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Gesundheit: Eine Hochschule setzt sich matt (Leitartikel)

Eine gescheiterte Wahl treibt eine Universität nicht an den Rand des Untergangs. Selbst wenn der Präsident der Humboldt-Universität in diesem Fall das Opfer ist, und seine Ideen mit der Hochschulreform untrennbar verbunden sind.

Eine gescheiterte Wahl treibt eine Universität nicht an den Rand des Untergangs. Selbst wenn der Präsident der Humboldt-Universität in diesem Fall das Opfer ist, und seine Ideen mit der Hochschulreform untrennbar verbunden sind. Meyers Scheitern bedeutet noch lange kein Scheitern der Reform. Nur wer die Humboldt-Universität höher gelobt hat, als sie es tatsächlich verdient, mag jetzt besonders schwarz sehen. Denn er weiß nur zu gut, dass die Reputation einer Universität nicht nur von ihren Leistungen abhängt, sondern auch von dem Gerede, das in einschlägigen Kreisen umgeht. Von der Tradition, die mit der alten Friedrich-Wilhelms-Universität und deren 29 Nobelpreisträgern verbunden ist, profitiert die Humboldt-Universität noch heute. Denn sie gehört zu den wenigen Universitäten neben Oxford, Cambridge, Stanford, Harvard und der Sorbonne, die weltweit ein Begriff sind. Aber die alten Meriten müssen mit neuen Namen bestätigt werden.

Das war mit dem Aufbruch beabsichtigt, den Berlin mit dem Aufbau der Humboldt-Universität versucht hat. Die Freie Universität und die Technische Universität im alten West-Berlin konnten von dieser Herausforderung nur profitieren, weil sie durch die neue Konkurrenz von ihrem Binnenblick auf Gruppenproporz und "heile Welt Dahlem" oder die nicht minder" heile Welt Charlottenburg" unsanft befreit wurden. Schadenfreude ist nicht angebracht, wenn sich jetzt herausstellt, dass bei der Präsidentenwahl an der Humboldt-Universität auch nach Statusgruppen abgestimmt wurde. Es scheint mit den großen, gruppenübergreifenden Mehrheiten vorbei zu sein, durch die die HU bisher so erfolgreich arbeiten konnte. Aber Gruppenvoten bedeuten noch lange nicht, dass sie einen politischen Lagerkampf zwischen Rechten und Linken wie an den politisierten Universitäten im alten West-Berlin spiegeln.

Die Frage lautet vielmehr: Wie viele Reformen verträgt eine Universität, die als ehemalige Hochburg der SED nach der Wende Abwicklungen und Personalumbrüche erlebt hat? Die alten Humboldtianer sind reformmüde. Sie sehnen sich nach Sicherheit und Beständigkeit. Und die vielen Westdeutschen, die vom Ruf der neuen Hauptstadt-Universität und der großen Tradition gelockt wurden, sind verunsichert von den heftigen Sparwellen. Sie sind beunruhigt über die neue Radikalreform, die Kultusminister und Wissenschaftsrat mit einer Verkürzung aller Qualifikationszeiten und der generellen Einführung von Bachelor und Master beabsichtigen. Meyer hat für die Universität mehr Autonomie herausgeholt und er war im Kampf um die Finanzen und Hochschulverträge ein versierter Politiker. Er versprach den verunsicherten Professoren, dass ihre Spezialgebiete, die sie in Studiengänge und Prüfungen eingebracht haben, einen Reichtum bedeuten und nicht der radikalen Verkürzung zum Opfer fallen dürfen.

Der neue Herausforderer aus den USA ist in der virtuellen Universität des Internets erfahren: Gerhard Fischer warb mit Visionen einer Hochschule des 21. Jahrhunderts und wollte Ideen für neue Studiengänge und Forschungsfelder in die Hochschule hineintragen. Das hat den Studenten und Nachwuchswissenschaftlern gefallen - jener neuen Generation der noch nicht Etablierten. Doch auch für den Visionär reichte es nicht.

Das Scheitern der Wahl wirft ein Blitzlicht auf die labile Situation einer Universität im Wandel. Universitäten entwickeln und wandeln sich in Jahrzehnten, nicht in Tagen, obwohl an gewissen Tagen Krisen bewusst werden, an die manche nicht glauben wollten.

Uwe Schlicht

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