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Gesundheit: Die Kunst des Spinnens

Wie die Seidenraupe ihren Faden webt

Die Seidenraupe ist ein wahrer Meister der Spinnkunst. Der Mensch nutzt ihre natürlich gesponnenen Fasern schon lange. Dennoch hat uns die Raupe bis heute nicht alle Geheimnisse ihres Könnens preisgegeben. Warum etwa verklumpt die Seide nicht in den Drüsen der Raupe? Amerikanische Forscher fanden darauf jetzt eine Antwort.

Seidenraupen (Bombyx mori) produzieren die Fasern in ihren Drüsen aus besonderen Eiweißen, den Fibroinen. Diese befinden sich dort in einer wässrigen Lösung. Die Raupe senkt den Wassergehalt allmählich, so dass sich die Fibroine zu Fäden verdicken. Bei einem solchen Prozess besteht jedoch die Gefahr, dass die Eiweiße kristallisieren: Statt einem glänzenden Seidenfaden formen sich dann nur klebrige Klumpen.

Forscher von der Tufts-Universität in Medford, Massachusetts, haben diesen zentralen Prozess in der natürlichen Seidenproduktion jetzt im Labor nachvollzogen. Darüber berichten sie in der aktuellen Ausgabe des Fachblatts „Nature“. Die Bioingenieure haben die Fibroine aus einem Kokon gewonnen, aufgelöst und dann – genau so wie die Raupe in ihren Drüsen – der Flüssigkeit langsam das Wasser entzogen. Beobachtet haben sie ein Wunder der chemischen Selbstorganisation: Tatsächlich kristallisierten die Eiweiße nicht, sondern formten in der Lösung winzige Kugeln, Mizellen genannt.

Das Geheimnis der Raupen liegt damit offenbar in ihrer Genauigkeit. Denn wie die Forscher beobachtet haben, spielt bei der Bildung der Mizellen die exakte Kontrolle des Wassergehalts die entscheidende Rolle. Als die Wissenschaftler der Eiweiß-Suppe im Labor langsam aber stetig immer mehr Wasser entzogen, ordneten sich die Kugeln schließlich zu einer gelartigen Struktur an. Diese bildete, in die Länge gezogen, die gewünschten Fäden. Die chemischen Eigenschaften der Fibroine werden so optimal genutzt. Denn die Moleküle bestehen aus wasserliebenden und -abstoßenden Teilen. Im Gel legen sie sich so zueinander, dass sie nicht verklumpen.

Kein anderes Material in der Natur ist so reißfest wie die Fasern von Seidenraupen und Spinnen. Sie haben eine Festigkeit, die nur wenig unter der von Stahldrähten liegt. Doch die industrielle Gewinnung der Fasern ist schwierig. „Sind die Prozesse der natürlichen Seidenproduktion aber erst einmal vollständig aufgeklärt, wird es möglich sein, die Seiden-Eiweiße im Labor zu verbessern und noch bessere und stärkere Fasern herzustellen“, schreibt der Physiker Edward Atkins von der Universität of Bristol in „Nature“.

Elke Binder

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