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Gesundheit: Die Technische Universität wird wieder männlicher

Konzentration auf die Kernbereiche, Verluste in den Geisteswissenschaften und der Lehrerbildung: Die TU streicht 62 Professuren

Eins muss man der Technischen Universität lassen: Von allen drei Berliner Universitäten geht sie am radikalsten vor, wenn es darum geht, die 75 Millionen Euro bis zum Jahre 2009 zu sparen. Strukturreform, nicht Rasenmäher – so heißt die Devise an der TU, aber der Preis ist hoch. Die TU wird nach dieser Sparrunde nicht mehr die alte Universität sein. Denn die Verluste sind enorm: bei der Lehrerbildung, in den Geistes- und in den Wirtschaftswissenschaften.

Die Lehrerbildung wird bis auf die Arbeitslehre und die Berufsschullehrerbildung in den technischen Fächern aufgegeben. Die Geisteswissenschaften müssen sich ein neues Profil suchen und sollen sich auf die Zusammenhänge mit den Technik-und Naturwissenschaften ausrichten. Ob sie damit nur noch Service leisten oder ein eigenständiges, unverwechselbares Profil für die Geisteswissenschaften an einer technischen Universität gewinnen können, wird zurzeit heftig diskutiert.

Ein Blick auf die Zahlen verdeutlicht den Wandel. Den größten Beitrag bei den einzusparenden Professuren erbringen die Geisteswissenschaften mit der Lehrerbildung: Von 62 Professuren, die die TU bis zum Jahr 2009 streichen muss, kommen allein 25 aus diesen Fächern. Mit 5400 Studierenden ist die Fakultät für Geisteswissenschaften die größte von den acht Fakultäten der Technischen Universität. Die Kernbereiche der Ingenieurausbildung und der Naturwissenschaften kommen auf weniger Studenten: Die Fakultät Verkehr und Maschinenbau beispielsweise hat 4600 Studenten, die Fakultät Architektur und Gesellschaft kommt auf 4300 Studenten, die Fakultät für Elektrotechnik und Informatik zählt 4000 Studierende.

Die Wirtschaftswissenschaften – 4000 Studierende – verzichten künftig auf bedeutende Diplomstudiengänge in Betriebswirtschafts- und Volkswirtschaftslehre. Ganz einfach deswegen, weil es an den anderen Berliner Universitäten und Fachhochschulen genügend Konkurrenzangebote in diesen Studienrichtungen gibt. Finanzsenator Thilo Sarrazin wird sich über diesen Abbau von Mehrfachangeboten freuen. Dafür konzentriert sich die TU künftig auf den in Berlin einzig angebotenen Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen.

Vergleichbar hart trifft es nur noch die Bauingenieure, Geowissenschaftler und Architekten, die in einer Fakultät zusammengelegt werden und auf zehn Professuren verzichten müssen. Den Kern der Ingenieur- und Naturwissenschaften dagegen schont die TU bei ihrer Sparpolitik. Es sei der Wunsch der Politiker mit Klaus Wowereit an der Spitze, dass sich die TU auf ihren Kern konzentriere, erklärte Präsident Kurt Kutzler vor dem Akademischen Senat zur Begründung.

Die Folgen: Die Geisteswissenschaften geben ihre Magisterstudiengänge auf und entwickeln neue Bachelor-und Masterangebote mit Blick auf Technik und Naturwissenschaften. Die Berufsschullehrer, die am häufigsten neben einem technischen Fach als Zweitfach Sozialkunde und politische Weltkunde gewählt haben, werden künftig auf entsprechende Angebote der Humboldt-Universität und der Freien Universität verwiesen. Was auf dem Papier wie die Lösung eines Problems aussieht, bleibt ein Problem: Die FU hat in diesen Studienrichtungen einen strikten Numerus clausus und kann der TU nur so wenige Studienplätze anbieten, dass die Ausbildung im Zweitfach gefährdet erscheint. Das kritisierte der Erziehungswissenschaftler Ulf PreussLausitz. Und mit den Einschnitten bei der Lehrerbildung und den Geisteswissenschaften verliert die TU einen Bereich, in dem besonders viele Frauen studiert haben. Die TU wird wieder männlicher mit ihrer Profilierung auf den Kern einer Technischen Universität.

Die Studenten sind empört. Sie hatten gegen die Sparauflagen in einem Streik protestiert. Zusammen mit der linken Reformfraktion haben sie sich aus der Präsidialkommission der TU zurückgezogen, als deutlich wurde, wer die Hauptlast bei den Streichungen zu erbringen hat. Am Mittwoch verhinderten etwa zwanzig Studenten zunächst durch ein Pfeifkonzert die Abstimmung über die Streichliste. In nicht öffentlicher Sitzung kam dann das erwartete Ergebnis doch noch zustande: 14 TU-Senatoren aus der Koalition der Liberalen und Konservativen stimmten für den Sparvorschlag der Präsidialkommission, 10 Senatoren aus der linken Reformfraktion dagegen. Am 2.Juni wird in zweiter Lesung endgültig der Struktur- und Sparplan verabschiedet. Bis dahin wird es nur noch geringe Änderungen geben.

Schon heute steht fest: Die Stellenreduktion kostet 3000 bis 4000 Studienplätze. Ende Juni wird selbst Senator Thomas Flierl einräumen müssen, dass sein Festhalten an 85 000 Studienplätzen in Berlin ein Luftschloss ist. Dennoch hat die Technische Universität ihre Schularbeiten noch nicht erledigt. Der Verzicht auf 62 Professuren bringt nur 26,5 Millionen Euro ein. Wissenschaftssenator Thomas Flierl hat der TU jedoch 30 Millionen Euro als Sparbeitrag auferlegt. Wo der Rest herkommen soll, ist noch nicht klar. Aus der Verwaltung die restlichen Millionen herauszuholen, erscheint im Augenblick noch illusorisch.

Uwe Schlicht

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