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Gesundheit: Ein Roboter nimmt Landwirten in einem Versuchsstall in Brandenburg die Arbeit ab

Die Maschine ächzt. In unregelmäßigen Abständen heult sie wie ein Feuermelder, untermalt von rhythmischem Stampfen.

Die Maschine ächzt. In unregelmäßigen Abständen heult sie wie ein Feuermelder, untermalt von rhythmischem Stampfen. Zwischendurch lässt sie keuchend Druck ab. Manchmal ist sie auch stumm. Die Kuh zeigt sich wenig beeindruckt von der Geräuschkulisse in ihrem Stall. Im Gegenteil: Zwei- bis dreimal am Tag nähert sie sich freiwillig der Geräuschquelle und vertraut ihr eines ihrer empfindlichsten Organe an, das Euter. Verursacher der Geräusche ist ein Roboter, der Kühe melken kann.

Im brandenburgischen Großkreuz hat die Landesanstalt für Landwirtschaft einen Versuchsstall eingerichtet, in dem solche Melkroboter praxisnah erprobt werden. "Wir können mit diesem Stall demonstrieren, wie die neue Technik funktioniert und unsere Erfahrungen direkt an die Landwirte weiterreichen", freut sich Jürgen Trilk, Leiter der Abteilung Tierzucht und Tierhaltung.

Die meisten Kühe ruhen in den Liegeboxen, einige stehen unentschlossen in den Laufgängen herum. Der Rest hält sich kauend am Futtertisch auf. Die großzügige Stallform, in der die Kühe sich frei bewegen können, ist Voraussetzung für die Installation eines Melkroboters.

Die Kuh Alma erhebt sich aus ihrer Liegebox und trottet langsam, aber zielstrebig in die Mitte des Stalls. Am Melkroboter angekommen, steht sie vor verschlossener Tür. Der Roboter ist besetzt, eine andere Kuh wird gerade gemolken. Geduldig wartet Alma vor der Tür und tritt dabei von einem Hinterbein aufs andere - wie ein Mensch, der dringend auf die Toilette muss.

Doch der Schein trügt. Forscher haben herausgefunden, dass nicht der Druck im Euter die Kühe dazu bewegt, den Melkroboter aufzusuchen. "Manche Kühe lernen es einfach nie, während andere in den Roboter verliebt zu sein scheinen", sagt Karl-Heinz Wendt von der Veterinärmedizinischen Fakultät der Freien Universität Berlin.

Mitunter gelingt es, die Kühe mit besonders schmackhaftem Futter zum Melkroboter zu locken. "Doch manche Kühe vergessen das Melken zwischendurch einfach", beklagt sich Paul Paris, einer der fünf Brandenburger Landwirte, die in ihrem Betrieb bereits mit einem Melkroboter arbeiten. Die vergesslichen Kühe muss er entweder selbst zum Melkroboter treiben oder von Hand melken. Im ersten Jahr nach der Umstellung hat Paul Paris daher keine Arbeitserleichterung erfahren. Er hofft jedoch, dass die Anschaffung des Melkroboters bald als Arbeitszeiteinsparung zu Buche schlagen wird.

Alma wartet immer noch vor der verschlossenen Tür. Ein kleiner Sender im Halsband hat dem Melkroboter bereits ihre Identität verraten. Der Roboter weiß nun, ob Alma beispielsweise gesund ist oder wann sie das letzte Mal gemolken wurde. Endlich schwingt die Tür zur Seite und Alma betritt die Box. Sofort fällt Kraftfutter in einen Trog und die Kuh beginnt zu fressen. Währenddessen fährt der Roboterarm unter die Kuh.

Zuerst reinigt der Melkroboter die vier Zitzen des Euters. Wie bei einer kleinen Autowaschanlage fahren zwei gegenläufig rotierende Kunststoffbürsten an den Zitzen auf und ab. Anschließend bestimmt der Roboter mit Hilfe eines Lasers die genaue Position der Zitzen und stülpt nacheinander die vier Melkbecher darüber. Sobald die Melkbecher auf den Zitzen sitzen, beginnt die Maschine zu melken.

In den meisten Fällen gelingt es dem Roboter, die vier Melkbecher in weniger als zehn Sekunden auf die Zitzen zu setzen. Voraussetzung dafür ist eine robotergerechte Euterform: Zitzendicke, die Stellung der Zitzen und ihre Länge müssen stimmen. Bei der Umstellung eines Betriebes auf die Robotertechnik müssen zehn bis 20 Prozent der Kühe ausgemustert werden, weil sie auf Grund ihrer Euterform nicht gemolken werden können oder sich aus unerklärlichen Gründen weigern, die Box zu betreten.

Alma hat Glück gehabt. Sie ist robotertauglich, und ihre Milch fließt durch Plastikschläuche in einen Tank. Während des Melkens misst der Roboter die elektrische Leitfähigkeit ihrer Milch. Weichen die Messwerte vom Optimum ab, ist dies ein Hinweis auf eine mögliche Erkrankung des Euters. In solch einem Fall erscheinen die Kenndaten der Kuh sofort auf einer Alarmliste, die der Landwirt über Computer abrufen kann.Die Milch einer kranken Kuh kann die Qualität des gesamten Tankinhalts gefährden. Der Landwirt prüft daher die Alarmliste mindestens zwei- bis dreimal am Tag. Da die Aussagekraft der elektrischen Leitfähigkeit mit großen Unsicherheiten behaftet ist, muss er die auffälligen Kühe danach noch einmal selbst kontrollieren, um sie gegebenenfalls behandeln zu können.

Früher erledigte der Landwirt den Gesundheits-Check quasi nebenbei; beim Melken hatte er seine Kühe täglich zweimal vor Augen. Mit dem Melkroboter erfordert die Gesundheitskontrolle einen erheblichen Arbeitsaufwand, der bisher unterschätzt wurde. Landwirte und Wissenschaftler wie Jürgen Trilk fordern daher zusätzliche Messvorrichtungen, mit denen der Roboter krankhafte Veränderungen der Milch erkennen kann, bevor sie in den Milchtank gelangt.

Nach etwa sechs Minuten ist der Melkroboter mit Alma fertig. Die Melkbecher werden von den Zitzen abgezogen, der Roboterarm fährt zurück. Die portionierte Futterration ist aufgefressen, und die Kuh verlässt die Melkbox. Dabei ist ihr vermutlich nicht bewusst, dass sie gerade gegen das Gesetz verstoßen hat.

Die Milchhygiene-Verordnung schreibt nämlich vor, dass der Melker die ersten Milchtropfen in einer kleinen Schale begutachten muss. Erst nach der Prüfung dieses Vorgemelks, darf die Milch in den Sammeltank gemolken werden. Streng genommen müsste der Landwirt nach der Milchhygiene-Verordnung 24 Stunden neben seinem Roboter hocken und jede Kuh von Hand vormelken.

Der ständige Veterinärausschuss in Brüssel arbeitet bereits an einer Gesetzesänderung; für Deutschland ist an dem Verfahren das Bundesgesundheitsministerium beteiligt. Bisher ist "die Diskussion noch in vollem Gange", erklärt Günther Haubenreiser vom zuständigen Referat. Prinzipiell wolle man dem technischem Fortschritt Rechnung tragen, doch dürfe dabei die Milchhygiene nicht auf der Strecke bleiben.

Wie schnell die Revolution in den Kuhställen um sich greifen wird, bleibt abzuwarten. Jürgen Trilk ist jedoch sicher, dass den Melkrobotern die Zukunft gehört und die automatischen Melksysteme in den nächsten zehn Jahren eine beachtliche Verbreitung finden werden.

Manuela Röver

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