahren im Rahmen der stationären Behandlung angewandt, etwa von Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. Außerdem plant Jan Kalbitzer, Leiter der Arbeitsgruppe Neurochemie, gemeinsam mit dem Doktoranden Gerd Bahr, eine Meditationsambulanz aufzubauen. Es soll um die wissenschaftliche Untersuchung gesunder, später an Depression erkrankter Menschen gehen. Untersucht werden die Effekte von Meditation auf die Hirnfunktion, auch hierbei wird auf MBSR gesetzt. „Daran wird deutlich, wie sehr moderne akademische Medizin von traditionellem Wissen profitieren kann“, sagt Kalbitzer.

Anders als in vielen freien Meditationszentren gibt es bei der Achtsamkeitsmeditation festgelegte Richtlinien. Lehrer müssen eine einjährige Ausbildung absolvieren und mindestens zwei Jahre Meditationserfahrung haben. Zudem muss ein Trainer vorab mittels Fragebogen oder Gespräch klären, ob Meditation hilfreich oder eher nicht ratsam ist. Denn im Fall einer psychischen Krankheit oder eines Traumas birgt sie auch Gefahren. Meditation ist weder ein Ersatz für einen Arztbesuch noch für eine Psychotherapie. „Wenn jemand psychisch sehr labil ist oder schlimme Erfahrungen gemacht hat, können diese durch die Wendung nach innen wieder auftauchen“, sagt Psychologe Ott. In solchen Fällen sei es wichtig, in einem geschützten Rahmen zu üben und bei Bedarf therapeutische Hilfe zur Verfügung zu haben. Für Alltagsgeplagte kann aber Meditation einfach ein Mittel sein, besser mit Stress zurechtzukommen und sich nicht von ihm auffressen zu lassen. Innehalten und durchatmen.

Informationen : www.mbsr-verband.de

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