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Gesundheit: „Die UN-Rothelme werden kommen“

Waldbrandforscher Johann Georg Goldammer: Alles blickte nach Kalifornien, dabei vernichtete Feuer in Russland viel größere Flächen

Johann Georg Goldammer vom MaxPlanck- Institut für Chemie, Arbeitsgruppe Feuerökologie an der Forstwissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg, gilt weltweit als einer der führenden Fachleute zum Thema Vegetationsbrände. Daran forscht er seit 1973, im Jahr 1979 begründete er die Arbeitsgruppe. Das von ihm eingerichtete Global Fire Monitoring Center (GFMC) bündelt alle erreichbaren Informationen über Waldbrände. Im Auftrag der Uno berät es Regierungen in Fragen der Vorbeugung und in aktuellen Notsituationen.

Dieses Jahr ging es besonders heiß zu – erst brannte es großflächig in Südfrankreich, Spanien und Portugal. Und jüngst fraßen sich Flammen durch kalifornische Wälder. Nehmen solche Ereignisse zu?

Vor allem sehen wir sie sehr selektiv. In Kalifornien verbrannten 300 000 Hektar, über die alle Welt sprach. Doch das Buschgebiet, in das sich die kalifornischen Städte ausdehnen, wächst ohne Problem nach, die Häuser werden wieder aufgebaut - alles eigentlich nur eine Frage der Versicherung. So what? Dagegen wurden dieses Jahr in Sibirien 20 Millionen Hektar Wald- und Steppenvegetation ein Raub der Flammen: Ein Areal, das doppelt so groß ist wie die gesamte Waldfläche Deutschlands. Aber von unseren täglichen Veröffentlichungen im Internet abgesehen, nahm kaum jemand Notiz davon. Wir haben dramatische Bilder und Zustandsberichte aus einer Region veröffentlicht, die seit einem Jahr keinen Regen mehr gesehen hatte. Jetzt drohen schwer wiegende Auswirkungen auf die Wirtschaft des Landes, auf die Lebensgrundlagen der Menschen dort.

Aber es geht beständig immer mehr Wald verloren. Das schadet doch auch dem Klima?

Ja. Insgesamt beobachten wir in vielen Regionen der Welt eine Verschlechterung des Vegetationszustandes und damit auch eine Verlagerung von Kohlenstoff in die Atmosphäre.

Kann man die Mengen einschätzen?

Das ist äußerst kompliziert. Denn unter ungestörten Bedingungen wächst die vom Feuer betroffene Vegetation nach, der freigesetzte Kohlenstoff wird wieder „eingebaut“. Das kann bei Grasland in einem Jahr geschehen und bei Wäldern durchaus mehrere hundert Jahre dauern. Das macht die Natur aber seit Jahrmillionen so. Ernst wird es, wenn der Mensch die Kraft der Vegetation zur Selbstheilung nachhaltig schädigt wie zum Beispiel bei der Brandrodung der tropischen Regenwälder. Oder denken wir an die ausgebrannten Sumpfgebiete Asiens. In beiden Fällen wird nach dem Feuer weniger pflanzliche Biomasse gebildet, im Extremfall entstehen Wüsten. Und damit wird dort auch weniger Kohlenstoff gebunden. Rein rechnerisch verbleibt er in der Atmosphäre, er wird aber durchaus auch auf dem Land umverteilt oder aufs Meer getragen und in den Sedimenten der Ozeane abgelagert.

Wenn schon keine Gesamtrechnung möglich ist, kann man wenigstens einzelne Ereignisse in ihrer Klimawirkung beziffern?

Wir bereiten derzeit eine Bewertung der gigantischen Feuer in Sibirien vor. Hier haben wir dank der Satellitentechnik wenigstens präzise Daten über die Lage und die Ausdehnung der Brandflächen. Dennoch dürfen wir uns nicht zu voreiligen Aussagen über die Verstärkung des Treibhauseffekts hinreißen lassen: Die Zusammenhänge sind einfach sehr komplex.

Reichen denn die vorhandenen Satelliten aus, um die Gefahren rechtzeitig auszumachen?

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betreibt seit mehr als zwei Jahren den Kleinsatelliten „Bird“. Er dient der Erkennung und Bewertung von Feuern. Aber er ist nur ein Prototyp. Das DLR, die Europäische Weltraumagentur Esa und auch die Nasa fordern nun die Weiterentwicklung zu einem praxisgerechten operationellen System. Brasilien, Indonesien und Russland brauchen eine solche Technik dringend. Ein neuer deutsch-russischer Vorschlag, eine solche Satellitenfamilie mit Hilfe russischer Bauteile und Trägerraketen in den Orbit zu bringen, wird diskutiert. Die Unterstützung der Russen ist groß, denn sie erkennen die Bedeutung der Waldbrandprobleme im eigenen Land. Sie könnten ein solches Projekt wohl schnell und kostengünstig verwirklichen.

Die Brände schnell zu erkennen ist aber nur ein Teil der Arbeit. Manche Länder haben doch gar keine Mittel, die Flammen zu bekämpfen. Müsste man also eigentlich eine „globale Feuerwehr“ aufbauen?

Das Konzept dafür, jederzeit Einheiten zu entsenden, die einem Land in Not helfen können, ist schon in Arbeit. Dass es bis dahin noch eine Weile dauern wird, liegt eher an rechtlichen Voraussetzungen. Und sie können größtenteils nur durch bilaterale Vereinbarungen geschaffen werden. Da geht es beispielsweise um die Frage: Wer haftet, wenn ein internationaler „firefighter“ zu Schaden kommt? Oder: Wer zahlt für einen Schaden, der durch einen Einsatz in einem fremden Land entsteht, etwa auf Grund einer falschen Entscheidung? Wer kommt dafür auf, wenn dadurch ein Haus verbrennt, ein Mensch zu Schaden kommt?

Bilateral? Warum wird so etwas nicht in der Uno geregelt?

Die Vereinten Nationen stehen mit mehreren Einrichtungen und Programmen für die Hilfeleistung bei der Vorbeugung und der Bewältigung von Feuerkatastrophen zur Verfügung. Zwar gibt es noch keine „Uno-Rothelm-Truppe“, aber bereits ein Instrumentarium unter der „International Strategy for Disaster Reduction“. Hier hat sich nach einem Uno-Beschluss in der vergangenen Woche die im Jahr 2001 eingerichtete Arbeitsgruppe „Wildland Fire“ in eine „Wildland Fire Advisory Group“ weiterentwickelt. Sie wird von unserem GFMC geleitet und hat unmittelbaren beratenden Einfluss auf die Arbeit und auch die politischen Programme der Uno. Dass das Freiburger GFMC einen Auftrag und ein Mandat der Zivilgesellschaft übernehmen konnte, zeigt, dass wir die Arbeit der Uno aktiv mitgestalten können und auch mitverantwortlich sind.

Was oft vergessen wird: Es gibt ja noch ganz andere Brände. Unter dem Urwald in Indonesien, in Teilen der USA und Chinas gibt es Kohleflöze, die schon seit über 20 000 Jahren unterirdisch glühen. In Trockenzeiten erhitzen sie den Boden so stark, dass der Bewuchs an der Oberfläche Feuer fängt. Wieviel Kohlendioxid wird denn dabei frei?

Darüber gibt es nur sehr vage Aussagen. Dieser Anteil mag ein Prozent der globalen Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger ausmachen, vielleicht weniger. Aber unabhängig davon: Es sind absolut sinnlose Emissionen, denn die Energie wird nicht genutzt. Und dabei ist das Kohlendioxid noch nicht einmal das größte Problem: Die Schwefelbelastung der Umwelt ist ungeheuer stark. Diese Brände sollten mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gelöscht werden. Da hilft auch das Argument nicht, dass diese Brände teilweise schon seit langen Zeiträumen schwelen und damit sogar einen natürlichen Vorgang darstellen. Wer nutzlose Emissionen verringert, der hilft, die Atmosphäre zu schützen.

Wenn es aber mit dem Erkennen und dem gemeinsamen Löschen noch eine Weile dauert, könnte man in jedem Land doch schon mal mit der Prävention beginnen?

Ob – am Beispiel von Kalifornien betrachtet – ein Stück Buschwerk verbrennt oder nicht, ist gar nicht so wichtig. Schlimm wird es, wenn Menschen dabei zu Schaden kommen. Man wird umdenken müssen: Die Stadtplaner werden Raumordnung und Vegetations-Management im Sinne von Feuer-Management miteinander verknüpfen. Beim Feuer-Management arbeiten die Regionalplaner zusammen mit dem Förster. Die Vegetation im Umfeld der Siedlungen muss bewirtschaftet werden. Denkbar ist eine Nutzung als Weide, die Biomasse könnte aber auch der Energiegewinnung dienen. Übrigens lässt sich auch ein kontrolliertes Feuer als Management-Werkzeug einsetzen.

Manche Gegenden sind doch nicht zugänglich?

Wenn der Busch nicht zugänglich ist, das Feuer durch eine kontinuierliche, ungegliederte Landschaft brennen kann, in die darüber hinaus leicht brennbare Häuser eingebettet sind, dann wird es solche Feuer wie in Kalifornien immer wieder geben.

Können die Anwohner selbst etwas tun?

Aber sicher. Das sieht man im Vergleich USA/Australien: Die Amerikaner evakuieren die Anwohner grundsätzlich. Daher sind auch so viele Häuser verbrannt. In Australien bleiben viele Hausbesitzer am Ort und schützen ihr Gebäude – das ist oft auch mit bescheidenen Mitteln möglich. Aber es geht auch um Richtlinien, um die Bau-Standards, zum Beispiel. Ein Holzhaus im Wald brennt wie der Wald. Ein Steinhaus mit Ziegeldach ist da sehr viel widerstandsfähiger.

Muss man die Menschen erst zu ihrem Glück zwingen?

Zynisch ausgedrückt: Das regelt der Markt. Irgendwann werden die Versicherungen nämlich für bedrohte Anwesen keine Verträge mehr abschließen. So geht es Hauseigentümern, die in der höchsten Riskostufe der Elbe-Niederung leben, heute schon. Als Konsequenz aus dem Brandrisiko kann es Auflagen zur Raumordnung und zu Bau-Standards geben. In Amerika dürfte der Weg dahin aber mühselig sein.

A propos, Geld: Wie geht es eigentlich Ihrem Global Fire Monitoring Center?

Zwischen 1998 und 2001erhielten wir eine Anschubfinanzierung vom Auswärtigen Amt. Seitdem müssen wir uns aus Beiträgen des Amtes an die Uno und durch Forschungsprojekte „ernähren“. Dabei war die Förderung des Deutschen Forschungsnetzes Naturkatastrophen sehr hilfreich, aber sie läuft am Jahresende aus. Starke fachliche und politische Unterstützung erhalten wir vom Deutschen Komitee für Katastrophenvorsorge, in dem wir mitarbeiten. Im nächsten Jahr werden wir wieder das Auswärtige Amt und auch den Bundesumweltminister um Geld angehen.

Das Interview führte Gideon Heimann

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