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Gesundheit: Die Schüler vom Keep-Cool-Team

Finnland hat nur kurze Lehrpläne, aber viele gute Ideen

Wer sagt, dass Lehrpläne immer dick sein müssen?“ Der frühere baden-württembergische Lehrer Rainer Domisch, heute Berater im finnischen Zentralamt für Unterrichtswesen, legt ein schmales Heft auf den Tisch. Knapp 100 Seiten, mehr nicht, das ist der neue Lehrplan für eine halbe Million Schüler der ersten bis neunten Klasse.

So einfach, so gut. In Finnland werden die Lehrpläne seit den 60er Jahren immer dünner. Das liegt auch daran, dass es zwar Lernziele, aber keine detaillierten Lerninhalte wie bislang in Deutschland gibt. „Die Lehrpläne konzentrieren sich darauf, was Schüler können, nicht was Lehrer unterrichten sollen“, erklärte Domisch bei der Tagung „Förderung durch Integration – Erfahrungen aus dem finnischen Schulalltag“, veranstaltet vom Berliner Finnland-Institut. Wenn die Deutschen jetzt nationale Bildungsstandards einführen wollen, werden sie dabei auch von den Finnen inspiriert.

Die Folge schlanker Lehrpläne ist keineswegs Beliebigkeit. Die Schule muss sich fragen, wie sie ethische Werte vermittelt, wie allgemeine Erziehungsziele mit dem Unterricht verbunden werden oder wie Schüler „lernen zu Lernen“. „Große Freiheit verbunden mit großer Verantwortung“, nennt es Domisch, „diese Paarung hat sich als sehr produktiv erwiesen.“

Alle fühlten sich für den Erfolg verantwortlich, nämlich „die Schüler in neun Jahren so weit zu bringen wie möglich“. Regelmäßige Evaluierung soll daher Schwachstellen aufzeigen. „Wir wollen keine Ranglisten aufstellen und Schulen kontrollieren, sondern sie unterstützen“, bekräftigt der Erziehungswissenschaftler Jouni Välijärvi.

Zum Beispiel an der Gesamtschule Hämeenlinna: Tests zeigten, dass dort der Abstand zwischen den schlechtesten Schülern und dem Rest immer größer wurde, jeder zehnte Sechstklässler Gefahr lief, endgültig den Anschluss zu verlieren oder mit psychischen Problemen überfordert war. Neben Integrations- und Sonderklassen richtete die Schule deshalb „Unterstützungsstunden“, ein „Keep-Cool-Team“ und Pausenräume für Kinder mit „speziellen Bedürfnissen“ ein. Wenn Schüler auffällig werden, ständig ihre Hausaufgaben vergessen oder schwänzen, dann greift das „Schulrehabilitationsprogramm“. Eltern und Lehrer entwickeln zusammen mit dem Schüler Lösungsstrategien in einem gemeinsamen „Fördervertrag“.

Bei anhaltenden Problemen erhält er individuellen Unterricht – einer von drei Schülern wird so davor bewahrt, die Schule ohne Abschluss zu verlassen. Keine der Stationen ist eine Einbahnstraße, die Aufnahme in den „normalen“ Schulunterricht ist jederzeit wieder möglich.

Juliane von Mittelstaedt

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