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Gesundheit: Eine medizinische Warnung aus Amerika

Ob, wie und in welcher Qualität man medizinisch versorgt wird, hängt - mehr als wir ahnen - von Rahmenbedingungen wie Vergütungs- und Organisationsformen ab. In Deutschland propagieren Gesundheitspoltiker jetzt den Wettbewerb.

Ob, wie und in welcher Qualität man medizinisch versorgt wird, hängt - mehr als wir ahnen - von Rahmenbedingungen wie Vergütungs- und Organisationsformen ab. In Deutschland propagieren Gesundheitspoltiker jetzt den Wettbewerb. Wenn die Krankenversicherungen, meinen sie, Verträge mit den besten "Leistungsanbietern" schließen könnten, dann würden nicht nur die Kosten, sondern auch die Qualität der von ihnen gelenkten Versorgung ("Managed Care") steigen.

Überwiegend schlechte Erfahrungen mit "Managed Care" haben aber Patienten und Ärzte in den USA gemacht, wie John C. Goodman, Präsident des National Center for Policy Analysis in Dallas nun berichtet hat. Zwar würden Kosten gesenkt, damit aber auch das Versorgungsniveau, konstatierte Goodman in einer Beschreibung der amerikanischen Verhältnisse bei einem Kolloquium der Bosch-Stiftung. Er wunderte sich, dass ganz Europa zwar nichts vom Gesundheitssystem der USA halte, aber "Managed Care" als Vorbild betrachte.

Kein Eintritt für Kranke

Heute seien 159 der 238 Millionen Amerikaner unter 65 Jahren in privaten "Managed Care Organizations" oder "Healths Maintenance Organizations" versichert. Kostengünstiger seien sie deshalb, weil sie möglichst sparsam arbeitende Ärzte und Krankenhäuser unter Vertrag nähmen und die Wahlfreiheit von Ärzten und Patienten stark einschränkten. Die Kranken könnten nur bestimmte Ärzte und Kliniken aufsuchen, deren Liste sich ständig ändere. Bei Stellenwechsel würden Arbeitnehmer Mitglied einer anderen Versicherung mit anderen Ärzten. Selbst eine Notfallbehandlung im Krankenhaus sei ohne Genehmigung der Kostenträger nicht möglich - es sei denn, man bezahlt selbst. Die Ärzte hätten sich strikt an die Behandlungsrichtlinien der Versicherung zu halten und dürften die Patienten teilweise nicht einmal über andere (teurere) Möglichkeiten informieren.

Goodman räumte ein, dass all dies auch positive Folgen habe. So sei zum Beispiel die Zahl unnötiger, aber riskanter Eingriffe am Herzen zurückgegangen. Die negativen Folgen herrschten aber vor. Den Qualitätsverlust beklagten besonders die Arbeitgeber, die Managed-Care-Systeme für ihre Angestellten befürwortet hatten. Um mit niedrigen Prämien im Wettbewerb zu bestehen, hätten die Versicherer Interesse daran, möglichst viele Gesunde anzuwerben und Kranke abzuschrecken. Manche vermieden es, Spezialisten für kostspielige Krankheiten, wie Diabetes, unter Vertrag zu nehmen. Oder sie statteten Krebsabteilungen ihrer Kliniken schlecht aus, um Patienten abzuwehren. Eine kalifornische Versicherung löste den Vertrag mit einer Uniklinik, die Medizin auf höchster Ebene praktiziert und sich besonders schwieriger Fälle annimmt.

"Perverser Wettbewerb"

Goodmans Lektion für Deutschland, kurzgefasst: Deutsche Gesundheitspolitiker hätten sich offenbar ebenso wenig wie amerikanische überlegt, was sie mit der Einführung des Kassenwettbewerbs 1993 (noch ohne Managed Care) erreichen wollten: "Ein perverser Wettbewerb kann schlechter sein als gar keiner." Auch in Deutschland seien die Versicherungen daran interessiert, Kranke als neue Mitglieder zu meiden und Gesunde zu gewinnen. Der Risikostrukturausgleich funktioniere nur unzulänglich.

Bei Programmen, die Wettbewerb und Wahl ermöglichen sollen, sind nach Goodman zwei Grundsätze zu befolgen, will man vermeiden, dass Kranke als Mitglieder unterversorgt werden: Für kränkere Mitglieder müssten höhere Prämien gezahlt werden, von wem auch immer (Staat, Arbeitgeber oder dem Mitglied selbst). Außerdem sollte die Möglichkeit des Kassenwechsels eingeschränkt werden: Wem es als neu Erkranktem schwer gemacht wird, in eine leistungsfähigere Kasse zu wechseln, wird bei der Wahl nicht nur auf niedrige Beiträge, sondern auch auf die Leistungen für den Ernstfall achten.

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