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Gesundheit: Ein Hochdruckforscher unter Hochdruck

Wie der Dekan Martin Paul für das Franklin-Klinikum kämpftEmmas kleine Hand ist fast ganz in einem Mullverband verschwunden. Vor ein paar Tagen hat das vierjährige Mädchen versucht, sich mit einem Steakmesser eine Orange aufzuschneiden - und sich beim Herumsäbeln um ein Haar den Finger abgetrennt.

Wie der Dekan Martin Paul für das Franklin-Klinikum kämpft

Emmas kleine Hand ist fast ganz in einem Mullverband verschwunden. Vor ein paar Tagen hat das vierjährige Mädchen versucht, sich mit einem Steakmesser eine Orange aufzuschneiden - und sich beim Herumsäbeln um ein Haar den Finger abgetrennt. Jetzt muss Emma wohl operiert werden. Martin Paul wirft einen besorgten Blick auf seine Tochter, die nun im Universitätsklinikum Benjamin Franklin ist und behandelt werden soll. Dort, wo der Papa Dekan ist, zuständig für Forschung und Lehre.

Dabei ist Martin Paul mittlerweile tiefe Einschnitte gewöhnt. Zumindest symbolische. Schließlich arbeitet er an einer Einrichtung, die der Senat sozusagen schon für klinisch tot erklärt hat. "Seit drei Wochen mache ich nichts anderes mehr, als für die Erhaltung der Medizin an der Freien Universität zu kämpfen", sagt er.

Seit drei Wochen Demonstrationen, Resolutionen, Besprechungen, Interviews, Fernsehauftritte. Und Paul immer mitten drin. Der Dekan hat ein Ohr für alle. Erste Erfolge zeichnen sich ab. "Die Welle rollt", sagt Pauls Mitstreiter Walter Zidek, ein neu an das Klinikum berufener Nierenspezialist. Aber der Patient Benjamin Franklin schwebt immer noch zwischen Leben und Tod.

Kritiker der Freien Universität und ihrer Klinik tun manchmal so, als würde hier einer angestaubten und überlebten West-Berliner Institution der fällige Todesstoß versetzt. Aber dieser Eindruck ist falsch. Paul ist selbst das beste Gegenbeispiel. Er ist nicht, wie ein Magazin seinen Lesern weismachen wollte, ein Patriarch des alten Berliner Westens, der in einer Dahlemer Villa residiert und nicht mehr in die Zeit passt.

Seit sechs Jahren in Berlin

Paul ist gar kein gebürtiger Berliner. Er hat seine wissenschaftlichen Lehr- und Wanderjahre an der Harvard Medical School in Boston und an der Universität Heidelberg verbracht, ist erst seit sechs Jahren in der Stadt und wurde mit 39 Jahren Dekan. Das war 1997. Paul ist kein Halbgott in Weiß. Er hat einen offenen Führungsstil, was man nicht mit Laissez-faire verwechseln sollte. In den letzten Jahren ist das Franklin-Klinikum zur Spitzengruppe der deutschen Unikliniken vorgestoßen. Das schafft man nur mit harter Arbeit.

Der Bluthochdruckforscher Paul gehört zur neuen Generation der FU-Medizin. Die Ersten sind noch durch Dahlem gelaufen und haben an den Türen um Stühle gebettelt, für den Hörsaal. Das war 1948. Die sehen jetzt ihr Lebenswerk in Gefahr. "Man muss das verstehen", sagt Paul. Und dann sind da jene Kollegen, die noch die Unruhen des Jahres 1968 als Student miterlebt haben und die nun fast nostalgisch werden und am liebsten Sitzblockaden veranstalten oder sich irgendwo anketten lassen würden. Paul versteht auch das. "Der Fachbereich ist wie aus einem Guss", freut er sich. Es gebe keine Fronten mehr.

"Die Stimmung vor dem ICC war elektrisierend", erinnert sich Paul an die Demonstration vor dem SPD-Parteitag. Es ist gut, wenn die Leute Dampf ablassen können. Aber Paul weiß auch, dass das Klinikum mit Argumenten, nicht mit Gefühlen überzeugen muss. Sein wichtigster Verbündeter ist der Wissenschaftsrat, das Beratergremium der Politik in Sachen Wissenschaft und Hochschulen. Ein unbestechlicher und unabhängiger Gutachterkreis.

Der Kampf kostet Kraft

Dessen Vorsitzender, der Nervenarzt Karl Einhäupl von der Charite, hat sich bereits in einem mahnenden Brief an den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit gewandt und vor der Schwächung der Berliner Medizin eindringlich gewarnt.

Der Wissenschaftsrat ist bereit zu vermitteln und Vorschläge zu machen, wie man in der Berliner Hochschulmedizin vernünftig sparen kann. "Aber sie werden nicht als Bestattungsunternehmen fungieren", sagt Paul. Mit Gregor Gysi und Wissenschaftssenator Flierl hat Paul schon geredet ("Ein positives Gespräch"). Am heutigen Montag ist ein Termin mit Wowereit angesetzt.

Martin Paul ist ein großer Mann. Unübersehbar in der Menge. Scheinbar unverwundbar. Aber dieser Kampf kostet auch Kraft. Manchmal, zwischen zwei Telefonaten oder zwei Gesprächen, reibt er sich die Augen. Gibt sich für einen Moment der Erschöpfung hin. Die nächsten Jahre wird er noch Dekan sein, "in der akuten Phase", wie er sagt. Manchmal kommt eben alles zusammen. Wie an diesem Tag die Sache mit der kleinen Emma, die schon wieder ganz tapfer in die Welt guckt. Auch Paul sieht schon wieder etwas zuversichtlicher aus. Und muss sich beeilen, um zum nächsten Termin nochrechtzeitig zu kommen. Er wird einen Kongress im Adlon eröffnen, zum Thema Herzmuskel-Erkrankungen. "Die besten Leute aus Amerika sind gekommen", sagt er.

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