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Gesundheit: Eine Spur zur Identität, nicht zum Charakter Genetischer Fingerabdruck: Fragen und Antworten

Die Debatte um die Nutzung genetischer Daten ist neu entbrannt, angefacht durch die rasche Aufklärung des Falls Moshammer mit einer DNS-Analyse. Kurz zuvor brachte ein Vorstoß der Justizministerin moderne Vaterschaftstests auf der Basis von DNS-Tests ins Bewusstsein.

Die Debatte um die Nutzung genetischer Daten ist neu entbrannt, angefacht durch die rasche Aufklärung des Falls Moshammer mit einer DNS-Analyse. Kurz zuvor brachte ein Vorstoß der Justizministerin moderne Vaterschaftstests auf der Basis von DNS-Tests ins Bewusstsein. Und nach der Flutkatastrophe in Asien identifizieren Experten unter anderem anhand von DNS-Analysen Verunglückte.

Seit wann gibt es den „genetischen Fingerabdruck“?

Erfunden wurde der Test am 10. September 1984 von dem 34-jährigen Genetiker Alec Jeffreys von der Universität Leicester. Er wurde im Jahr 1985 erstmals eingesetzt, und zwar als „Mutterschaftstest“, um herauszufinden, ob ein Junge aus Ghana tatsächlich der Sohn einer in England lebenden Mutter war, die seinen Nachzug beantragt hatte. Der Junge durfte bleiben.

Warum heißt er „Fingerabdruck“, obwohl doch Speichel, Haare, Blut oder Haut untersucht werden?

Auch der DNS-Test ist eine Methode, um einen Menschen anhand einzigartiger Merkmale zu identifizieren. Im Unterschied zum echten Fingerabdruck stützt sich sein genetischer Namensvetter jedoch auf unsichtbare Merkmale.

Auf welcher biologischen Grundlage basiert der Test?

Die gesamte Erbinformation eines Lebewesens ist in einem Molekül festgeschrieben, das sich im Kern der Zellen, in den Chromosomen, befindet. Die „Schrift“ besteht aus vier chemischen „Buchstaben“. Drei Milliarden Buchstaben-Paare sind zu einem stabilen Doppelstrang verknüpft, der DNS. Mindestens 90 Prozent der menschlichen DNS ist nach heutigem Wissenstand informationslos, enthält also keine Bauanleitungen für Eiweiße. Auf diesen langen Strecken, die keinem offensichtlichen Zweck dienen, gibt es kurze Abschnitte, die zwischen einzelnen Individuen stark variieren, die Mini- und Mikrosatelliten. Was sie unterscheidet, ist die Anzahl der Wiederholungen, also ein „Stottern“ der Buchstabenfolge. Wenn man einige von ihnen untersucht, ergibt das ein charakteristisches, bei jedem Menschen (außer bei eineiigen Zwillingen) verschiedenes Muster, das gut zur Identifizierung genutzt werden kann. Je mehr verschiedene Abschnitte dabei unter die Lupe genommen werden, desto sicherer ist der Test. Heute werden meist 13 Abschnitte untersucht. Von „Short Tandem Repeats“ (STR) spricht man, weil die kurzen Buchstabenfolgen sich wie die Teile des Tandems wiederholen.

Wieviel Material wird gebraucht?

Seit 1993 die Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR) entwickelt wurde, für die der Amerikaner Kary Mullis den Nobelpreis bekam, können DNS-Abschnitte im großen Maßstab mit Hilfe des Enzyms Polymerase im Labor kopiert werden. Das macht es möglich, mit sehr wenig Ausgangsmaterial auszukommen: Der Speichel auf einer Zigarettenkippe genügt. Kleinste Hautpartikel oder Blutspuren reichen aus, um einen Täter zu identifizieren. Nur bei wenigen Verbrechen bleibt deshalb überhaupt kein verwertbares Material zurück. „DNS-Proben sind ein Fahndungsmittel, das ich praktisch an jedem Tatort finden kann“, sagt Sven Roeske vom Bund Deutscher Kriminalbeamter.

Was verraten die Tests über die Identität hinaus?

Die Tests können mit großer Sicherheit die Identität oder eine enge Verwandtschaft feststellen. Weil nichtcodierende Abschnitte zwischen den Genen untersucht werden, können aber keine Aussagen über Merkmale wie Krankheitsneigung oder gar Charakter gemacht werden. „Anhand einzelner Proben kann man auch nicht die ethnische Zugehörigkeit erkennen“, erklärt der Fingerprint-Experte Martin Digweed von der Charité. Die Feststellung des Geschlechts ist aber möglich.

Wo wird der genetische Fingerabdruck eingesetzt?

Am bekanntesten ist der Einsatz in der Kriminalistik: Blut, Speichel, Sperma oder Haare, die am Tatort gefunden wurden, werden auf richterliche Anordnung getestet, dann wird mit den Testergebnissen Tatverdächtiger abgeglichen. Für Vaterschaftstests macht man sich die Tatsache zunutze, dass jeder Mensch jedes STR in zwei Ausführungen in sich trägt, einer mütterlichen und einer väterlichen. Die zwei Versionen können auf die Anzahl der Wiederholungen hin getestet werden. Gibt es bei mehreren dieser Marker Diskrepanzen zwischen Kind und vermeintlichem Vater, dann kann er mit absoluter Sicherheit als Vater ausgeschlossen werden.

Ist der genetische Fingerabdruck ein Gentest?

Nein, nicht alles, was „genetisch“ heißt, hat auch mit „Genen“ zu tun. Bei Gentests wird in informationshaltigen DNS-Abschnitten nach Genvarianten gesucht. Diese Veränderungen können etwa anfällig für Krankheiten machen.

Was wird wo nach dem Test aufbewahrt?

Während der echte Fingerabdruck materiell aufbewahrt wird, wird beim genetischen Fingerabdruck das Ausgangsmaterial (Speichel, Blut), nur aufbewahrt, solange es für die Beweisführung benötigt wird. In den Datenbanken des BKA sind nicht die Proben, sondern die Auswertungen zu finden. Eine „Gendatenbank“ stellen die allerdings nicht dar, denn sie enthalten keine Informationen über einzelne Gene. „Bei DNS-Massentests werden die Daten sofort nach dem Abgleich vernichtet“, versichert Wolfgang Bauch, Brandenburgischer Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter.

Wie ist das Vorgehen bei echten Gentests geregelt?

Noch in dieser Legislaturperiode will die Bundesregierung in einem Gendiagnostikgesetz die Frage der Erhebung von echten Gendaten regeln. In einem Diskussionsentwurf ist festgehalten, dass medizinische Gendiagnostik nur von Ärzten gemacht werden darf und Beratung beinhalten muss. Prädiktive genetische Diagnostik, mit der Veranlagungen für Krankheiten ermittelt werden, etwa vor der Geburt („Pränataldiagnostik“), sollen Fachärzten für Humangenetik und Ärzten mit einer Zusatzbezeichnung für genetische Untersuchungen vorbehalten bleiben.

Adelheid Müller-Lissner

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