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Lernen am Modell. Lipi Akter, Dubravka Sormaz, André Mevius und Katrin Krohn (von links) üben an einer Puppe den Umgang mit pflegebedürftigen Menschen. Foto: Georg Moritz

© Georg Moritz

Gesundheit: Ein gutes Herz allein reicht nicht

Seit 1991 lernen die Schüler der DRK-Berufsfachschule für Altenpflege, worauf es in diesem Beruf ankommt. Früher kamen ehemalige DDR-Bürger zur Umschulung, heute werden viele Migranten ausgebildet. Männer sind in der Minderheit.

Von Renate Künast hat Klaus-Jürgen Schüler vor 20 Jahren Unterricht in Rechtslehre bekommen. „Wir hatten überhaupt sehr gute Dozenten“, sagt er am Telefon. Der 52-Jährige gehörte zu den ersten Bürgern aus der ehemaligen DDR, die sich an der DRK-Berufsfachschule für Altenpflege eine neue berufliche Zukunft aufgebaut haben.

Vor der Wende hatte Schüler beim VEB Carl Zeiss Jena in der Berufsschule gearbeitet. „Nach der Abwicklung wusste ich dann nicht so richtig, wie es weitergehen soll.“ Als er in der Zeitung von der neu gegründeten Berufsfachschule der DRK-Bildungswerk Nord gGmbH las, zog er nach Berlin. Dort saß er mit 29 anderen Ostdeutschen im Klassenzimmer, deren Berufsbilder oder Arbeitgeber es plötzlich nicht mehr gab. „Meine Klassenkameraden waren zwischen 20 und 50 und kamen aus ganz unterschiedlichen Branchen, ein Meteorologe war dabei und eine Flugzeugmechanikerin.“ Die Umschulung wurde durch das Arbeitsamt gefördert.

Nach der Ausbildung hat Klaus-Jürgen Schüler zwei Jahre in der Hauskrankenpflege gearbeitet, anschließend als Dauernachtwache in einem Altenheim. Heute leitet er das Pflegewohnheim „Alt-Treptow“ des Unionhilfswerks; der Altersdurchschnitt der Bewohner liegt bei 92 Jahren, der älteste ist 104. Viele von Schülers Klassenkameraden sind – zwischen Bayern und Hamburg – ebenfalls in Führungspositionen gelandet. Manchmal treffen sich die Ehemaligen noch. Zum Beispiel zum 20. Geburtstag, den die DRK-Berufsfachschule für Altenpflege 2011 gefeiert hat.

Seit Klaus-Jürgen Schüler die Ausbildung absolvierte, hat sich in der DRK-Schule vieles verändert – ebenso wie in der Pflege überhaupt, und an deren gesetzlicher Grundlage. Die Schule zog um, aus einem ehemaligen Stasi-Gebäude nahe dem Tierpark Friedrichsfelde an die Warschauer Straße in Friedrichshain-Kreuzberg. Dort hat sie sich inzwischen auf zwei Stockwerke ausgebreitet. In den großen, hellen Unterrichtsräumen werden Altenpfleger in Teil- oder Vollzeit ausgebildet, inzwischen gibt es auch ein Angebot für Sozialassistenten.

Die größte strukturelle Veränderung ist für die Schulleiterin Rosemarie Derkau das 2003 eingeführte Altenpflegegesetz, durch das die Altenpflege der Kranken- und Kinderkrankenpflege gleichgestellt wurde. „Vorher war die Altenpflege Ländersache“, erinnert sie sich. In Berlin konnte man bis dahin nur durch eine Umschulung in den Beruf einsteigen. Rosemarie Derkau hofft, dass sich noch mehr verändert – und Kinder-, Kranken- und Altenpfleger irgendwann eine gemeinsame Grundausbildung bekommen, die durch fachliche Module ergänzt wird.

„Die Ausbildung an unserer Schule wird gut nachgefragt“, sagt die Schulleiterin, „auch wenn der Beruf für die gesellschaftliche Mehrheit nicht besonders attraktiv ist.“ Sie wünscht sich von der Politik mehr Unterstützung und Respekt für die Altenpflege. Das sei hilfreicher als Feststellungen wie die des ehemaligen Arbeits- und Sozialministers Norbert Blüm (CDU). Der hatte die Einführung der Pflegeversicherung mit der Feststellung begleitet, dass man keine sechs Semester Psychologie brauche, um einen 70-Jährigen zu füttern. Sondern einfach nur ein gutes Herz und eine ruhige Hand. „Natürlich kann auch eine ungelernte Kraft den Klienten das Essen reichen“, sagt Derkau. Doch diese Helfer könnten nicht beurteilen, ob der alte Mensch Schluckschwierigkeiten habe oder wie es ihm gesundheitlich gehe.

Seit einigen Jahren bewerben sich nun die „geburtenschwachen Jahrgänge“ für die Erstausbildung in der Altenpflege: Die Zahl der Bewerbungen hat deshalb ein wenig abgenommen. Unter älteren Interessenten ist Derkau zufolge vor allem die berufsbegleitende Teilzeitausbildung beliebt; diese dauert vier Jahre, die Vollzeitausbildung drei.

Lipi Akter hat gerade Pause. Die 24-Jährige stammt aus dem Grenzgebiet zwischen Indien und Bangladesch und kam vor fünf Jahren nach Deutschland. Seit einem halben Jahr macht sie die Vollzeitausbildung zur Altenpflegerin. Wie viele ihrer Klassenkameradinnen hat sie vorher als Pflegehelferin gearbeitet. Ihre Vorgesetzten empfahlen ihr, sich zur Altenpflegerin ausbilden zu lassen. „Ich selber wäre gar nicht auf diese Idee gekommen, bin jetzt aber sehr zufrieden.“ Insgesamt haben rund ein Drittel der Schüler einen Migrationshintergrund. Lipi Akters Klassenkameradin Dubravka Sormaz gab vor zwei Jahren ihren Job in der Touristikbranche auf und zog von Kroatien nach Deutschland. „Als Altenpfleger wirst du in Deutschland nicht arbeitslos“, sagt die 42-Jährige.

André Mevius gehört zum männlichen Viertel unter den Schülern. Der gelernte Möbeltischler hat die Erfahrung gemacht, dass männliche Pfleger vor allem in stationären Einrichtungen begehrt sind, und dort oft zu den „schwierigen Fällen“ gerufen werden.

Im Jahr verlassen 30 bis 40 ausgebildete Altenpfleger die Schule. Zu den größten Problemen der Altenpfleger gehört nach Ansicht von Rosemarie Derkau die dünne Personaldecke in vielen Einrichtungen. Wenn dann noch ein Kollege ausfalle, werde es sehr eng. Wer die Ausbildung zum Altenpfleger abgeschlossen hat, kann sich nach zweijähriger Berufserfahrung in Vollzeit oder berufsbegleitend zum Wohnbereichs- oder Pflegedienstleiter ausbilden lassen. Oder sich durch Kombination mit einem sozialpädagogischen oder sozialwirtschaftlichen Studium zum Heimleiter qualifizieren. Die Kosten für diese Weiterbildungen übernehmen zum Teil die Arbeitgeber.

Jugendliche, die sich zum Altenpfleger ausbilden lassen wollen, müssen mindestens 17 Jahre alt sein. Im Bewerbungsverfahren werden Allgemeinbildung und Motivation der Interessenten getestet. Die meisten, die diese Ausbildung beginnen, hatten oder haben laut Schulleiterin Derkau eine sehr gute Beziehung zu ihren Großeltern.

Einen Schwerpunkt legt die DRK-Schule auf das Thema Demenz. Jeder Schüler muss ein gerontopsychiatrisches Praktikum machen, und in der Schule gibt es ganztägige Veranstaltungen zur Kommunikation mit den Patienten. „An diesen Tagen beschäftigen sich die Schüler mit der sogenannten integrativen Validation“, sagt Derkau. Das ist eine Kommunikationsart, die sich auf die Gefühlsebene konzentriert. Diese Technik soll die Kontaktaufnahme mit Demenzkranken erleichtern. Wenn ein Bewohner zum Beispiel mit der Gabel auf den Esstisch haut, weil er glaubt, er sei noch berufstätig und arbeite an seiner Werkbank, dann sollen sich die Pfleger im Gespräch auf diese Welt einlassen.

„Wer sich für diesen Beruf entscheidet, muss akzeptieren, dass die alten Menschen in ihrer letzten Lebensphase sind“, sagt Rosemarie Derkau. Und die Beziehung zu ihnen mit dem Tod ende. Junge Leute, die noch sehr kindlich sind, nimmt die Schule deshalb unter Vorbehalt auf. „Viele machen bei uns noch einen Entwicklungsschub.“

Infos im Netz: www.drk-fsa.de

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