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Gesundheit: Ebola und Aids gefährden den Gorilla

Wissenschaftler wollen Impfstoffe erproben, um den Bestand der Menschenaffen zu retten

Die Gorillas, die wir kennen, sitzen hinter Glasscheiben im Zoo oder hängen gelangweilt in den Seilen. Wenn es hochkommt, trommeln sie sich mit ihren schwarzen Fäusten auf die Brust – ganz zur Freude der Zoobesucher. Etwa 500 dieser Menschenaffen leben weltweit hinter Gittern – fast alle davon sind Westliche Flachlandgorillas.

Ihre knapp 100 000 Artgenossen, die in freier Wildbahn überlebt haben, könnten durch Ebola-Viren drastisch dezimiert werden, wie Forscher jetzt belegen. Auf einer 2700 Quadratkilometer großen Fläche im Odzala-Nationalpark in der Republik Kongo sind seit 2001 schätzungsweise 5500 Westliche Flachlandgorillas an Ebola gestorben, wie ein internationales Forscherteam aus Deutschland, Spanien und Schweden im Fachmagazin „Science“ (Band 314, Seite 1564) berichtet.

Die Forscher beobachteten im Lossi-Schutzgebiet des Odzala-Nationalparks in den Jahren 2002 und 2003 zwei Ausbrüche des Ebola-Virus unter Gorillas. „Die Ergebnisse zeigen, dass das für den Menschen lebensgefährliche Virus für den Gorilla-Bestand eine viel größere Gefahr darstellt als bisher angenommen“, sagte Peter Walsh vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig dem Tagesspiegel. Walsh war an der Studie beteiligt und versucht seit Jahren, Mittel für die Erprobung von Impfstoffen einzuwerben. „Zusammen mit der Wilderei könnte Ebola die Menschenaffen schon bald ausrotten“, befürchtet Walsh. Auch Schimpansen können sich infizieren und an Ebola sterben. Sie stehen ebenfalls auf der Roten Liste der bedrohten Arten.

Das Ebola-Virus verursacht auch bei Menschen ein hämorrhagisches Fieber, das mit unstillbaren Blutungen einhergeht. Je nach Erregervariante und medizinischer Versorgungslage sterben 50 bis 90 Prozent der Infizierten. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO sind seit der Entdeckung des Virus im Jahr 1976 etwa 1850 Menschen infiziert worden; 1200 starben daran.

Die hohe Sterblichkeit durch Ebola bei Mensch, Gorilla und Schimpanse deutet darauf hin, dass der Erreger nicht an Menschen und Hominiden angepasst ist, sondern ein anderes Tier als Hauptwirt hat. Denn ihr natürliches Reservoir – ein Lebewesen, in dessen Körper sie sich vermehren und ausbreiten können – töten Viren nicht, weil sie sich damit des eigenen Nährbodens berauben würden. Welches Tier das natürliche Reservoir des Ebola-Virus ist, ist bis heute unbekannt.

Seit 2002 ist die Zaire-Variante von Ebola in Gabun und der Republik Kongo mehrfach unter Menschen ausgebrochen. In zeitlichen Zusammenhang mit diesen Epidemien entdeckten die Forscher im Odzala-Nationalpark Kadaver verendeter Gorillas, bei denen sie die Zaire-Variante feststellten.

Bestandsaufnahmen und Funde von verendeten Tieren in den Regenwäldern belegen jetzt, dass es sich bei den Todesfällen unter Gorillas durch Ebola nicht um Einzelfälle handelt, sondern um eine echte Bedrohung für diese Menschenaffenart. „Deshalb müssen wir die bereits entwickelten Impfstoffe dringend im Labor auf ihre Verträglichkeit prüfen und in Feldversuchen erproben“, sagte Peter Walsh. Das allein würde etwa zwei Millionen Euro kosten, schätzt der Leipziger Forscher. „Für flächendeckende Impfungen der Tiere wäre noch mehr Geld nötig.“

Neben Ebola könnte auch die bei Affen vorkommende Variante des Aids-Virus SIV (Simianes Immunschwäche-Virus) den Bestand der Westlichen Flachlandgorillas gefährden. „Bisher ist aber kein Massensterben durch SIV unter Gorillas bekannt“, sagte Walsh.

Erst Anfang November hatten Forscher von der Universität Montpellier in Südfrankreich eine Studie im Fachmagazin „Nature“ (Band 444, Seite 164) veröffentlich, wonach SIV erstmals bei Westlichen Flachlandgorillas nachgewiesen worden war. Ob sich auch die anderen noch stärker vom Aussterben bedrohten Gorilla-Arten mit SIV infizieren können, ist bisher nicht bekannt. Und „wie schlimm sich dieser Immunschwäche-Erreger bei Gorillas auswirkt, wissen wir bisher auch nicht“, sagte Peter Walsh. „Bislang sieht es so aus, als ob Ebola eine deutlich größere Gefahr für die Affen darstellt.“

Für den Menschen ist allerdings sowohl die Ausbreitung des Ebola-Virus als auch die von SIV eine potenzielle Gefahr. Je mehr Varianten der jeweiligen Viren im Umlauf sind, desto größer wird auch das Risiko, dass sich ein neuer Stamm entwickelt, der leichter auf den Menschen übertragbar ist oder schwerere Symptome hervorruft. Das bei Menschen vorkommende Aids-Virus HIV hat sich nach heutigen Erkenntnissen ebenfalls aus einem SIV-Stamm entwickelt. Forscher vermuten, dass Schimpansen vor Jahrzehnten erstmals Menschen mit SIV angesteckt haben. Mit SIV infizierte afrikanische Affen überleben recht lange und können deshalb viele andere Tiere und auch Menschen anstecken. Möglicherweise geht von den Westlichen Berggorillas eine ähnliche Gefahr aus – denn nach bisherigen Erkenntnissen ist anzunehmen, dass auch sie nicht sofort an einer SIV-Infektion sterben.

Dagny Lüdemann

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