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Drogen: Filmriss mit Folgen

Der Leiter der Berliner Rechtsmedizin über eine Frau, die in einer Berliner Disko Opfer von K.-o.-Tropfen wurde.

Reglos lag die junge Frau auf dem kalten Asphalt, Diskobesucher hatten sie im Morgengrauen auf dem Parkplatz eines Charlottenburger Clubs aufgefunden. Der herbeigerufene Rettungswagen brachte die 26-Jährige ins Krankenhaus, dort deuteten die Symptome zunächst auf eine Alkoholvergiftung hin: Der Kopf schmerzte, als sie wieder zu sich kam, ihr war übel. Die Patientin gab jedoch zu Protokoll, während des Diskobesuchs nur einen einzigen „Cuba Libre“ getrunken zu haben, zwei Männer hatten sie zu dem Cocktail eingeladen. Was danach geschah, daran konnte sie sich nicht mehr erinnern. Filmriss. Komisch erschien ihr zudem, dass sie ihr Oberteil plötzlich verkehrt herum trug.

Blut- und Urinproben der Frau wurden bei uns in der Rechtsmedizin untersucht – darin fanden wir Spuren des Medikaments Rohypnol. Der darin enthaltene Wirkstoff Flunitrazepam gehört zur Gruppe der Benzodiazepine und wirkt beruhigend – Ärzte verschreiben Rohypnol als Schlafmittel, es ist eines von mehreren Substanzen, die umgangssprachlich als K.-o.-Tropfen bezeichnet werden.

Die Mittel werden für Straftaten wie Eigentums- oder Sexualdelikte benutzt. Die betäubten Opfer sind sogar in der Lage, aktiv an sexuellen Handlungen teilzunehmen, dadurch sind später keine Vergewaltigungsspuren festzustellen. So auch bei der Frau vom Parkplatz. Das Gefühl, nicht zu wissen, was geschehen ist, quält die Opfer am meisten.

Jährlich haben wir es in der Berliner Rechtsmedizin mit etwa 30 solcher Fälle zu tun, die Dunkelziffer liegt aber um ein Vielfaches höher. Die Opfer sind überwiegend junge Frauen, in der Regel Diskobesucherinnen. Meist erscheint ihnen erst nach Tagen etwas merkwürdig, weil sie sich an das Geschehen des Abends nur bruchstückhaft erinnern. Für eine rechtsmedizinische Untersuchung ist es dann oft zu spät: Benzodiazepine sind im Blut maximal 24 Stunden, im Urin höchstens drei Tage nachweisbar. Deshalb sollten sich Frauen in Diskotheken lieber nicht von Fremden auf einen Drink einladen lassen oder ihre Getränke aus den Augen verlieren.

Michael Tsokos

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