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Gesundheit: Ein Verhängnis in drei Akten

In 13 Tagen regneten insgesamt fünf Milliarden Kubikmeter Wasser in den Einzugsbereich der Elbe

In Dresden sieht es wieder so sauber aus wie man es gewohnt ist – dabei ist es doch nur ein Jahr her, dass dort eine Flut hindurch geflossen ist, die als Jahrhundert-Hochwasser bezeichnet werden kann. Kleine Zuflüsse wie die Weißeritz, aber auch Ströme wie Donau, Moldau und eben die Elbe hatten die Niederschläge nicht mehr fassen können.

Doch wer das Unwettergeschehen des vergangenen Jahres Revue passieren lässt, dem laufen schon die Schauer über den Rücken, lange bevor er in der Chronologie bis zum August gekommen ist. Denn bereits Anfang Mai traf es Niedersachsen, später Baden-Württemberg und Bayern schlimm. Dort, sowie in Österreich und der Schweiz, in Polen und Tschechien, begannen Starkniederschläge, die in der Nacht zum 16. Juli alles bis dahin Bekannte in den Schatten stellten. So viel sollte reichen, um uns zu vergegenwärtigen, wie tief der Sommer 2002 schon zu seinem Beginn ins Wasser gefallen war.

Als Anfang August weite Teile Ober- und Mittelitaliens in den Sturzbächen versanken, als die Schneefallgrenze auf 2000 Meter gesunken war, als schwere Hagelschauer Urlauber vom Gardasee vertrieben, mochte man sich freilich noch nicht vorstellen, dass es sich erst um ein grausames Vorspiel für ein weit schlimmeres Geschehen handelte. Denn die Regenwolken, die sich über dem Mittelmeer gesättigt hatten, konnten die Ostalpen überwinden.

Die Bundesanstalt für Gewässerkunde in Koblenz und Berlin hat dem gesamten Geschehen einen ausführlichen Projektbericht gewidmet (einzusehen unter der Internet-Adresse www.bafg.de , dann dort unter dem Stichwort „Hydrologische Ereignisse“ abgelegt).

Schließlich kam es „in den ersten 13 Tagen des August 2002 in Zentraleuropa zu drei aufeinander folgenden Starkniederschlagsereignissen“, heißt es hier zusammenfassend. Das erste, vom 1. bis zum 5. August, betraf Norddeutschland: Das Tiefdruckgebiet „Gudrun“ ließ am 1.August in Hamburg bis zu 65 Liter Regen pro Quadratmeter in nur 45 Minuten fallen. Es wanderte nach Osten, am 5.August traf es in Berlin ein, überflutete Keller und Autotunnel.

Die zweite Phase wurde von einem Tief ausgelöst, das sich über dem Mittelmeer gebildet hatte und – anders als seine Vorgänger – die Alpen überkletterte. In Ostbayern, Böhmen und Österreich fielen am 6. und 7. August mit 140 Liter pro Quadratmeter mehr Niederschläge als sonst im ganzen Monat.

Hätte sich jetzt Hochdruck über Mitteleuropa ausgebreitet, wäre alles noch halbwegs glimpflich verlaufen. Aber das entscheidende Hoch lag über Skandinavien wie festgenagelt. Und die Wärme zapfte immer mehr Wasser aus dem Mittelmeer. Über Italien bildete sich schließlich ein wassersatter Tiefwirbel, der zunächst über die Adria und dann Richtung Polen zog. Auf dem Weg stieß die Warmluft auf einen im Norden liegenden Kaltluftkeil – das Verhängnis nahm seinen Lauf.

In den nüchternen Worten des Berichts hört sich das so an: „Am 9. August kam es bereits zu gewittrigem Regen in Südbayern. Am 10. setzten abends von Westen her Gewitter und Schauer ein, die in Ostbayern in Dauerregen übergingen. Im Laufe des 11.August weitete sich das Schlechtwettergebiet weiter nach Norden aus. Dabei kam es auch im südlichen und westlichen Böhmen sowie im Erzgebirge und im Harz zu Starkregenfällen. Auf dem Brocken im Harz wurde sogar eine 24-stündige Niederschlagshöhe von 101,5 Litern registriert.“

Richtig schlimm wurde es also erst mit der dritten Phase vom 11. August an, als das Tief Polen erreichte. Auf seiner Rückseite drückte es die Regenwolken übers Land bis ans Erzgebirge heran, wo sich die Massen stauten: In Zinnwald-Georgenfeld fielen in 24 Stunden 312 Liter pro Quadratmeter – ein absoluter Deutschland-Rekord. Aber auch Dresden bekam das Doppelte des bisherigen Ein-Tages-Maximums ab: 158 Liter.

Es waren denn auch diese Tropfen, die die ohnehin recht vollen Gewässer überlaufen ließen, Felder, Boden und Grundwasser konnten so schnell nichts mehr aufnehmen. Und bei dem bewölkten Himmel und der vorherrschenden Kühle konnten auch keine nennenswerten Feuchtigkeitsmengen verdunsten.

Die schmalen Gebirgsbäche schwollen an, konnten die Mengen nicht bewältigen, rissen Geröll und entwurzelte Bäume mit sich hinweg, bahnten sich ihren Weg durch Dörfer und Kleinstädte.

Was da in den ersten August-Wochen herunterkam, war einfach zu viel: Eine durchaus konservative Schätzung ergibt für das Einzugsgebiet der Elbe bis Dresden eine Niederschlagsmenge von rund fünf Milliarden Kubikmetern, resümieren die Autoren der Studie.

Gideon Heimann

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