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Gesundheit: Ein Streit um Worte

Das neue Urheberrecht wird am Freitag vom Parlament beschlossen. Die Verlage befürchten das Schlimmste

Die Regierung hält es für einen „fairen Kompromiss“, die Wissenschaftsverlage dagegen sprechen schlicht von Enteignung. Große Worte. Das neue Urheberrecht, das der Bundestag am kommenden Freitag beschließen will und das am gestrigen Mittwoch mit den Stimmen von SPD, CDU und Grünen den Rechtsausschuss passierte, entzweit die Gemüter. Dabei geht es vor allem um den neuen Paragrafen 52a. Darin wird es für zulässig erklärt, veröffentlichte Werke „für einen bestimmt abgegrenzten Kreis von Personen für deren eigene wissenschaftliche Forschung öffentlich zugänglich zu machen“. Ein Aufschrei der Wissenschaftsverlage war die Folge. Denn was bedeutet schon „abgegrenzter Personenkreis“? Das können ja, so die Fantasie von Verlagen und Buchhändlervereinigung, sämtliche Benutzer einer Bibliothek sein, oder, noch schlimmer, eines Bibliotheksverbundes. Das könnte dazu führen, dass ein wissenschaftliches Werk künftig nur einmal angeschafft und dann auf digitalem Wege kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Auf dieser Basis würden sie künftig nur noch geringste Stückzahlen ihrer mit hohem Aufwand produzierten wissenschaftlichen Werke verkaufen können – und langfristig nicht überleben, sagen die Verlage.

Die Bundesregierung versteht die Aufregung nicht. Mit dem Gesetz werde bloß die bisherige Welt der Wissenschaft, in der Papier dominierte, der digitalen Welt angepasst. Im Kern seien die Regelungen die gleichen. „Mit der Anpassung an die technischen Neuerungen ist keine Erweiterung der Nutzungsrechte verbunden“, wiederholt Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) schon seit Wochen. Nehmen konnte sie den Verlagen ihre Sorgen damit bisher nicht.

Die Kunst besteht darin, das Gesetz richtig zu lesen. Denn wie sie zu verstehen sind, steht bei den umstrittenen Regelungen nicht dabei. Zum Beispiel: Wie definiert sich der „bestimmt abgegrenzte Kreis von Personen“? Oder: Was bedeutet „öffentlich“? In dem Gesetz wird nämlich der neue Fachausdruck „öffentliche Zugänglichmachung“ eingeführt. „Öffentlich“ bedeute aber nicht, dass es erlaubt sei, Werke zum Beispiel in das Internet einzustellen, betont die Bundesregierung. Das sei weiterhin nicht erlaubt. Der Nutzerkreis müsse eng umgrenzt bleiben, er könne etwa die Forscher eines Instituts umfassen oder zum Beispiel eine Schulklasse. Die Einstellung in ein Intranet, auf das nur diese Gruppe Zugriff hat – nicht also in das Internet – ist dementsprechend erlaubt. Der Grünen-Rechtsexperte Volker Beck vergleicht das mit den Büchern im Regal einer Präsenzbücherei, die auch nur derjenige herausnehmen kann, der auf das Regal Zugriff hat. Nur dass das Regal jetzt eben digital ist und mehrere gleichzeitig im selben Buch blättern können. Wer sich als Student je mit Kommilitonen um das einzige Exemplar eines Fachbuchs balgen musste, erkennt den Unterschied. Entsprechend begrüßenswert finden die Bibliotheken das neue Gesetz.

Deutschland folgt mit der Novellierung des Urheberrechts Vorgaben aus Brüssel. Bis vergangenen Dezember hätte die so genannte Info-Richtlinie, also die EU-Richtlinie 2001/29/EG zur „Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und verwandter Schutzrechte in der Informationsgesellschaft“, schon in deutsches Recht umgesetzt sein müssen. Das geschieht nun mit einigen Monaten Verspätung. Wenn das Gesetz am Freitag beschlossen ist, geht es zum zweiten Mal in den Bundesrat. Dort kann es noch mit einem Einspruch gestoppt werden und müsste dann in den Vermittlungsausschuss. Damit rechnet aber niemand, auch wenn der Bundesrat im ersten Durchgang die Bedenken von Verlegern und FDP teilte.

Wenn das Gesetz durch ist, wird es vermutlich kurz darauf wieder geändert – zum Nutzen der Konsumenten. Denn es gibt darin, wie auch bisher schon, ein Recht auf Privatkopie. Wer also zum Beispiel von seinen Lieblings-CDs einen Zusammenschnitt fürs Auto erstellen will, darf das, so lange es nur seinen privaten Zwecken dient und er keine Gewinnabsichten verfolgt. „Heute haben viele CDs aber einen Kopierschutz“, sagt Beck. Gegenüber früher, wo problemlos von LP auf Cassette überspielt werden konnte, sei das digitale Zeitalter in diesem Punkt ein Rückschritt. Raubkopien sind natürlich nicht erlaubt. Nun muss geregelt werden, wie man das Recht auf Privatkopie umsetzt – etwa durch einen Kopierschutz, der sich erst nach einer bestimmten Zahl Kopien einschaltet.

Das große Thema auf diesem Feld heißt digitales Rechte-Management. Es betrifft beide hier angeschnittenen Themenkomplexe gleichermaßen. Denn der Diebstahl geistigen Eigentums ist selbstredend auch im elektronischen Zeitalter nicht erlaubt, und ihm muss wirksam begegnet werden. Das immerhin wäre ohne den umstrittenen Paragrafen 52a auch nicht anders.

Fatina Keilani

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