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Gesundheit: Ein Uni-Projekt macht Geschichte

Kaum zu glauben, welche Karriere ein ganz normales Uni-Projekt machen kann: Im Herbst letzten Jahres stießen Museumskunde-Studierende der Berliner Fachhochschule für Technik und Wirtschaft auf die Geschichte des Kleinfabrikanten Otto Weidt. Er hatte während des Dritten Reiches versucht, die jüdischen Mitarbeiter seiner Blindenwerkstatt, einer Bürstenmanufaktur in Berlin-Mitte, vor der Deportation zu retten.

Kaum zu glauben, welche Karriere ein ganz normales Uni-Projekt machen kann: Im Herbst letzten Jahres stießen Museumskunde-Studierende der Berliner Fachhochschule für Technik und Wirtschaft auf die Geschichte des Kleinfabrikanten Otto Weidt. Er hatte während des Dritten Reiches versucht, die jüdischen Mitarbeiter seiner Blindenwerkstatt, einer Bürstenmanufaktur in Berlin-Mitte, vor der Deportation zu retten. Einer ehemaligen Mitarbeiterin verhalf er sogar zur Flucht aus dem KZ Auschwitz.Die Studentinnen und Studenten entschlossen sich, in den ehemaligen Werkstatträumen eine temporäre, Otto Weidt und seinen Angestellten gewidmete Dokumentation einzurichten - die Konzeption und Verwirklichung einer Ausstellung ist Teil ihres Studienplans.Mit Hilfe von historischen Fotografien, Dokumenten und authentischen Werkbänken für Blinde gelang es ihnen, mit einfachen Mitteln die Geschichte der Werkstatt und der an sie geknüpften Lebenswege zu illustrieren. Die Studenten stellten Briefe und Tagebucheinträge zusammen und zeichneten ein Interview mit Inge Deutschkron und Hans Israelowitcz auf. Beide hatten in der NS-Zeit in Weidts Werkstatt gearbeitet. So gewann die Ausstellung (Titel: "Blindes Vertrauen, versteckt am Hackeschen Markt") einen sehr intimen, unmittelbaren Charakter.Sie erweckte unerwartet große Aufmerksamkeit: Schon am Eröffnungstag tauchten drei Fernsehteams auf, weit über dreitausend Menschen haben inzwischen die drei kleinen Räume im Hinterhaus der Rosenthaler Straße 39 besucht.Jetzt ist die Möglichkeit im Gespräch, sie angegliedert an das Jüdische Museum Berlin als dauerhafte Gedenkstätte zu erhalten. Diese Idee geht auf einen Vorschlag von Kulturstaatsminister Michael Naumann zurück, der die Ausstellung Ende Mai zusammen mit Israels Botschafter Avi Primor und Inge Deutschkron besucht hatte. Später bekräftigte er den Gedanken in einem Brief an das Jüdische Museum. Auch das Gedenkstätten-Referat der Senatskulturverwaltung befürwortet den dauerhaften Erhalt der ehemaligen Manufakturräume."Das Konzept zur Umwandlung der Ausstellung in eine Gedenkstätte liegt beim Jüdischen Museum auf dem Tisch", sagt Professor Hans Wilderotter, der an der FHTW das Projekt der Studenten betreut. "In einer der kommenden Leitungssitzungen soll darüber entschieden werden, ob und in welcher Form eine Übernahme der Ausstellung durch das Museum möglich ist", meint Wilderotter."Es würde uns riesig freuen, wenn die Sache weiterlebt", sagt Student Kai Gruzdz, der maßgeblich am Aufbau der Ausstellung mitwirkte. Zusammen mit seiner Kommilitonin Ariane Kwasigroch erarbeitet er zur Zeit ein museumspädagogisches Konzept zur Umwandlung der Werkstatt in eine dauerhafte Gedenkstätte - es ist zugleich die Diplomarbeit der beiden FHTW-Absolventen. Der anschaulichen Charakter der Werkstatt prädestiniert sie nach Meinung von Gruzdz vor allem für die Arbeit mit Schulklassen. Bis Ende 1999 sichert das Berliner Anne-Frank-Zentrum mit ehrenamtlichen Mitarbeitern und finanzieller Unterstützung den Erhalt der Ausstellung. Bis dahin müßte ein neues Trägermodell zum Erhalt der Ausstellung gefunden werden.

Die Ausstellung ist sonnabend und sonntags von 13 bis 19 Uhr geöffnet. Berlin-Mitte, Rosenthaler Straße 39, 2. Hofdurchfahrt, linker Aufgang.

FRANK PETER JÄGER

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