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Gesundheit: Ein schwaches Leuchten am Rande der Welt

Europäische Forscher bauen in Chile eine riesige TeleskopanlageThomas de Padova Ein sandiger Weg führt die Karawane europäischer Astronomen durch die Atacama-Wüste in Chile hinauf zum Cerro Paranal. Wieder einmal geht es nur im Schritt-Tempo bergaufwärts.

Europäische Forscher bauen in Chile eine riesige TeleskopanlageThomas de Padova

Ein sandiger Weg führt die Karawane europäischer Astronomen durch die Atacama-Wüste in Chile hinauf zum Cerro Paranal. Wieder einmal geht es nur im Schritt-Tempo bergaufwärts. Denn einer der Lkw hat zerbrechliches Gut geladen: einen Spiegel, acht Meter durchmessend, so glatt poliert wie wohl kaum eine andere Fläche auf Erden. Die Unebenheit dieses Spiegels lässt sich allenfalls in Bruchteilen einer Haaresbreite angeben.

Der in Deutschland gegossene Spiegel ist das Herzstück eines von insgesamt vier Teleskopen, die derzeit in der chilenischen Wüste errichtet werden. Bis zum Jahre 2002 soll das "Very Large Telescope" der Europäischen Südsternwarte fertiggestellt sein. Dann können die vier Spiegel gleichzeitig Licht aus ein und derselben Himmelsregion einfangen. Die so gemachten Bilder von Sternen oder Galaxien versprechen deutlich besser zu werden als bislang mit dem Hubble-Weltraumteleskop erhaltene Aufnahmen. So wollen die Astronomen von ihrem neuen Observatorium aus unter anderem große Planeten, die um ferne Sonnen kreisen, direkt ins Visier nehmen.

"Wir werden unsere Nachbarsterne systematisch nach Planeten absuchen können", prophezeite Rolf-Peter Kudritzki am Montagabend im Magnus-Haus in Berlin. In seinem bildreichen Vortrag geleitete der Direktor des Instituts für Astronomie und Astrophysik der Universität München das Publikum zunächst auf die trockene, stets wolkenfreie Anhöhe des Cerro Paranal. Dort angekommen, ließ er die riesigen Spiegel in ihre stabile Verankerung sinken, flanschte tonnenschwere Spektrographen und Bildanalysatoren an die bewegliche Optik, schwenkte sie gen Nachthimmel und machte es sich dann selbst vor etlichen Monitoren in warmer Stube bequem.

Kudritzki war dieses begehrte Plätzchen kürzlich als erstem vergönnt, als das erste der vier Teleskop einsatzbereit war. Und gleich wähnte er sich auf großer Entdeckungsreise. Er und seine Kollgen hielten den Spiegel zwei Nächte lang in eine düstere Region im Kosmos. Dort, abseits der Galaxien, vermuteten sie eine Vielzahl bisher unsichtbarer Mini-Sterne. Einige dieser Sterne sollten sich in hohem Alter als "planetarische Nebel" zu erkennen geben, ein letztes Mal hell aufflackern und dabei ihr gesamtes Umfeld erleuchten. Auf zuvor geschossenen Bildern waren offensichtlich Charakteristika dieser Nebel zu sehen.

Ansonsten aber sprach nicht viel für die These, dass es auch außerhalb der Galaxien unzählige Sterne gibt. Allenfalls die Einsicht, dass die Astronomen bisher nur zehn Prozent der Materie im Kosmos sehen können, während sich der Rest zwar durch seine Schwerkraftwirkung bemerkbar macht, aber völlig unerkannt bleibt. Ob es sich bei dieser "dunklen Materie" um seltsame Elementarteilchen, schwarze Löcher oder aber um Mini-Sterne handelt, ist bisher reine Spekulation.

Auch Kudritzkis Aufnahmen konnten nicht zur Lösung dieses Rätsels beitragen - aber sie halfen, ein anderes zu lösen. Denn die vermeintlichen "planetarischen Nebel" waren gar keine sterbenden Sterne. Bei genauerem Hinsehen entpuppten sich die Lichtflecke als sehr weit entfernte Galaxien.

Rund 12,5 Milliarden Jahre hat das Licht gebraucht, um von dort zur Erde zu gelangen. Die Objekte gehören damit zu einer gerade erst entdeckten Klasse sehr junger Galaxien aus der Frühzeit des Universums. Die Galaxien bestehen denn auch lediglich aus Wasserstoff, der sich wohl - zusammen mit Helium - unter allen chemischen Elementen zuerst bildete - bereits kurz nach dem Urknall. Dagegen fehlt in den Aufnahmen der Galaxien jede Spur von erst im Laufe der Evolution entstandenen metallischen Substanzen sowie von Staub.

Kudritzkis Beobachtungen, die demnächst in einer Fachzeitschrift veröffentlicht werden, passen gut ins heutige Bild der Kosmologie. Doch wem in Zukunft das gesamte Observatorium in Chile zur Verfügung steht, der muss sich wohl auf überraschendere Einblicke in den Kosmos gefasst machen, betont der Forscher. "Was wir bisher sehen können, ist nur die Spitze des Eisberges." © 1999

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