zum Hauptinhalt

Gesundheit: Ein totes Pferd reiten

Medizingutachten: Die Charité stellt den Experten 100 Fragen

„Warum zahlen wir die Miesen für Sparhaushalt und Bankenkrise?“ fragt ratlos ein großes Plakat im Hörsaal des Bettenhauses der Charité. Um zu hören, wie es nach dem Expertengutachten zur Hochschulmedizin weitergeht, kamen dort am Donnerstag einige hundert Mitarbeiter zusammen – in der Hoffnung, „dass mal Tacheles geredet wird“, wie Dagmar Möbius sagte, die in der Verwaltung arbeitet. „Wir wollen endlich wissen, wie viel Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen und wie die Leitung sich dazu stellt.“

Manfred Dietel, der ärztliche Direktor der Charité, gab sich kämpferisch. 2000 bis 3000 von ihren jetzt rund 13 000 Stellen müssen die Charité und das Klinikum in den nächsten Jahren streichen. Dietel sagte, man werde sich mit den Politikern nur dann einigen, wenn dieser Prozess „ohne drastische Maßnahmen wie betriebsbedingte Kündigungen“ von statten gehe. Außerdem müsse der Standort Virchow erhalten bleiben, genauso wie der Name Charité, der ein Markenzeichen sei: „Wer würde denn Mercedes und Audi nach einer Fusion ,Maudi’’ nennen? Den würden ja alle für schwachsinnig halten“, sagte Dietel zu den Überlegungen, das neue Gebilde „Zentrum Universitärer Medizin“ zu taufen. Vor allem aber werde sich die Charité dafür engagieren, dass die neue Fakultät nicht an der HumboldtUni und der FU angesiedelt sei, sondern nur an der HU: „Nicht nur aus emotionalen, sondern auch aus ökonomischen Gründen.“

Der Dekan der medizinischen Fakultät der Humboldt-Uni, Joachim Dudenhausen, plädierte dafür, das Gutachten als „Chance“ zu sehen „anstatt zu klagen“. Das veranlasste einen Mediziner im weißen Kittel, ihm zuzurufen: „Ich bin empört über Sie!“ Genauso wenig Verständnis für Optimismus konnte der Verwaltungschef der Charité, Bernhard Motzkus, aufbringen: Unter den Experten, die über die Zukunft der Medizin beraten hätten, sei kein einziger mit wirtschaftlichem Sachverstand gewesen. Nur auf zwei von 126 Seiten habe die Kommission Einsparvorschläge gemacht – allerdings nur solche, die „naiv und absurd“ seien. Mit den geplanten Zusammenlegungen oder Streichungen bestimmter Gebiete werde die Medizin „kaputtorganisiert“.

Die Recherchen der von der Humboldt-Uni beauftragten Unternehmensberatung hätten ergeben, dass mit der Fusion auf keinen Fall 98 Millionen Euro gespart werden könnten. Statt dessen würden 4 Milliarden Euro neue Kosten auf die Stadt zurollen. Motzkus sagte, er habe dem Vorsitzenden der Expertenkommission, Winfried Benz, einen Brief mit 100 offenen Fragen geschickt. „Ich bin gespannt, welche Erklärung Benz und seine Truppe dafür haben.“ Den Politikern empfahl Motzkus mit einer indianischen Weisheit: „Wenn du merkst, dass du ein totes Pferd reitest, dann steige ab.“ Die Zuhörer quittierten es mit zustimmendem Gelächter. akü

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false