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Gesundheit: Ein zweites Leben für das Handy

Berliner Ingenieure bereiten die europaweite Rücknahmepflicht für elektrische Geräte mit pfiffigen Ideen vor

Das Dosenpfand ist in aller Munde, da zieht für die Wirtschaft schon die nächste dunkle Wolke herauf: Vom Sommer 2005 an werden die Hersteller von elektronischen und elektrischen Geräten innerhalb der EU in die Pflicht genommen. Sie müssen Altgeräte kostenlos zurückzunehmen.

Was bei Weißblechdosen und PET-Flaschen technisch relativ einfach ist, gestaltet sich bei der unüberschaubaren Vielfalt in dieser Branche als echte Herausforderung. Die neue EU-Richtlinie erfasst kleinste Radios ebenso wie Waschmaschinen oder Getränkeautomaten, von medizinischen Großgeräten ganz zu schweigen.

„Am sinnvollsten ist es, die Geräte zu demontieren und möglichst viele Baugruppen erneut zu verwenden“, sagt Christian Schneiders von der Technischen Universität Berlin. „Nehmen Sie die Handys. In der Regel gelten sie nach zwei Jahren als veraltet und werden irgendwo im Schrank gehortet. Von einigen Kratzern am Gehäuse und den Akkus abgesehen, sind diese Mobiltelefone meist noch voll funktionstüchtig."

In deutschen Haushalten kursieren mehrere Millionen Althandys, vollgestopft mit Elektronik, Metallen und Kunststoffen. Schneiders arbeitet am Sonderforschungsbereich „Demontagefabriken" und sucht mit seinen Kollegen nach technischen und logistischen Lösungen für solche Altgeräte. Die Wissenschaftler haben einen alten Pizzabeschickungsautomaten – der übrigens selbst unter die neue EU-Verordnung fallen würde – zu einer Demontagezelle für Handys umgebaut. Das Problem bei Handys ist, das jeder Hersteller seine eigenen Standards nutzt.

So passen die Baugruppen von Ericsson, Nokia, Sony, Siemens, Motorola und wie sie alle heißen nicht immer zusammen. Keine Handy-Marke ist wie die andere. Vorteilhaft ist allerdings, dass Handys in automatisierten Produktionslinien montiert werden, meist im Steckkastenprinzip. „Dadurch lassen sich die Gehäuse leicht öffnen und die Baugruppen gut sortieren“, sagt Schneiders. „Wir können die beiden Gehäuseteile, den Akku, die Tastatur, die Platine mit der Elektronik und das Display schnell separieren. Schwierig ist es noch bei den Flip-Handys, die sich aufklappen lassen und bei denen die Tastatur in den Deckel integriert ist."

Der umgebaute Pizzabelegungsroboter erkennt den Typ und die Bauart des Handys automatisch. Nach der Zerlegung werden die einzelnen Baugruppen auf Funktionstüchtigkeit überprüft. Defekte Module wandern in den Elektronikschrott oder zu den Kunststoffen. Funktionierende Baugruppen werden in ein neues Gehäuse gepackt. Es ist für alle Marken geeignet.

„Die Herstellungskosten für ein neues Handy liegen bei rund 100 US-Dollar“, rechnet Schneiders vor. „Unsere revitalisierten Handys kosten 30 US-Dollar. Man könnte sie beispielsweise in Schwellenländern zu einem deutlich günstigeren Preis anbieten." Etwa im Kongo, wo einigen 10000 Anschlüssen im Telefonfestnetz bereits Hunderttausende Handys gegenüberstehen.

Auch die Gerätehändler müssen sich ins Zeug legen, wollen sie die EU-Verordnung pünktlich und umfassend umsetzen. Bei Dosen und PET-Flaschen ist die Rücknahme technisch kein großer Akt: Die Kunden kaufen die Produkte im Supermarkt oder bei Tante Emma. Wenige Tage später wandern sie gegen Pfand zurück.

Für kleinere Elektro-Altgeräte mögen Sammelcontainer genügen. „Allerdings dürfen die Geräte beim Einwurf nicht zusätzlich beschädigt werden", sagt Thomas Sommer-Dittrich, der an der TU-Berlin vor allem logistische Probleme der Rücknahme untersucht. Größere elektrische Geräte leben manchmal mehrere Jahrzehnte. Bislang landen sie oft in Recycling-Höfen: als Schrott. Künftig werden sie vornehmlich im Austausch zurückgenommen. Wenn Miele etwa eine neue Waschmaschine liefert, muss der Lieferant die alte Schleuder gleich mitnehmen.

„Darauf ist bislang niemand vorbereitet“, sagt Sommer-Dittrich. „Die Auslieferung wird meist von spezialisierten Speditionen übernommen. Fahrer und Beifahrer des Lkws wuchten die neue Waschmaschine in die Wohnung und verschwinden wieder. Um die alte Waschmaschine abzuholen, kommt irgendwann ein zweiter Wagen – wieder mit zwei Leuten." Erfassung, Transport und Lagerung machen rund 80 Prozent der Kosten für das Recycling aus.

„Wir haben deshalb ein Spezialregal für Lastkraftwagen entwickelt", erläutert Schneiders. „Die Geräte stecken nicht mehr in Kartons, sondern in festen Boxen. Das Neugerät wird aus der Box entladen, das Altgerät darin wieder verstaut.“ Dann entfällt auch das lästige Auspacken der Kartonage, das viel Zeit frisst. „Wenn alles gut läuft, könnte unser System in zwei Jahren am Markt sein."

Heiko Schwarzburger

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