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Gesundheit: Die Politik blockiert Schulen und Universitäten

Die Bildung kann auf die Föderalismusreform nicht warten Von Klaus Kinkel

Ich war lange genug in der Politik, um ihre Grenzen zu kennen. Doch es gibt Themen, die ganz großen Zukunftsfragen, bei denen müssen sich die Akteure einfach zu Pragmatismus durchringen und ihr partei oder machtpolitisches Kalkül überwinden. Bildung ist so ein Thema. Das momentane Gerangel der Länder um die alleinige Macht in der Schulpolitik ist falsch. Niemand streitet ab, dass jedes Bundesland die Hoheit über seine Schulen haben soll. Doch etwas anderes ist es, unser bereits völlig zersplittertes, überföderales Bildungswesen nun auch noch gegen den letzten Einfluss des Bundes zu verteidigen und damit die überfällige Reform der Verfassung zu blockieren.

Gerne fordern Politiker die Wirtschaft auf, sich doch mehr für Bildung zu engagieren. Doch während Bund und Länder sich zu wenig bewegen, weil sie einander aus ihren ideologischen Gräben heraus belauern, geben unter anderem Stiftungen der Bildung längst neue Impulse. Denn die Bildungsreform kann nicht auf die Föderalismusreform warten.

Ein Beispiel: Die Deutsche Telekom Stiftung ist an sämtlichen Gliedern der Bildungskette engagiert, vom Kindergarten bis zur Universität. Denn ohne Breite gibt es keine Spitze. Wer es nicht schafft, schon kleine Kinder für Mathematik, Naturwissenschaften und Technik zu begeistern, muss sich nicht wundern, wenn ihm später die Ingenieure ausgehen. Die Deutsche Telekom Stiftung fördert deshalb Kindergärten und Grundschulen mit naturwissenschaftlichen Experimentierkästen. Die Kinder sollen die wissenschaftlichen Phänomene selbst erarbeiten. Das geht nur, wenn das Lehrpersonal zugleich fortgebildet wird. Generell sollte die Ausbildung von Erzieherinnen in Zukunft nicht wie bisher an Fachschulen, sondern wie international üblich an Fachhochschulen oder gar an Hochschulen stattfinden. Und kann es wahr sein, dass es an Deutschlands Universitäten kaum einen Lehrstuhl mit dem Fachgebiet „frühkindliche Erziehung“ gibt?

Insgesamt muss ein Wandel in der Lehr- und Lernkultur her. Mathematik und Naturwissenschaften müssen ihren Ruf als „Schreckensfächer“ verlieren. Neben die Instruktion durch die Lehrenden muss die gemeinsame Konstruktion von Problemlösungen treten. Deshalb unterstützt ein Projekt der Stiftung die Reform der Mathematiklehrerausbildung.

Die Entwicklung neuer Lehrmethoden testet die Deutsche Telekom Stiftung mit dem Modellprojekt „Schule interaktiv“. Gemeinsam entwickelt das Lehrerkollegium neue Ansätze, die eine individuellere Lehrer-Schüler-Interaktion mit Hilfe neuer Medien ermöglichen. Die ersten Ergebnisse zeigen, dass sich eine neue Kultur der Zusammenarbeit zwischen den Lehrern überraschend schnell einstellt. Unterdessen harrt die Reform der Lehrerausbildung eines wegweisenden Beschlusses der Kultusministerkonferenz.

Die Deutsche Telekom Stiftung bekennt sich aber auch ausdrücklich zur Förderung von Bildungselite und wissenschaftlicher Exzellenz. Daher fördert sie die so genannten „Schüler-Universitäten“ im Bereich von Mathematik und Naturwissenschaften, um den Besten einen besseren Übergang zur Hochschule zu ermöglichen. Außerdem hat sie ein eigenes Stipendiatenprogramm für hochbegabte junge Wissenschaftler ins Leben gerufen und wird zwei neue Stiftungslehrstühle in den Bereichen wertschöpfungsorientiertes Wissensmanagement und Kommunikationsökonomie an der FU Berlin und der LMU München einrichten.

Aber genau so, wie Individuen unterschiedlich leistungsfähig sind, gibt es bei Institutionen Leistungsunterschiede. Sie werden etwa in Hochschulrankings erkennbar. Hier will sich die Deutsche Telekom Stiftung ebenfalls engagieren: gemeinsam mit der „Zeit“, die das CHE-Ranking veröffentlicht. Leistungsunterschiede sichtbar zu machen und die besten Universitäten in einem bundesweiten Wettbewerb substanziell zu fördern, war bekanntlich Zweck des geplanten Bund-Länder-Programms „Spitzenuniversitäten“. Ausgerechnet dieses Programm ist das sichtbarste Opfer der gescheiterten Föderalismusreform. Muss hier die Reform des Bildungssystems tatsächlich auf die Reform des Föderalismus warten? Es wäre – auch vor dem Ausland – eine Blamage für Deutschland, wenn es so käme. Darauf kann eine junge private Förderungseinrichtung wie die Deutsche Telekom Stiftung allerdings nur hinweisen, ändern könnte sie daran nichts.

Der Autor, Justizminister a.D. und Außenminister a.D., ist Vorsitzender der Deutsche Telekom Stiftung.

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